Ideologie, Kultur, Rassismus. Stuart Hall

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Название Ideologie, Kultur, Rassismus
Автор произведения Stuart Hall
Жанр Социология
Серия
Издательство Социология
Год выпуска 0
isbn 9783867548489



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des Kapitals gegen die Arbeit«, dieser »öffentliche[n] Gewalt zur Unterdrückung der Arbeiterklasse«, dieser »Maschine der Klassenherrschaft« (MEW 17, 336f.). Diese »Lektion« wurde nachdrücklich im Vorwort zur deutschen Ausgabe des Manifests von 1872 festgehalten: »Namentlich hat die Kommune den Beweis geliefert, dass die Arbeiterklasse nicht die fertige Staatsmaschine einfach in Besitz nehmen und sie für ihre eignen Zwecke in Bewegung setzen kann.« (MEW 4, 574) Die detaillierte Analyse der Kommune ist nicht nur Marx’ ausführlichste Schrift über die Formen der politischen Macht des Proletariats, sie enthält auch das entscheidende Argument für das, was Marx in seiner Kritik des Gothaer Programms die »revolutionäre Diktatur des Proletariats« (MEW 19, 28) nennt, die einzige und notwendige Form, in der die Arbeiterklasse »lange Kämpfe und eine Reihe historischer Prozesse durchlaufen muss, in denen sie die Verhältnisse und die Menschen verändert.« (MESW, 291, aus dem engl. Orig. übersetzt)

      In diesem Kontext kehrt Marx zu der bereits im Achtzehnten Brumaire aufgeworfenen Frage zurück, welche Klassenkräfte durch die Gestalt und Formation des Napoleonischen Staates repräsentiert wurden und in welcher Beziehung die napoleonische »Lösung« zur ökonomischen Entwicklung des Kapitalismus in Frankreich stand. Im Bürgerkrieg in Frankreich arbeitet Marx ausführlich die zunehmende Verselbständigung der »zentralisierten Staatsmacht« heraus (MEW 17, 336f.); er fasst die konstitutionellen Formen der 1851er Krise zusammen, in denen diese Staatsmacht heranreifte und sich entwickelte – das »objektive Werk« der Revolution und das politische Werk der Herrschaft über die unterentwickelten Fraktionen, die es Napoleon ermöglichten, das Werk zu vollenden.

      Hier findet sich die Grundlage für jene Theorie, die den Staat als »Klassenstaat« fasst, als politische Verdichtung; eine Theorie, der Lenin später zu einem so hohen Stellenwert verhelfen sollte (durch seinen Kommentar in Staat und Revolution zu den fragmentarischen Einsichten von Marx und Engels). Auf eine der Konsequenzen, die diese neue Theorie für unser Verständnis vom Verhältnis zwischen dem politischen und dem ökonomischen Aspekt des Klassenkampfes hat, werde ich sogleich eingehen.

      Zunächst aber kehrt Marx zur Frage der »Repräsentation« zurück. Napoleon, so schreibt er, »gab vor, sich auf die Bauern zu stützen, auf jene große Masse der Produzenten, die nicht unmittelbar in den Kampf zwischen Kapital und Arbeit verwickelt waren« (MEW 17, 337). Dieses Klasseninteresse, das scheinbar außerhalb des unmittelbaren Schauspiels der Hauptklassen stand, diente dazu, das vermeintliche Kampfgeschehen zu bestätigen – es sicherte seinem Staatsstreich den Schein der Autonomie. Damit war es ihm möglich, seine politische Intervention als Verwirklichung des »Allgemeininteresses« auszugeben – eine klassische ideologische Funktion des Staates –, als »Repräsentation« aller Klassen (weil sie keine einzelne vertrat), »der Nation«. Napoleons Intervention »gab (…) vor, alle Klassen zu vereinigen durch die Wiederbelebung des Trugbildes des nationalen Ruhms« (ebd., 338).

      Marx weist dann darauf hin, auf welche Weise und warum diese politische Lösungsform mit dem direkten Kräfteverhältnis im Zentrum des Kampfes verknüpft war: auf indirekte Weise, als eine Repräsentation, als ihre eigene Zurückstellung. »In Wirklichkeit war es die einzig mögliche Regierungsform zu einer Zeit, wo die Bourgeoisie die Fähigkeit, die Nation zu beherrschen, schon verloren und wo die Arbeiterklasse diese Fähigkeit noch nicht erworben hatte.« (Ebd.) Die »Zurückstellung« einer politischen Lösung, die auf dem politischen Feld als einstweilige aber verschobene »Herrschaft« einer abwesenden Klasse auftritt (einer Klasse, die nicht in ihrem eigenen Namen auftreten konnte), war eine Form, die dem unterentwickelten Stand der Klassenverhältnisse in der kapitalistischen Produktion Frankreichs entsprach (aber keineswegs »unmittelbar«). Denn dieses »labile Gleichgewicht« war die Bedingung dafür, dass der Staat »scheinbar hoch über der Gesellschaft schweben« (338) konnte – als Verkörperung, aber zugleich auch Maskierung des Klassenkampfes. Und in genau dieser Form – der Form eines »nationalen Kriegswerkzeugs des Kapitals gegen die Arbeit« (337) – entwickelte sich der Kapitalismus in Frankreich, natürlich mit all seinen widersprüchlichen Auswirkungen. Diese Auswirkungen zeigen sich noch heute in der eigentümlichen Form des »Etatismus«, in der sich die kapitalistische Entwicklung in der französischen Gesellschaftsformation manifestiert hat. Deutlicher lassen sich die mächtigen Auswirkungen des Politischen auf das Ökonomische kaum zeigen. Und ebenso deutlich zeigt sich, dass das Politische und das Ökonomische miteinander verkoppelt sind, aber nicht im Sinne einer identischen Beziehung.

      In diesem Zusammenhang sollten wir erwähnen, dass Marx zu einer Stelle im Manifest zurückkehrt, die wir oben angeführt haben, und einen Punkt klarstellt, der – im Licht des Achtzehnten Brumaire – zugleich eine notwendige Korrektur ist. In seiner Kritik des Gothaer Programms geht Marx auf Lassalles Fehlinterpretation ein, alle anderen Klassen bildeten gegenüber der Arbeiterklasse »nur eine reaktionäre Masse« (MEW 19, 22) (das heißt, die These von der »Vereinfachung der Klassen« im politischen Kampf). Er führt zur Klarstellung zwei Punkte an. Erstens wiederholt er, dass die Bourgeoisie aufgrund ihrer historischen Rolle »als Trägerin der großen Industrie« zu der revolutionären Klasse gegenüber den feudalen Klassen wurde. Auch das Proletariat erhält seine revolutionäre Stellung durch seine objektive Lage. Das aber heißt nicht, dass man alle anderen Klassen auf einen Haufen zusammenwerfen kann. Die Überreste der feudalen Klassen können objektiv reaktionär sein, aber »sie bilden (…) nicht zusammen mit der Bourgeoisie nur eine reaktionäre Masse« (ebd., 23). Das heißt, kurz gesagt: Die politische Analyse erfordert eine Theorie der komplexen Formierung von Klassenfraktionen zu Klassenbündnissen. Diese Bündnisse – und nicht eine undefinierbare Verschmelzung ganzer Klassen – konstituieren das Terrain des politischen Klassenkampfes. – Marx und Engels betonen immer wieder – auf Grundlage der Thesen der Internationale – die Notwendigkeit »der politischen Bewegung« als Mittel zur »ökonomischen Emanzipation der Arbeiterklasse« (Rede auf der Feier zum siebten Jahrestag der Internationale, MEW 17, 432). Je mehr die Theorie des Staates und die der zentralen Bedeutung der Staatsmacht für die Expansion des Kapitalismus weiterentwickelt wurde, desto wichtiger wurde die Rolle des politischen Kampfes im Vorfeld der »Sozialen Revolution«. Fernbach hebt zu Recht hervor, dass Marx und Engels keine Theorie der korporativen Formen des politischen und ökonomischen Kampfes der Arbeiterklasse ausgearbeitet haben. Und er hat Recht, wenn er ihr Fehlurteil über das Wesen der Arbeiterbewegung in Großbritannien dieser theoretischen Lücke zuschreibt (Fernbach 1973, 22-24). Man muss sich schon Lenins Polemik gegen Martynow und die »Ökonomisten« zuwenden, um eine adäquate Theoretisierung dieser Tendenz zu erhalten. Das gesamte Kapitel über »Trade-unionismus und sozialdemokratische Politik« in Lenins Was tun? sollte im Zusammenhang mit diesem Problem gelesen werden – denn die Verwirrung, der Lenin dort entgegentritt, ist heute eher noch gewachsen (LW 5, 409-455). Lenin demontiert überzeugend die Ansicht, dass der Kampf, der auf der Ebene des Ökonomischen geführt wird, das (wie Martynow erklärt hatte) »weitest anwendbare Mittel« sei, nur weil die Formen und Ergebnisse des Klassenkampfes in letzter Instanz durch die ökonomischen Grundlagen und Verhältnisse bestimmt werden. Lenin nennt diese Behauptung die »Quintessenz des Ökonomismus«; und diese Bestimmung führt ihn zur Analyse des korporativen Charakters eines Kampfes, der sich auf den Kampf »für günstige Bedingungen des Verkaufs der Arbeitskraft, für die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeit« beschränkt, was direkt ins Zentrum des sozialdemokratischen Reformismus und »Ökonomismus« führt – zu dem »gründlich gelehrten (und ›gründlich‹ opportunistischen) Ehepaar Webb« und zu den englischen Gewerkschaften (ebd., 471). Lenins Intervention (und die folgende Weiterentwicklung seiner Position im Rahmen seiner Imperialismustheorie) markiert weitaus klarer als die marxsche den Schaden, der – von Marx und von späteren Marxisten – dadurch angerichtet wurde, dass sie den selben Begriff – »das Ökonomische« – dazu benutzten, zwei völlig unterschiedliche Dinge zu bezeichnen: die Produktionsverhältnisse und Produktivkräfte der Produktionsweise und den Ort der Praxen und Kampfformen, deren spezifischer Gegenstand ökonomische Beziehungen sind (wie etwa Arbeitsbedingungen oder Lohn).

      V

      Zum Schluss will ich kurz skizzieren, wie wir diese Begriffe und ihre Auswirkungen auf die Konstituierung von Klassen und Klassenkampf fassen könnten. »Hauptbegriff« ist der Begriff der Produktionsweise. Die »Produktionsweise« ist zunächst die begriffliche und analytische Matrix, die es uns erlaubt, die Grundstrukturen der Verhältnisse zu denken, in denen