Ohne mich ist das Leben ganz einfach. Ayya Khema

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Название Ohne mich ist das Leben ganz einfach
Автор произведения Ayya Khema
Жанр Сделай Сам
Серия
Издательство Сделай Сам
Год выпуска 0
isbn 9783931274511



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wir anfangen, unsere Existenz auf einer tieferen spirituellen Basis zu untersuchen. Wenn wir weiter unserer Unzufriedenheit Ausdruck geben, können wir uns keiner Situation, keinem Menschen, keinem Gefühl ganz hingeben, denn alles erscheint uns ja verbesserungsbedürftig. Erst wenn wir uns hingeben können, ist es uns möglich, richtig verstehen zu lernen. Dies sind die beiden ersten Eigenschaften, die der Buddha als Grundlage für die Meditation beschrieb.

      Als Nächstes erwähnte der Buddha, zurückgezogen und nicht inmitten von zu vielen Geschehnissen zu leben. Auch in der Lehrrede des großen Heils (Mahā Mangala Sutta) ist ein friedlicher Wohnort als Segen erwähnt. Am Anfang der Meditationspraxis sind wir von äußeren Einflüssen sehr abhängig, sodass ein ruhiger Platz, an den wir uns zurückziehen können, äußerst wichtig ist. Wenn wir meditieren wollen, muss unser Geist sich zunächst beruhigen und aufhören zu denken. Wenn zu viele Sinneseindrücke auf uns einströmen, ist es schwierig, nicht darauf zu reagieren.

      Sich abseits von der Gesellschaft aufzuhalten, ist die nächste der wünschenswerten Eigenschaften. Der Buddha hat häufig erwähnt, mit welcher Art Menschen wir Umgang pflegen sollten. Wir sollen nicht mit törichten Menschen, sondern mit Weisen zusammensein, was er als großen Segen bezeichnet hat. Edle Freunde hat er als das wichtigste Heilmittel für unsere Schwierigkeiten erklärt. Ein guter Freund sei das ganze spirituelle Leben, wurde vom Buddha ausgesagt. In diesem Sinne muss ein guter Freund ein spiritueller Freund sein, der schon einige Schritte voraus ist und uns den Weg zeigen kann. Auf Pāli heißt der gute Freund Kalyāna-mitta, und oft versteht man darunter den Meditationslehrer. Wir sollten mit Menschen verkehren, denen wir wirklich vertrauen können, die nicht nur Freunde sind, wenn es uns gut geht, sondern solche, bei denen wir tiefe Ehrlichkeit und enge Verbundenheit verspüren. Wenn wir ein geselliges Leben pflegen, kommen wir mit vielen verschiedenen Menschen zusammen, denen wir uns anpassen müssen. Dies ist schädlich für den spirituellen Pfad, denn wem passen wir uns hier an? Doch nur der Welt, ihren Gepflogenheiten, ihren Vergnügungen und illusorischen Werturteilen. Wenn wir aber bereits wissen, dass das endgültige Glück nicht in der Welt zu finden ist, dann können uns diese Anpassungsmanöver auf Dauer auch nicht zufriedenstellen. Eine große Erleichterung auf dem spirituellen Pfad kann das häufige Erleben von Situationen sein, in denen unsere Innenerfahrungen zählen und wir die Außenwelt nur als Spiegelbild erkennen.

      Energie ist die nächste vom Buddha erwähnte wünschenswerte Eigenschaft. Energie ist einer der sieben Erleuchtungsfaktoren und das Gegenstück zum Hindernis der Trägheit und Lässigkeit. Ohne Energie können wir nicht meditieren oder die Lehre in uns aufnehmen. Beide stellen Ansprüche an den Geist, denen er nicht nachkommen kann, wenn er müde und schlaff ist. Der Buddha hat die Menschen, die der Lehre zuhören, mit Tontöpfen verglichen. Der erste Tontopf hat Löcher am Boden; das hineingegossene Wasser läuft unten wieder hinaus. Solche Menschen hören mit einem Ohr zu und vergessen das Gehörte sofort. Dann gibt es Tontöpfe mit Rissen; das hineingegossene Wasser sickert hinaus. Solche Menschen hören die Lehre wohl, vergessen aber bald alles wieder. Dann gibt es Tontöpfe. die bis oben hin voll mit Wasser sind, und frisches Wasser kann nicht zugegossen werden. Damit meint der Buddha Menschen, die so sehr mit ihren eigenen Meinungen angefüllt sind, dass sie nichts Neues mehr aufnehmen können. Es gibt natürlich auch leere Tontöpfe, ohne Löcher und Risse. Ich hoffe, dass wir alle leere Töpfe ohne Löcher und Risse sind.

      Energie ist vor allem eine geistige Eigenschaft, die sich aber auch auf den Körper auswirkt. Wenn der Geist ohne Energie ist, so ist es der Körper ebenso. Dann werden wir zu seltsamen Zeiten todmüde, ohne überhaupt etwas getan zu haben, und abends sind wir so erschöpft, als hätten wir körperlich schwer gearbeitet. Obwohl das nicht der Fall gewesen ist, hat der Geist ständig gedacht, beurteilt und verurteilt, gewollt und abgelehnt, sodass er natürlich erschlafft und ermüdet ist. Wir können viel geistige Energie sparen, wenn wir sie nur dann einsetzen, wenn sich die Anstrengung lohnt. Ferner hilft es, Achtsamkeit im täglichen Leben walten zu lassen und in der Meditation zur Ruhe zu kommen. Meditative Ruhe bringt neue Energiezufuhr, die der Geist braucht, um klare und ungetrübte Wahrheit erkennen zu können. Auf der anderen Seite beansprucht Meditation aber auch so lange geistige Energie, bis wir tiefe Ruhe erleben können, die uns dann erfrischt und neu belebt. Unsere anfänglichen Konzentrationsversuche erfordern natürlich einen starken Energieaufwand und lassen den Geist ermüden. Wir müssen mit unserer Energie haushalten, um die besten Resultate zu erzielen. Dazu gehört das edle Schweigen und immer wieder der Versuch, nicht diskursiv zu denken, sondern stattdessen achtsam den Tag zu verbringen. Wir können jede Körperbewegung, jede Handlung, jedes Gefühl beobachten und uns völlig darauf konzentrieren. Auch unser Denken können wir als Beobachter achtsam betrachten. In dem Moment, wo wir uns selbst beobachten, sind wir nicht mehr der Denker, was uns bei der Meditation sehr hilfreich sein wird.

      Meditation besteht nicht nur darin, dass wir mit gekreuzten Beinen dasitzen und unseren Atem beobachten; auch Achtsamkeit spielt eine zentrale Rolle dabei. Wir dürfen die Achtsamkeit jedoch nicht gleich wieder aufgeben, wenn wir das Meditationskissen verlassen, sondern sollten sie während des ganzen Tages beibehalten, wissen, dass wir zur Tür gehen, die Türklinke herunterdrücken, die Tür aufmachen, hinausgehen und die Treppe hinuntergehen. Wenn wir alle unsere Bewegungen beobachten, dann hat der Geist keinen unnötigen Energieaufwand und zersplittert nicht in viele Gedanken. Er bleibt einspitzig. wie es für die Meditation notwendig ist. Wir geben dem Geist die Möglichkeit, sich auch außerhalb der Meditation zu konzentrieren, sodass er es in der Meditation um so besser kann. Wenn wir den Geist nicht dazu anhalten, sich auch während des Tages zu festigen, können wir wohl kaum erwarten, dass er es kann, wenn wir uns auf das Meditationskissen setzen. Unsere Körperhaltung hat sich vielleicht geändert, aber unsere Geisteseinstellung kann sich nicht so schnell umstellen. Wenn der Geist tagsüber ständig gedacht, geplant, sich geärgert und gewundert hat, kann er nicht auf Anhieb alles fallen lassen und ganz friedlich den Atem betrachten.

      Wir können den Körper sehen und berühren, und daher ist er das Deutlichste und Einfachste, was wir beobachten können. In der Meditation ist es der Atem, der uns die Körperbetrachtung veranschaulicht; im Tagesablauf sind es unsere Bewegungen und Handlungen, die wir achtsam beobachten können. Sollte ein starkes Gefühl aufkommen, so wenden wir unsere Konzentration dem Gefühl zu und können dadurch die darauffolgende Reaktion vermeiden. Wenn es schon zu spät und die Reaktion bereits erfolgt ist, so betrachten wir die Reaktion. Dadurch lernen wir, ein interessierter, objektiver Beobachter zu werden. Keinen anderen kann es auch nur annähernd so sehr interessieren wie uns selbst, was sich in uns abspielt.

      Wenn Achtsamkeit unser ständiger Begleiter ist, hat unsere Meditation die besten Vorbedingungen, und der Energieaufwand des ständigen Denkens, Überlegens, Planens und Hoffens wird überflüssig. Ein energievoller Geist kann sich mühelos überall hinbewegen, genau wie ein energievoller Körper ohne Schwierigkeiten seine Haltung ändern kann, wogegen ein schlaffer Körper vielleicht Mühe hat, sich aufrecht zu halten. Das Gleiche gilt für den Geist. Daher gibt der Buddha diesen Eigenschaften einen prominenten Platz in seiner Lehre: wenig Wünsche haben, Zufriedenheit, Zurückgezogenheit, ohne Geselligkeit leben und voll Energie sein.

      Achtsamkeit bezieht sich vorerst auf die Meditation. Wir benutzen dabei die vier Grundlagen der Achtsamkeit. Als erstes beziehen wir uns auf den Körper, und zwar auf den Atem, der ja eine Körperbewegung darstellt. Wir benutzen den Atem als unser Meditationsobjekt. Wenn ein flüchtiger Gedanke unsere Konzentration auf den Atem unterbricht, wie es bei erfahrenen Meditierenden der Fall sein kann, dann lassen wir diesen Gedanken wie eine Wolke an uns vorbeiziehen. Wenn aber ein massiver Denkprozess einsetzt, so wie es bei den meisten Menschen üblich ist, die noch nicht lange oder nur sporadisch meditieren*), dann gilt es dem Gedanken ein Etikett aufzukleben, das seinen Inhalt beschreibt. Dies ist eine der wichtigsten meditativen Übungen, weil wir damit gleich zwei Resultate erzielen. Als Erstes werden wir zum Beobachter unserer Gedanken, was zur Folge hat, dass der Gedanke auseinanderfällt und wir zum Meditationsobjekt zurückkehren können. Natürlich kommt bald ein neuer Gedanke, aber auch das gibt sich nach einiger Zeit. Als Zweites lernen wir unsere gewohnheitsmäßigen Gedankengänge kennen, die uns entweder in die Zukunft oder in die Vergangenheit treiben, zu Ablehnung und Ärger oder zu Habenwollen und Gier veranlassen. Auch Träumereien, Hoffnungen oder Langeweile mögen hochkommen. Wir können also Etiketten wie Zukunft, Vergangenheit, Hoffnung, Pläne, Wünsche, Ärger, Langeweile,