Название | Und er bewegt sie doch |
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Автор произведения | Erich Garhammer |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783429063368 |
Nur der Gesegnete kann segnen
Und dann kommt es zu einer bewegenden Geste und Einladung: „Und nun möchte ich den Segen erteilen, aber zuvor bitte ich euch um einen Gefallen. Ehe der Bischof das Volk segnet, bitte ich euch, den Herrn anzurufen, dass er mich segne: das Gebet des Volkes, das um den Segen für seinen Bischof bittet. In Stille wollen wir euer Gebet für mich halten.“ Der Papst beugt sich nieder, eine Gebetsstille erfüllt den Petersplatz und das Volk bestätigt in einer spirituellen acclamatio den neuen Papst. Erst dann spendet der neue Papst den Segen: Nur der Gesegnete kann segnen. Er singt den Segen nicht, sondern spricht ihn, so dass sofort das alte Sprichwort die Runde macht: Jesuita non cantat. Dieses Wort bezieht sich allerdings auf das Chorgebet der Jesuiten, zu dem sie nicht verpflichtet sind, nicht auf eine Vorschrift, nicht singen zu dürfen. Der neue Papst kann aufgrund einer Lungenoperation nicht singen.
Der Papst verabschiedet sich zum Schluss mit einem vertrauten „gute Nacht und angenehme Ruhe“. Das geistliche Zeremoniell ist hier eingebettet in eine Inszenierung von Alltag, unaufgeregt, aber herzlich. Wer ist dieser neue Papst?, so fragen sich nicht nur die Menschen auf dem Petersplatz.
Steckbrief
Am besten kann uns Franziskus selbst erklären, wer er ist. Hier ein Steckbrief in kurzen Sätzen, so wie er sich in einem Interview präsentiert hat:
– „Wie würden Sie sich einer Gruppe vorstellen, die Sie nicht kennt? – Ich bin Jorge Bergoglio, Seelsorger. Ich bin nämlich gerne Seelsorger.
– Welchen Ort auf der Welt würden Sie nennen? – Buenos Aires.
– Welche Person? – Meine Großmutter.
– Ihr bevorzugtes Informationsmedium? – Ich lese die Tageszeitungen. Das Radio schalte ich ein, um klassische Musik zu hören.
– Sie fahren viel mit der U-Bahn. Ist das Ihr bevorzugtes Transportmittel? – Ich nehme es fast immer wegen der Schnelligkeit, aber noch lieber fahre ich mit dem Autobus, weil ich da die Straße sehe.
– Hatten Sie eine Freundin? – Ja. Sie gehörte zu der Gruppe von Freunden, mit denen wir tanzen gingen.
– Warum haben sie die Beziehung beendet? – Ich entdeckte meine religiöse Berufung.
– Haben Sie irgendwelche Hobbys? – Als Junge habe ich Briefmarken gesammelt. Jetzt lese ich gerne und höre gern Musik.
– Ein literarisches Werk? – Die Dichtung von Hölderlin fasziniert mich. Aber auch viele Werke der italienischen Literatur.
– Was zum Beispiel? – Die Verlobten von Manzoni habe ich sicher viermal gelesen. Ebenso oft die Göttliche Komödie. Auch Dostojewskij und Maréchal sagen mir viel.
– Und Borges? Sie haben sich sehr mit ihm auseinandergesetzt. – Aber sicher! Außerdem hatte Borges die geniale Art, über fast alles zu erzählen, ohne sich selber in den Vordergrund zu rücken. Er war ein sehr weiser und tiefer Mensch. Das Bild, das ich von seiner Einstellung zum Leben habe, ist das eines Menschen, der die Dinge an ihren Platz stellt, der die Bücher in den Regalen ordnet wie der Bibliothekar, der er ja selber war.
– Borges war Agnostiker. – Ein Agnostiker, der jeden Abend das Vaterunser betete, weil er es seiner Mutter versprochen hatte, und der schließlich mit religiösem Beistand starb.
– Ein musikalisches Werk Ihrer Wahl? – Unter denen, die ich am meisten bewundere, ist die Leonoren-Ouvertüre Nr. 3 von Beethoven in der Interpretation von Furtwängler, der nach meiner Auffassung der beste Dirigent einiger Symphonien Beethovens und der Werke Wagners ist.
– Mögen Sie Tango? – Und wie! Das ist Musik, die aus meinem Inneren kommt.
– Können Sie Tango tanzen? – Ja. Ich habe ihn als junger Mensch getanzt, obgleich ich die Milonga bevorzugte.
– Ein Werk der Malerei? – Die Weiße Kreuzigung von Marc Chagall.
– Welche Art Filme mögen Sie? – Die von Tita Merello natürlich und die des italienischen Neorealismus, in welchen meine Eltern mich und meine Geschwister eingeführt hatten. Sie ließen nicht einen Film von Anna Magnani und Aldo Fabrizi aus, die sie uns erklärt haben. Auch bei Opern haben sie das übrigens getan: Sie hoben dabei zwei oder drei Dinge hervor, um uns Orientierung zu geben; wir gingen in das Kino unseres Stadtteils, wo hintereinander drei Filme gezeigt wurden.
– Erinnern Sie sich an einen Film besonders? – Babettes Fest, ein dänischer Film neueren Datums, hat mich sehr berührt.
– Ihre bevorzugte Sportart? – Als Junge spielte ich Basketball, aber ich ging auch gerne auf den Fußballplatz zum Zuschauen. Die ganze Familie ging hin, auch meine Mutter, die uns bis 1946 begleitete, um San Lorenzo zu sehen, unsere absolute Lieblingsmannschaft; meine Eltern stammten aus Almagro, dem Viertel des Clubs.
– Erinnern Sie sich an ein besonderes Fußballereignis? – Das brillante Match, das die Mannschaft beim Kampf um die Meisterschaft 1946 spielte. Das Tor von Pontoni, das beinahe einen Nobelpreis verdient hätte. Das waren andre Zeiten. Das schlimmste Schimpfwort, das man einem Schiedsrichter zurief, lautete „fauler, unverschämter Kerl“, „Verräter“ etc. Das ist gar nichts im Vergleich zu den Zurufen von heute.
– Welche Sprachen sprechen Sie? – Ich radebreche ein wenig Italienisch [in Wirklichkeit konnten wir feststellen, dass er es perfekt spricht]. Und was andere Sprachen betrifft, so müsste ich präzisieren und wegen mangelnder Praxis sagen: „… die ich früher sprach“. Französisch zum Beispiel konnte ich ziemlich flüssig sprechen, und mit dem Deutschen kam ich auch zurecht. Mehr schon kostete mich das Englische, besonders die Phonetik, denn ich habe ein schlechtes Gehör. Und natürlich verstehe ich den Dialekt des Piemont, denn dies war der Klang meiner Kindheit.“1
Biographische Splitter: die Großmutter
Die im Interview angesprochene Großmutter hat eine besondere Bedeutung für Franziskus: Wenn er reist, hat er immer das Brevier im Handgepäck. Zwischen den Seiten bewahrt er das Testament seiner Großmutter und ihre Briefe auf. Es gibt einen, den er überaus schätzt und den sie ihm 1967 anlässlich seiner Priesterweihe schrieb, halb auf Italienisch und halb auf Spanisch: „An diesem wunderbaren Tag, an welchem Du Christus, den Erlöser, in Deinen geweihten Händen halten wirst und an dem sich Dir ein weiter Weg für das allertiefste Apostolat eröffnet, überreiche ich Dir dieses bescheidene Geschenk, das kaum materiellen Wert besitzt, aber von sehr großem geistlichen Wert ist.“ Und in ihrem Testament ist zu lesen: „Mögen diese meine Enkel, denen ich das Beste meines Herzens gewidmet habe, ein langes und glückliches Leben haben, aber wenn eines Tages der Schmerz, die Krankheit oder der Verlust eines lieben Menschen sie mit Betrübnis erfüllen, dann mögen sie sich daran erinnern, dass ein Seufzer vor dem Tabernakel, wo sich der größte und erhabenste Märtyrer befindet, und ein Blick auf die Muttergottes am Fuß des Kreuzes einen Tropfen Balsam auch auf die tiefsten und schmerzlichsten Wunden fallen lassen können.“
Text einer Milonga
Die im Gespräch erwähnte Milonga geht auf den afroamerikanischen Candombe zurück; ihre Liedtexte sind eine Weiterentwicklung der improvisierten Payadas der Gauchos, oftmals mit Wechselgesang. Hier ein Beispiel:
„Milonga sentimental“ (Komponist: Sebastián Piana; Textdichter: Homero Manzi, 1931).
Milonga, um dich zu erinnern,
Milonga der Gefühle.
Andere klagen mit Tränen,
ich singe, um nicht zu weinen.
Deine Liebe versiegte plötzlich,
niemals sagtest du warum.
Ich