Ohne mich ist das Leben ganz einfach. Ayya Khema

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Название Ohne mich ist das Leben ganz einfach
Автор произведения Ayya Khema
Жанр Сделай Сам
Серия
Издательство Сделай Сам
Год выпуска 0
isbn 9783931274511



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um uns herum vorgeht. Das Wort „Neugierde“ macht deutlich, worum es dabei geht, nämlich um die „Gier nach dem Neuen“. Diese Gier wird durch unsere Rastlosigkeit, unsere Unzufriedenheit und unser Nicht-erfüllt-Sein hervorgerufen. Wir wollen noch etwas Neues sehen, hören, schmecken, riechen, berühren oder eventuell denken. Also schaffen wir uns noch einige Bücher an oder belegen etliche neue Kurse. Die Gier nach dem Neuen hat zur Folge, dass unsere Sinne ständig beschäftigt sind, was uns jedoch nie befriedigen kann.

      Nicht das Auge sieht eine hübsche Frau oder einen gut aussehenden Mann. Das Auge kann nichts weiter erkennen als Farbe und Form, der Geist muss es dann erklären. Das Ohr hört nicht, dass jemand hämmert, es kann nur Geräusch hören. Das Geräusch erzeugt Gefühle, dann kommt die Erklärung „hämmern“ und daraufhin die Reaktion: „Das kann ich nicht leiden; wie soll ich hier meditieren; ich gehe nach Hause.“ So spielt sich unser ganzes Leben ab. Immer wieder sind wir den fünf Sinnen und unseren Reaktionen ausgesetzt. Dass uns dabei auf die Dauer langweilig wird, ist nicht verwunderlich, und so suchen wir ständig nach etwas Neuem. Im Prinzip aber bleibt es immer beim Alten, es ändert sich nichts. Wir hören, sehen, schmecken, riechen, berühren oder denken etwas, und nichts weiter geschieht als Gehörtes, Gesehenes, Geschmecktes, Gerochenes, Berührtes und Gedachtes, daraufhin ein Gefühl, die Erklärung und dann die Reaktion: „Dies habe ich gern, jenes kann ich nicht leiden. Dieses soll näherkommen, ich will es behalten, jenes soll fort.“

      Wir können also unsere Sinne schützen und dadurch etwas beruhigen, dass wir sie nicht mit ewiger Neugierde in die Welt hinausschicken, sondern dass wir mit dem zufrieden sind, was wir schon haben und erleben. Wir werden in dem Moment bereit sein, unsere Sinneskontakte allmählich zu reduzieren, indem wir erkennen, dass unser ganzes Leben von unseren Reaktionen abhängig ist und daher nie vollkommen befriedigend sein kann. Im Prinzip suchen wir doch alle Glück und Frieden. Unsere Sinneskontakte sprechen dagegen, denn sie bringen uns niemals das Gewünschte – nur etwas Neues, das wir entweder haben wollen oder nicht, und daraus erwächst sicherlich kein Glück und kein Frieden.

      Wenn wir uns klar darüber sind, dass wir inneren Frieden suchen, müssen wir auch gewillt sein, etwas dafür aufzugeben. Es handelt sich dabei nicht um Familie, Heim oder Arbeitsstelle, sondern darum, dass wir aufgeben, das Glück dort zu suchen, wo es nicht zu finden ist. Wir alle haben lange genug, nämlich seit wir auf der Welt sind, versucht, durch unsere Sinneskontakte volle Befriedigung zu finden, und es ist uns niemals gelungen. Wir haben immer nur momentanes Vergnügen erreicht. Wenn wir also wirklich einmal Frieden haben wollen, müssen wir bereit sein, das aufzugeben, was uns keine Befriedigung gebracht hat.

      Das bedeutet jedoch nicht, mit geschlossenen Augen, Ohren, Nase und Mund durch die Welt zu gehen. Das ist unmöglich und wäre auch sinnlos. Der Buddha war ein pragmatischer Lehrer und hat alles aus der Sicht der Praxis gelehrt. Unsere Erwartungshaltung, dass aus den Sinneskontakten eines Tages das wirkliche Glück entsprießen wird, können wir aufgeben. Wir denken, wenn wir es nur richtig anpacken, das Beste kaufen, das Gesündeste essen, den richtigen Partner haben, die neuesten YogaÜbungen machen, dann wird es schon klappen. Wir denken, bis jetzt haben wir es eben sicher noch nicht ganz richtig gemacht. Leider wird sich das aber bis zum Ende unseres Lebens nicht ändern. Wir können natürlich immer wieder probieren.

      Gesundes Essen und Yoga-Übungen sind wichtig, aber zu erwarten, dass sie uns Glück und Frieden verschaffen, ist Utopie. Diese Erwartungshaltung bringt innere Unruhe. Wir denken: „Habe ich es nun richtig gemacht? Wird sich mir keiner in den Weg stellen? Werden alle, die ich liebe, bei mir bleiben? Wird jetzt und zukünftig alles in Ordnung sein?“ Mit dieser Erwartungshaltung kommt sofort die Enttäuschung, weil es natürlich nicht funktioniert. Also glauben wir, es muss wohl doch der falsche Partner sein, die falsche Yoga-Übung, die falsche Ernährung oder was immer wir uns ausdenken mögen. Es könnte auch das falsche Buch, der falsche Kurs oder der falsche Lehrer sein. Statt aufzuhören, das Glück mit unseren Sinnen in der Außenwelt zu suchen, fangen wir unweigerlich wieder von vorn an, nach neuen Objekten zu suchen, die uns Erfüllung bringen sollen.

      Wir brauchen unsere Sinne zum Überleben, denn sie warnen uns vor Gefahren. Stattdessen missbrauchen wir sie als Mittel auf der Suche nach Vergnügen. Die Vorstellung, dass sie uns eines Tages Glück und Frieden bringen werden, müssen wir ein für allemal aufgeben. Wenn wir dies als Kontemplation betrachten, nachprüfen und klar erkennen, so heißt das nicht, dass wir uns nie mehr an angenehmen Sinneskontakten erfreuen werden. Es bedeutet lediglich, dass wir kein bleibendes Glück und keinen inneren Frieden von ihnen erwarten. Wir akzeptieren jeden angenehmen Sinneskontakt mit großer Dankbarkeit, und wenn wir einen unangenehmen erleben, wissen wir, dass er das Erbe unseres eigenen Karmas ist. Wir benutzen die Situation als Lehre, und daher kommt auch keine Abneigung hoch, sondern Dankbarkeit für diese Möglichkeit des Praktizierens. Haben wir eine solche Lernsituation richtig genutzt, so bringt sie weder Anhaftung an das Angenehme noch Ablehnung des Unangenehmen mit sich, sondern Dankbarkeit für beides – einerseits für das gute Karma, das uns das Angenehme beschert, und anderseits für die Lernsituation, die uns mit dem Unangenehmen konfrontiert.

      Wenn wir unsere Sinne in dieser Weise benutzen, sind sie uns gute Freunde. Im Allgemeinen aber sind sie den Menschen ein Feind. Wir sehen etwas, wollen es besitzen, und schon stürzen wir uns in Schulden, um es zu erwerben. Wir sehen einen Menschen, den wir begehren, und öffnen die Tore für Eifersucht und Neid. Vielleicht gibt es etwas, das wir unbedingt ändern wollen, und müssen uns in Schwierigkeiten begeben, um dies zu erreichen. Wenn wir unsere Sinne als Lehrer und Freunde benutzen, werden wir immer wieder dankbar sein, dass wir sie alle in gutem Zustand besitzen, und uns daran erinnern, dass es Menschen gibt, denen nicht alle fünf Sinne zur Verfügung stehen, was uns wiederum hilft, Mitgefühl zu empfinden.

      Dankbarkeit ist eine wichtige Eigenschaft, weil darin Demut enthalten ist. Die Überzeugung, es besser zu wissen oder besser zu können, hat keinen Platz mehr in unserem Geist, wenn wir dankbar sind. Auch Freude steigt hoch, denn wir können ja nur dankbar für etwas sein, das uns erfreut. Dankbarkeit und Freude sind zwei wichtige Bestandteile des inneren Friedens.

      Wir haben nun drei Schritte kennen gelernt, die zur Tugend führen: erstens unsere unheilsamen Gedanken durch heilsame zu ersetzen; zweitens auf unsere emotionellen Reaktionen zu achten und loszulassen; drittens unsere Sinne zu beschützen und sie richtig zu bewerten, nicht als Weg zum Glück, sondern als Lehrer. Der vierte Schritt ist die Nicht-Ausschreitung. Körper und Sprache sollen beobachtet und behütet werden aus Rücksicht auf andere und uns selbst. Unser eigenes Gewissen weiß, was heilsam und was unheilsam ist. Gewissen und Scham (hiriottappa) hat der Buddha die zwei Hüter der Welt genannt, ohne die wir im Chaos leben würden. Teilweise herrschen Schamlosigkeit und Gewissenlosigkeit in der Welt, aber von Natur aus schämen wir uns, Schlechtes zu tun, und die beiden Hüter warnen uns davor, Körper und Sprache unheilsam zu verwenden.

      Der Buddha hat gesagt, dass diese Anweisungen für gewöhnliche Menschen genügen, aber nicht für diejenigen, die einen spirituellen Pfad eingeschlagen haben und innerlich wachsen wollen. Für solche ist es absolut nötig, dass sie tugendhaftes Benehmen pflegen, um zur Erlösung, zur vollkommenen Freiheit, zum Nibbāna zu gelangen. Das wäre dann eine viel stärkere Motivation. Unser Gewissen können wir immer beruhigen. Wir sind sehr geschickt darin und können gut erklären, wieso etwas berechtigt ist. Häufig sind wir auch von anderen beeindruckt und lassen uns von ihnen beeinflussen. Wir haben auch gerade Jahrzehnte hinter uns (glücklicherweise sind sie vorbei), in denen Tugend nicht sehr hoch angesehen war. Wenn wir aber wissen, dass Tugend unumgänglich ist für den spirituellen Pfad, das innere Wachstum und die volle Erlösung, dann gibt es keinerlei Beschwichtigungen mehr.

      Die rechte Dringlichkeit kommt erst auf, wenn uns klar geworden ist, dass vollkommene Erlösung und Freiheit, ein komplettes Transzendieren der menschlichen Problematik möglich ist und dass der Buddha uns den Weg dahin gezeigt hat, auf dem Tugend das Fundament bildet. Dann haben wir eine Motivation, die stark genug ist, uns nicht mehr vom Pfad abirren zu lassen.

      Fragen und Antworten

      F: Ich habe eine Frage zu heilsamen und unheilsamen Gedanken. Wie ist das mit Sorgen, die man sich um einen Menschen oder um Angehörige macht, wenn man denkt, es könnte etwas im Krankenhaus passiert sein. Es ist mir letztes Wochenende so gegangen, und ich habe versucht loszulassen, aber es ging