Kurzgeschichten von Mathilde Schrumpf, entstanden zwischen 2006 und 2019, sind am ehesten als Beschwörungsformeln zu deuten: Beschworen werden Schrecknisse der Kindheit, die auch im Licht erwachsener Einsicht nur wenig vom früheren Horror verloren haben, Missverständnisse ebenso wie spätere amouröse Misserfolge. Sie spuken in der Seele umher, lassen sich kaum besänftigen. Woran sich die Leidenschaften des jungen, des gereiften Menschen entzünden, das sind keine lässlichen Bagatellen, sondern Antrieb und Beweggrund des wilden Herzens, das sich selten Ruhe gönnt. In magischer Weise betreten Akteure die Szenerie verschiedener Jahrhunderte, als gäbe es keinen Abstand der Geschichte. Und doch scheint Phantasie genau zu wissen, was sie tut, wenn sie die Regeln landläufiger Logik außer Kraft setzt. Getrieben von Schmerz (um die Verflossenen) oder bitterer Aggression (Schwiegermutter, Chef) lassen die Protagonisten von Mathilde Schrumpf auch der Leserschaft keine Ruhe: Man zittert, hofft, bangt mit ihnen, die Routinen zum Feindbild erklärt haben und auf ihrem Geburtstagskuchen bestehen. Und manchmal gibt es sie doch, die Liebe. Sie wohnt am zweiten Oktober, braucht zwanzig Minuten im Ofen, schmeckt süß und darf leider nicht sofort aufgegessen werden. «Mein berlinerndes Herz» versammelt die Ruhelosen der Stadt, schenkt ihnen Geschichten für Tag und Nacht.