Die Höhle in den schwarzen Bergen. Liselotte Welskopf-Henrich

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Название Die Höhle in den schwarzen Bergen
Автор произведения Liselotte Welskopf-Henrich
Жанр Исторические приключения
Серия
Издательство Исторические приключения
Год выпуска 0
isbn 9783957840042



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Name ist Mattotaupa, und ich habe dem Häuptling vom Stamme der Siksikau zu sagen, dass einer seiner Krieger mit gebrochenem Bein hilflos in der Prärie liegt, ohne Pferd, ohne Waffen, ohne Decke. Seinen Namen kenne ich nicht, denn er misstraute mir. Wir haben einige Wölfe getötet, die ihn anfallen wollten.«

      »Kannst du mir irgendein Zeichen nennen, Mattotaupa, an dem ich meinen Krieger erkennen könnte?«

      »Er hat eine tiefe Narbe am rechten Oberarm, so als ob er sich einmal einen Pfeil mit Widerhaken aus dem Fleisch gerissen habe.«

      Der Häuptling und Kluge Schlange wurden lebhafter. »So ist es! Das ist Dunkler Rauch! Er geriet in die Gefangenschaft der Dakota.« Aber dann verschlossen sich die Mienen wieder. »Du hast uns noch nicht gesagt, woher du kommst und wohin du reitest, du Krieger, der du dich Mattotaupa nennst. Dunkler Rauch befand sich in Gefangenschaft bei unseren Feinden, den Dakota. Es mag sein, dass du ihn als Gefangenen gesehen hast und uns in eine Falle locken willst.«

      »So nehmt mich und meinen Sohn Harka Wolfstöter Bärenjäger in Fesseln mit. Ihr werdet sehen, dass wir aufrichtig gegen euch handeln. Wenn es ist, wie du sagst, Häuptling, so ist Dunkler Rauch entflohen und sucht eure Zelte.«

      »Wir fesseln keine Kinder. Bleibe du hier. Dein Sohn kommt mit mir und führt uns.«

      Mattotaupa verstand den Sinn dieser Anordnung. Wenn die Siksikau sich getäuscht sahen, konnten sie den Knaben leicht überwältigen, leichter als einen Krieger wie Mattotaupa.

      »Deine Worte sind gut. Harka Steinhart Wolfstöter mag mit euch reiten!«

      »Sobald wir gegessen haben. Eure Pferde sind auch abgetrieben. Wir werden deinem Sohn eines meiner Pferde zum Reiten geben.«

      Der Häuptling, Krumm gehender Wolf, Kluge Schlange und Mattotaupa ließen sich um die Feuerstelle nieder, und die Frau schöpfte die Suppe in die Schüsseln. Das kleine Mädchen brachte Harka eine Schüssel voll. Sonst aßen die Kinder nach den Erwachsenen, aber in diesem Falle sollte Harka schon gestärkt sein, wenn der Ritt begann. Er löffelte und schluckte schnell; die Brühe schmeckte köstlich. So hatten auch in seinem heimischen Zelt die verstorbene Mutter und die Großmutter gekocht. Nur ein einziges Mal schaute Harka von der Schüssel auf; das war, als das Dakotamädchen das Zelt wieder verließ.

      Zeit wurde mit dem Essen nicht verschwendet. Kaum dass Harka die Schüssel geleert hatte, hörte er draußen auch schon Pferde stampfen. Er wechselte einen Blick mit dem Vater, gab diesem seine Waffen bis auf Messer, Pfeil und Bogen und Revolver und verließ mit dem Schwarzfußhäuptling zusammen das Zelt. Der Häuptling wollte mit zehn Kriegern aufbrechen. Dem Knaben Harka wurde das Pferd gezeigt, das er reiten sollte. Sein Grauschimmel und der Fuchs weideten zwischen den Zelten; er machte sie rasch fest. Dann besah er sich den Mustang, den die Siksikau ihm anboten. Es war ein Schecke mit dunkler Mähne, jung und feurig. Der Knabe schwang sich auf, und das Tier folgte ihm willig. Er setzte es in Galopp in südöstlicher Richtung, trieb es mit Schenkeldruck und gellenden Zurufen an, so dass es seine volle Schnelligkeit entwickelte, und die Schar der Krieger ritt in der Reihe hinter ihm her.

      Dem Jungen war zumute, als ob belebende Ströme durch seinen Körper und durch sein Fühlen und Denken gingen. Einem tapferen Krieger aus der Not zu helfen, dabei einer Kriegerschar, darunter einem Häuptling, als Führer zu dienen, ein prächtiges Pferd unter sich zu haben und über die Weite der kahlen Prärie dahinzufegen, nichts vor sich als Himmel und Steppe, kein Geräusch im Ohr als den dumpfen Hufschlag der unbeschlagenen Pferde auf der Grassteppe, das gab einen lange entbehrten und dafür umso tiefer empfundenen Zusammenklang.

      Der Junge hetzte sein Pferd. Jede verlorene Stunde, jede verlorene Minute konnte dem Mann, um dessentwillen der Ritt unternommen wurde, das Leben kosten. Früh am Morgen hatten Mattotaupa und Harka den Hilflosen verlassen. Jetzt war es später Nachmittag. Erst in der Nacht würden die Reiter den Platz erreichen, den sie suchten. Schräg leuchteten die Strahlen der Sonne von Südwesten her. Die Sonne wanderte, und die Reiter hatten sie bald im Rücken. Im Osten war der Himmel hellblau; der Wind hatte alle Wolken vertrieben. Als Harka seinen Schecken im Schritt verschnaufen ließ, sah er mit Bedenken, wie das Blau schon dunkelte und die Sonnenstrahlen von Westen her sich zum Rotgold färbten, wie die Schatten sehr lang fielen und alles den Abend ankündigte, der bald zur Nacht führen musste. Er setzte sein Tier wieder in Galopp. Mit den Reitern, die ihm folgten, hatte er bisher kein Wort gewechselt; sie hätten einander auch gar nicht verstehen können. Harka war unterrichtet, dass er die Krieger der Siksikau bis zu einer gewissen Entfernung von dem Platz, an dem der Verletzte lag, zu bringen hatte. Da wollten sie absitzen und ausschwärmen, um ja nicht etwa in einen Hinterhalt zu fallen.

      Es war schon tiefe Nacht, als die Reiter so weit gekommen waren. Die Pferde waren trotz der Frühlingskälte verschwitzt, und ihre Flanken schlugen. Die Reiter saßen ab. Der Häuptling trat auf Harka zu. Er hatte sein Lasso zur Hand und verband sich selbst mit dem Jungen in kurzem Abstand, so dass jeder sich frei bewegen, der Junge ihm aber nicht entlaufen konnte. Harka nahm dieses Zeichen des Misstrauens als eine Vorsicht hin, die ihm verständlich schien. Im Mond- und Sternenschein machte er dem Häuptling durch Handbewegungen klar, wo der Verletzte jetzt zu suchen sei. Zwei Krieger blieben bei den Pferden zurück, die übrigen zogen sich im Halbkreis auseinander und strebten dann konzentrisch auf den Platz zu, an dem Dunkler Rauch liegen sollte.

      Harka bewegte sich mit dem Häuptling zusammen im Dauerlauf voran. Der Häuptling hatte das Messer zur Hand. Nach einiger Zeit hielt der Siksikau an, legte die Hände an den Mund und kreischte dreimal wie eine Schneeeule. Dann lauschte er, und auch Harka horchte.

      Der Ruf wurde beantwortet, und zwar aus verhältnismäßig kurzer Entfernung. Der Häuptling rannte daraufhin los, ohne Deckung, ohne überhaupt die bisherigen Vorsichtsmaßnahmen zu beachten, und aus dem Dunkel der Grassteppe wuchs eine Gestalt empor, ein Mensch, der mit den Schultern und Armen an zwei Stöcken hing.

      Dunkler Rauch lebte noch!

      Harka, durch das Lasso mit dem Häuptling verbunden, hatte Mühe, dessen Tempo mitzuhalten, doch gelang es ihm auf diese kurze Strecke gut. Als die beiden vor dem wiedergefundenen Krieger standen, stieß der Häuptling einen hellen Freudenruf aus, der ringsumher von seinen Kriegern beantwortet wurde. Bald hatte sich alles versammelt.

      Dunkler Rauch und der Häuptling sprachen miteinander. Der Krieger war allerdings derart erschöpft, von Durst ausgedörrt, dass er nur wenige Worte hervorbrachte und wieder zu Boden gestürzt wäre, wenn ihn die Männer nicht aufgefangen hätten. Aber mit seinen wenigen Worten musste er auch etwas über Harka gesagt haben. Der Häuptling löste jetzt nicht nur das Lasso, das den Knaben festgehalten hatte, sondern sagte auch irgend etwas, was Harka zwar nicht verstand, was dem Tonfall nach aber nichts anderes heißen konnte als »gut«.

      Auf dem Heimweg beflügelte alle die Freude. Dunkler Rauch wurde in ein Büffelfell eingewickelt, das einer der Krieger mitgebracht hatte, und da Harkas Schecke an dem Knaben die geringste Last zu tragen hatte, wurde der Verletzte und Erschöpfte dem Knaben mit aufs Pferd gegeben. Sobald die erste Wasserstelle erreicht war, erhielt Dunkler Rauch zu trinken. Obgleich er sicher am liebsten einen Bach ausgetrunken hätte, beherrschte er sich und nahm nur mäßige Schlucke zu sich.

      Der Heimritt nahm im Ganzen wieder viele Stunden in Anspruch. Als die Schar sich den Zelten näherte, war es längst heller Tag, und die Mittagssonne wärmte Mensch und Tier auf. Um die begrüßenden Krieger und Knaben kümmerte sich der Häuptling nicht lange. Sobald die Zelte erreicht waren und die Reiter alle anhielten, hob er selbst den Verletzten von Harkas Pferd und trug ihn in das Zauberzelt.

      Harka war abgesprungen und brachte seinen Schecken ebenso wie die anderen Krieger zur Herde, wo auch der Fuchs und der Grauschimmel sich jetzt befanden.

      Als er sich dann suchend umschaute, erkannte er seinen Vater, der zu ihm herankam und sich kurz berichten ließ. Auch er sagte, sobald er alles erfahren hatte, mit großer Befriedigung: »Gut!«

      Harka war sehr müde, fast zitterten ihm Arme und Hände, mit denen er auf dem Rückweg den Verletzten gestützt und gehalten hatte. Vor Müdigkeit spürte er kaum seinen Bärenhunger. Aber als der Häuptling wieder aus dem Zauberzelt herauskam und Mattotaupa und Harka zu sich zu einer Mahlzeit bat, war der Junge doch