Dillinger tritt ab. Rudi Kost

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Название Dillinger tritt ab
Автор произведения Rudi Kost
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783839268766



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er erst einmal in Fahrt war. Vielleicht ging es heute dank der äußeren Umstände etwas schneller. Kalt rauchen halten die Süchtigen nicht lange aus.

      Andererseits: Nichts zwang uns zu ungebührlicher Hast.

      Er zog lange Zeit an seiner Pfeife, aus der nichts kam. Dann hob er an.

      »Bauunternehmen Schindel. Wurde 1949 vom Großvater des Abgestürzten gegründet, im zarten Alter von 25 Jahren. Er war zu dem Schluss gekommen, dass in der Nachkriegszeit ein erhöhter Bedarf an Bautätigkeiten bestand, selbst in unserer Gegend, die mit Kriegsverwüstungen glimpflich davon gekommen war. Und damit lag er richtig. Großpapa war gelernter Mauerer wie der Verblichene auch und wie dessen Vater, scheint wohl eine Familienverpflichtung zu sein. Schindel eins baute die Firma auf, Schindel zwei baute sie aus, und Schindel drei drehte dann das große Rad. Das Hauptgeschäft war nach wie vor das stinknormale Baugewerbe, wobei er sich auf Industriebauten und das Häusle mit Handtuchgarten konzentrierte, öffentliche Aufträge hat er nicht viel gemacht. Vielleicht kam er nicht zum Zug, vielleicht war ihm das zu kompliziert, ich weiß es nicht. Stattdessen hat er sich mehr und mehr als Bauträger engagiert, du weißt schon, auf eigenes Risiko bauen und dann verkaufen.«

      »Erfolgreich?«

      »Schwer zu sagen. Er ist nicht der Platzhirsch, in keinem der Bereiche, die er bedient, er war ja nicht der Erste, der auf diese Ideen kam, aber er scheint wohl gut im Geschäft zu sein. Soweit man das beurteilen kann, ohne die Bücher zu kennen.«

      »Jetzt kommen wir allmählich zum interessanten Teil. Nämlich zu dem, was du nicht geschrieben hast. Welchen Ruf hat die Firma?«

      »Zuverlässig und pünktlich, und das ist die halbe Miete in dieser Branche. Allerdings gab es in der letzten Zeit einige Kratzer im schönen Bild, habe ich gehört. Nicht mehr so pünktlich, nicht mehr so zuverlässig. Das ist vorerst nur mal Gerede, nicht verifizierbar. Nenn mir einen Handwerker, bei dem es nicht irgendwas zu meckern gibt. Ich weiß, wovon ich rede, ich habe gerade erst mein Bad renoviert.«

      »Von Schindel?«

      »Nein.«

      »Schade. Dann hätten wir jetzt Informationen aus erster Hand.«

      »Wie gesagt, auch ich hatte viel auszusetzen, und trotzdem würde ich, alles in allem, diese Firma weiter empfehlen. Jedenfalls, bei Schindel gab es wohl etliche Beschwerden wegen Baumängeln, er musste nachbessern.«

      »Nicht gut fürs Geschäft.«

      »Gar nicht gut, wobei ich nicht weiß, ob einfach geschlampt wurde, weil man halt mitnimmt, was geht – die Baubranche boomt ja zur Zeit – wie du weißt, oder ob er tatsächlich getrickst hat. Du kennst das, billiges Material, das teuer berechnet wird und so.«

      »Was war Frieder Schindel für ein Mensch?«

      »Ich kannte ihn nicht persönlich. Er hat am sogenannten gesellschaftlichen Leben nicht teilgenommen, zumindest nicht nach außen sichtbar. Er war Mitglied in den paar Vereinen, in denen man sein muss, wenn man Kontakte knüpfen und Aufträge an Land ziehen will, hatte aber nirgendwo Funktionen. Er war also offenbar kein Postensammler.«

      »Golfclub?«

      »Wohl nicht, sonst hätte es auch von denen eine Todesanzeige gegeben. Nein, das Übliche halt: Bund der Selbstständigen, Handwerkskammer, soziale Geschichten, informelle Zusammenschlüsse und dergleichen.«

      »Und wie war er selbst?«

      »Was man so hört, war er kein einfacher Zeitgenosse. Ruppig, sehr direkt. Wenn ihm was nicht gepasst hat oder ihm einer blöd kam, hat er kräftig ausgeteilt. Und auch gegenüber seinen Kunden hat er kein Blatt vor den Mund genommen. Hörensagen, wie gesagt.«

      »Die Ehe?«

      »Es gibt eine Ehefrau und eine Tochter und eine Enkelin. Mehr weiß ich nicht.«

      »Affären, bei ihm oder ihr?«

      »Keine Ahnung. Interessiert mich auch nicht.«

      »Komm schon! Ist doch immer interessant, wer mit wem das Bett teilt.«

      »Für mich nur, wenn es von öffentlichem Interesse ist. Ansonsten könnte ich damit täglich eine Spalte füllen. Was ich an Klatsch so höre! Zwei Spalten, wenn wir dazu nehmen, was du so hörst. Kannst du mir übrigens mal verraten, weshalb du dich für einen Bauunternehmer interessierst, der vom Gerüst gepurzelt ist? Ein Kunde von dir?«

      »Er hatte bei mir keine Versicherungen laufen.«

      »Aha. Es gibt in dieser Stadt also doch noch vernünftige Menschen. Dann kommen also wieder deine morbiden Veranlagungen zum Vorschein. Vergiss es! Eignet sich nicht mal als Denksportaufgabe, um zu testen, ob deine kleinen grauen Zellen noch funktionieren. Es war ein Arbeitsunfall, wie er in dieser Branche leider hin und wieder vorkommt.«

      »Die Witwe ist nicht ganz dieser Meinung.«

      »Die Witwe, soso. Du kennt sie also?«

      »Flüchtig. Von früher.«

      »Ich will gar nicht genau wissen, wie flüchtig.«

      »Um mal einen bekannten Lokaljournalisten zu zitieren: Netter Versuch, aber vergiss es. Meine jugendlichen Verirrungen gehen dich nichts an. Oder um es erneut in deinen Worten zu sagen: Sie sind nicht von öffentlichem Interesse.«

      »Oh doch! Als Warnung für alle behüteten Töchter.«

      »Du bist ein Idiot, weißt du das?«

      »Ich höre das gelegentlich, ja, aber ich wage nicht zu widersprechen, weil ich mit der Dame verheiratet bin. Du bist also wieder auf dem Kriegspfad?«

      »Das weiß ich noch nicht. Ich habe mich noch nicht endgültig entschieden.«

      »Du lernst auch gar nichts aus deiner Vergangenheit. Wie oft bist du schon auf die Schnauze gefallen, Dillinger?«

      »Und wie oft habe ich trotzdem den Fall gelöst?«

      »Trotzdem, ja. Du musst eine masochistische Ader in dir haben, dass du dich immer wieder auf solche Geschichten einlässt.«

      »Vielleicht treibt uns beide das gleiche an: die schlichte Neugier.«

      »Die Presse hat aber die Aufgabe … Ach, vergiss es! Wahrscheinlich hast du recht. Und das kann ich gar nicht leiden, wenn jemand außer mir auch noch recht hat.«

      Helmar Haag produzierte viel imaginären Rauch mit seiner Pfeife und schaute düster vor sich hin. Es wurde Zeit, dass der arme Junge ins Freie durfte, um ungehindert seinem Laster frönen zu können.

      »Ich sehe, wir sind uns einig«, sagte ich. »Dann lassen wir doch unsere beiderseitige Neugier von der Leine und werfen unsere Erkenntnisse zusammen.«

      »Sagen wir mal so: Ich höre mich ein bisschen um und entscheide dann, ob ich neugierig sein werde.«

      »Nichts anderes mache ich auch. Ist das schön: zwei alt gewordene Indianer gemeinsam auf dem Kriegspfad.«

      »Du Indianer, ich Cowboy. Die Cowboys gewinnen immer. Ist sie eigentlich hübsch, deine flüchtige Bekannte von früher?«

      »Ist sie.«

      »Ja dann!«

      *

      Die Schilder an den Baustellen hatte ich schon oft gesehen, aber mit ihnen ist es so wie mit der Verkehrsschildererkennung in neumodischen Autos: Man registriert sie, verschwendet jedoch keinen weiteren Gedanken daran.

      Es sei denn, man will bauen. Wollte ich aber nicht. Ich wollte nur wissen, ob mich eventuell ein Vorkommnis interessieren könnte, das als tödlicher Arbeitsunfall zu den Akten gelegt worden war.

      Ich war zu Fuß unterwegs. Als ich mein Haus mitsamt dem Stapel unerledigten Papierkram, der nur wenig abgenommen hatte, hinter mir ließ, fing es zu regnen an. Kein Wetter konnte mich schrecken, ich hatte ja keine High Heels an. Ich klappte meinen Mantelkragen hoch, zog die Mütze tiefer über den Kopf und stapfte los.

      Mein Weg führte mich