Das letzte Schwurgericht. Günter Huth

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Название Das letzte Schwurgericht
Автор произведения Günter Huth
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783429061586



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      Die Person stand am Wohnzimmerfenster im obersten Stock des Achtfamilienhauses am Friedrich-Ebert-Ring und sah hinaus auf den Ringpark, der sich vor dem Haus erstreckte. Durch die erhöhte Lage der Mietwohnung befand sich die Person zum Teil über den Baumwipfeln des Parks. Die Sonne schien von einem azurblauen Himmel und erzeugte, jetzt, um die Mittagszeit, hochsommerliche Temperaturen zwischen den Häuserschluchten der Stadt. Die Bäume und Sträucher hatten schon seit Monaten das frische Grün des Frühlings verloren und zeigten das stumpfere Dunkelgrün dieser Jahreszeit.

      Die Person am Fenster nahm das alles nicht bewusst wahr. Ihre Gedanken waren weit weg, während sie mit stierem Blick einen unbestimmten Punkt irgendwo in den Baumwipfeln fixierte. Ihr Herz war erfüllt von Hass und Wut. Dort gab es keinen Platz für Helligkeit und Frohsinn. Auf dem Wohnzimmertisch lag die aufgeschlagene Tageszeitung, obenauf stach ein Artikel über einen zweiten ungeklärten Todesfall in Würzburg ins Auge:

       Mysteriöser Mord im Steinbachtal

      Bereits vor einigen Tagen berichteten wir über den mysteriösen Mordan Dr. Wilhelm Kürschner, dem ehemaligen Vorsitzenden des Schwurgerichts des Landgerichts Würzburg. Nun hat sich im Guttenberger Forst ein weiteres Tötungsdelikt an einem Mann ereignet, das hinsichtlich der grausamen Merkmale bei der Durchführung mit dem ersten Fall große Ähnlichkeit aufweist. Die Polizei hat auf Nachfrage unserer Redaktion bisher keine Einzelheiten genannt und auch keine Erklärung abgegeben, ob zwischen diesen beiden Tötungsdelikten ein Zusammenhang besteht. Wir werden weiter berichten.

      Die Person nahm diesen Artikel mit Genugtuung zur Kenntnis. Die Mühlen ihrer Gerechtigkeit begannen zu mahlen.

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      Der Dienstag war extrem anstrengend gewesen. Simon Kerner hatte zwei große Schöffengerichtsverfahren durchgezogen und dabei insgesamt elf Zeugen vernommen. Insbesondere das zweite Strafverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung, das am Nachmittag auf der Sitzungsliste stand, erforderte viel Geduld, weil sich die Zeugen nur teilweise an die beobachtete Tat erinnern konnten.

      Kerner verließ das Gericht um 18 Uhr und fuhr direkt nach Partenstein. Steffi, seine Freundin, war schon zu Hause und hatte ein kleines Abendessen vorbereitet.

      »Essen wir gemütlich auf der Veranda oder willst du heute noch auf die Jagd?« Sie sah ihn dabei mit einem speziellen Blick an, aus dem er das Versprechen auf eine besonders liebevolle Nachspeise heraushören konnte.

      Kerner lächelte sie an. »Ich bin heute ziemlich geschafft. Ein gemütlicher Abend mit dir und einem schönen Glas Wein, das ist genau das, was ich heute für mein Glück benötige.« Er öffnete die Verandatür und trat ins Freie. Die Terrasse lag hinter dem Haus und gab den Blick auf den nahen Waldrand frei. Wenn man Glück hatte, konnte man sogar hin und wieder ein Reh beobachten, das sich an den Hecken der Baumgrenze gütlich tat.

      Kerner deckte den Gartentisch. Steffi brachte aus der Küche zwei dampfende Filetsteaks, deren Duft Kerners Nase kitzelte. Jetzt erst bemerkte er seinen Hunger. Dazu trug Steffi eine Schüssel Salat auf, während Kerner eine Flasche Silvaner Spätlese aus dem Kühlschrank holte.

      Eine Weile aßen sie schweigend.

      »Schatz, die Steaks sind wieder auf den Punkt genau so gebraten, wie ich sie gerne mag«, unterbrach Kerner schließlich das Schweigen und lächelte sie an.

      »Freut mich«, erwiderte sie, hob ihr Glas und prostete ihm zu.

      Nachdem sie angestoßen hatten, fragte er: »Wie war dein Tag?«

      Steffi erzählte ihm ein paar Episoden aus der Physiopraxis, in der sie arbeitete, dann wollte sie wissen »Und wie war es heute bei dir?«

      Kerner zuckte mit den Schultern, während er den restlichen Bratensaft auf seinem Teller mit einem Stück Weißbrot auftupfte.

      »Wir haben heute wieder ein paar unerfreulichen Zeitgenossen einige Jahre Staatspension verschafft.« Er steckte das Brot in den Mund und fuhr kauend fort: »Weißt du, es ist manchmal etwas mühsam. Gelegentlich habe ich das Gefühl, als würde ich versuchen, eine Hydra zu bekämpfen. Wenn man einen Gesetzesbrecher wegsperrt, wachsen zehn andere nach.«

      Steffi schüttelte den Kopf. »So darfst du das nicht sehen. Wenn es keine Gerichte gäbe, würde die blanke Anarchie ausbrechen. Aber das weißt du auch. Du bist nur müde und musst dich entspannen.« Sie nahm den Bocksbeutel und schenkte ihm nach.

      »Zündest du bitte eine Kerze an? Ich würde mich gerne ein bisschen auf die Hollywoodschaukel setzen und kuscheln. Es ist ein wunderbarer Abend. Und ab sofort, kein Wort mehr vom Job!« Sie hob drohend den Finger.

      Kerner holte ein Gasfeuerzeug aus der Hosentasche und zündete eine dicke Kerze an. Er lächelte. Steffi hatte wirklich eine wunderbare Begabung, ihn immer wieder den Stress seines Berufs vergessen zu lassen. Nachdem sie das Geschirr abgetragen hatten, machten sie es sich auf der Schaukel bequem. Sie schmiegten sich aneinander und genossen den Wein. Beide waren in einer sehr entspannten Schmusestimmung. Langsam brach die Dämmerung herein.

      Simon Kerner war anscheinend etwas eingeschlummert. Jedenfalls schrak er fürchterlich zusammen, als plötzlich ein lautes Klirren ertönte, dem eine Reihe von scheppernden Geräuschen folgte. Steffi stieß einen spitzen Schrei aus, und Kerner fuhr ruckartig von der Schaukel in die Höhe. Unwillkürlich griff er an seine Hüfte, aber da war natürlich keine Waffe. Sein Gehirn rief in solchen Schrecksekunden noch immer die während seiner Militärzeit tausendfach antrainierten Bewegungsabläufe ab, die in Gefahrensituationen lebensrettend gewesen waren.

      »Um Gottes willen, was ist los?«, rief er hellwach und warf seiner Freundin einen besorgten Blick zu. Mittlerweile war es ziemlich dämmerig geworden, und die Veranda wurde nur vom Schein der Kerze ein wenig erhellt.

      Steffi war ebenfalls aufgesprungen und hielt eine Hand erschrocken vor den Mund. Dabei starrte sie auf einen Haufen Scherben, die von einem größeren, tönernen Pflanzentopf stammten, der auf der Veranda auf einem metallenen Blumenständer gestanden hatte. Jetzt lag er zertrümmert auf den Steinplatten, Pflanze und Erde zwischen den Scherben zerstreut.

      Kerner spürte die Gefahr und rief Steffi zu: »Los, schnell, rein ins Haus!« Er fasste sie beim Arm und schob sie durch die Verandatür ins Haus.

      »Mein Gott, was ist denn los?«

      »Ich weiß auch nicht genau«, erwiderte Kerner, »jedenfalls zerreißt es keinen Blumentopf von allein.« Er eilte zu einem Fenster und spähte hinter den Gardinen hervor in Richtung Waldrand. Kerner wollte Steffi nicht ängstigen, aber wie es aussah, hatte jemand auf den Blumentopf geschossen, obwohl man keinen Knall gehört hatte.

      Steffi näherte sich mit der Hand dem Lichtschalter.

      »Nein! Nicht! Lass das Licht bitte aus!«, verlangte er bestimmt. Seine Freundin sah ihn betroffen an. Kerner gab keine Erklärung ab, stattdessen schloss er alle Jalousien an den Fenstern, auch die zur Veranda, dann erst schaltete er das Licht ein.

      »Was war das? Ein Anschlag?« In Steffis Stimme schwang Panik. Ihr Gesicht war bleich.

      »Beruhig dich«, gab Kerner mit ernster Miene zurück, »ich mache das nur rein vorsorglich. Wir werden herausfinden, was das sollte.«

      Steffi aber war keineswegs beruhigt. Eher das Gegenteil, da sie das Gefühl hatte, er wich einer konkreten Antwort aus.

      »Ich werde jetzt Eberhard Brunner verständigen«, erklärte Kerner, »egal, was der Grund für diesen Vorfall ist, er muss auf jeden Fall untersucht werden.«

      Er verließ das Wohnzimmer, eilte in sein Arbeitszimmer und wählte Brunners Telefonnummer.

      »Guten Abend, Eberhard«, meldete sich Kerner, als