Die Höhle in den schwarzen Bergen. Liselotte Welskopf-Henrich

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Название Die Höhle in den schwarzen Bergen
Автор произведения Liselotte Welskopf-Henrich
Жанр Исторические приключения
Серия
Издательство Исторические приключения
Год выпуска 0
isbn 9783957840042



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war, und er wusste nicht, ob die Reiter zu diesen feindlichen Scharen gehörten oder zu seinem eigenen Stamm. In der Richtung, aus der sie kamen, nämlich aus Ostsüdost, vermutete er weder die einen noch die anderen.

      Das Galoppgeräusch näherte sich. Bald konnte der Indianer zwei Pferde sehen, windschnelle Mustangs. Für das Auge waren sie mit ihren Reitern schwarze Schatten, die über die Grassteppe flogen. Die Reiter gelangten bis an den Ring der Wölfe, und die ganze Aufmerksamkeit des Beobachters wurde von dem Schattenspiel gefangengenommen, das er jetzt im Mond- und Sternenschimmer ansehen konnte. Die Reiter spannten die Bogen, ohne die Pferde anzuhalten, und schnellten mitten im Galopp die Pfeile ab. Ein Wolf, der getroffen sein musste, sprang fast senkrecht hoch und stürzte dann rücklings nieder. Drei Wölfe verfolgten das zweite Pferd, aber als der eine es ansprang, schlug der Reiter zu, mit einer Keule oder einem Beil, das konnte der Beobachter nicht genau erkennen. Doch sah er, wie das Raubtier abglitt und liegen blieb. Es wunderte ihn, dass die beiden Reiter stumm blieben. Sie ritten ohne Sattel, waren barhäuptig, hatten das Haar in Zöpfen geflochten; es waren Indianer. Der Beobachter hätte sie gern gerufen, aber er wusste noch immer nicht, ob er Feinde oder Freunde vor sich hatte, ob er sich vor ihnen verbergen musste oder Hilfe von ihnen erwarten konnte.

      Die beiden Reiter wandten ihre Pferde und griffen ihrerseits die Wölfe an, mit Pfeil und Bogen und, wie der Verletzte jetzt genau erkennen konnte, mit elastischen Keulen. Sie kämpften kühn und gewandt, und es dauerte nicht lange, bis der Rest der hungrigen Meute das Weite suchte.

      Aber die elastischen Keulen als Waffe hatten dem Beobachter Aufschluss gegeben, dass die beiden Reiter Dakota sein mussten. Sie waren seine Todfeinde, und er konnte nur hoffen, dass sie ihn nicht finden würden. Mit argwöhnischer Aufmerksamkeit verfolgte er ihren weiteren Weg.

      Zunächst hielten sie beide an und schienen sich zu besprechen. Dabei erkannte der unbeobachtete Beobachter, dass der eine der beiden Reiter an Gestalt viel größer war als der zweite, der nicht nur kleiner, sondern auch knabenhaft schlank erschien. Die Beratung hatte ein unerwartetes Ergebnis. Die Reiter stiegen ab und schienen sich niederzulassen, obgleich der Platz, an dem sie sich befanden, kaum mehr Annehmlichkeiten für ein Lager bieten konnte als die Stelle, an der der Verletzte aus Erschöpfung haltgemacht hatte. Es blieb diesem nichts anderes übrig als abzuwarten, was weiter geschehen würde. Die Wölfe waren vertrieben, dafür hatte er jetzt Dakota in seiner Nähe. Das eine erschien ihm so gefährlich wie das andere. Er beschloss, sich nicht zu rühren, aber wach zu bleiben. Vielleicht brachte erst das Morgengrauen die Entscheidung über sein weiteres Schicksal. Er empfand wieder den bohrenden und stechenden Schmerz an der Bruchstelle des Schienbeins, den er in der Erregung über die letzten Vorgänge vergessen gehabt hatte.

      Als Stunden dahingeschlichen waren, als die Sterne erloschen und der Morgenstern allein schimmerte, hatte sich der Verletzte innerlich auf alles vorbereitet, was je mit ihm geschehen konnte. Wenn es in seiner Nähe auch keinen Wasserspiegel gab, in dem er sich im aufleuchtenden Frühlicht hätte selbst betrachten können, so wusste er doch, dass sein Gesicht mit der roten Kriegsfarbe bemalt war und dass die Spuren dieser Bemalung noch zu sehen sein mussten. Zwischen ihm und einem Dakota gab es nichts als Feindschaft auf Leben und Tod. Da er wehrlos war, blieb für ihn nur der Tod. Es war lediglich die Frage offen, ob die beiden Dakota ihn entdecken würden. Die Fährte, die er als Hinkender mit zwei Stöcken hinterlassen hatte, war leicht zu finden.

      Es wurde hell, aber die Sonne konnte nicht hervorkommen. Breite Wolkenbänke lagerten am Horizont, und es blieb sehr kalt. In einer Entfernung von hundertfünfzig Metern zog sich eine Bodenwelle hin, und der Verletzte bemerkte, dass die Dakota jetzt auf dieser flachen Anhöhe lagen; die Pferde standen wahrscheinlich dahinter. Die beiden fremden Indianer wahrten keine besondere Vorsicht. Sie hielten es wohl für ungefährlich, von einem hinkenden Verwundeten beobachtet zu werden. Offenbar spähten sie aber zu ihm hinüber und trachteten zu erkunden, wer er sei und wie er sich verhalten würde. So verging eine halbe Stunde. Hin und wieder brach ein Sonnenstrahl durch die Wolken.

      Dann schienen die Dakota sich entschlossen zu haben, was sie weiter unternehmen wollten. Der kleinere der beiden, der sehr schlank war, holte die Pferde und führte sie in Richtung des hilflosen Verletzten. Der größere, dessen hohe Gestalt mächtig und zugleich harmonisch in ihren Proportionen wirkte, ging frei nebenher. Die beiden beeilten sich nicht. Sie wissen, dachte der Verletzte, dass ihr Opfer ihnen nicht entkommen kann. Sie sollen aber auch erfahren, wie ein Krieger der Siksikau zu sterben weiß. Unwillkürlich griff er nach einer der Stangen, die er als Krücke gebraucht hatte. Wenn er auch nicht eine sinnlose Form des Widerstandes versuchen wollte, so hatte er doch die Absicht anzudeuten, dass er sich nicht freiwillig ergab.

      Endlich standen die beiden fremden Indianer vor ihm, kaum zwei Meter entfernt. Da sie ruhig stehen blieben und auch nicht gleich zu sprechen begannen, blieb dem Siksikau Zeit, sich über sie zu wundern. Es handelte sich um einen Mann und einen groß gewachsenen Knaben. Die beiden waren nur mit Leggings und Mokassins bekleidet und froren auch. Über dem Rücken des einen der Pferde hing eine büffellederne Decke. Bewaffnet waren diese beiden Dakota ausgezeichnet. Als Schusswaffen führten sie Pfeil und Bogen, doppelläufige Büchse und Revolver, als Handwaffen nicht nur das Messer und die aus Weidenzweigen und einem eigroßen Stein gefertigte elastische Keule, sondern auch das Schlachtbeil mit Stahlschneide. Der Siksikau staunte. Revolver kannte er bis dahin nur vom Hörensagen. Diese Dakota mussten sehr gute Verbindungen mit den weißen Männern haben, von denen man solche Waffen beziehen konnte.

      Der Verletzte hatte nicht die Absicht, zuerst etwas zu sagen. Solange noch keine Auseinandersetzung im Gange war, konnte er am Leben bleiben. Er wollte warten.

      Die beiden Dakota hatten sich nicht mit den Kriegsfarben bemalt. Der Siksikau betrachtete die Stickerei auf ihren Mokassins und auf dem Gürtel des Mannes. Die Muster waren fremdartig. Vielleicht gehörten diese beiden Indianer, die an Scheitel und Zöpfen, an der elastischen Keule als Dakota zu erkennen waren, doch nicht zu derjenigen Stammesabteilung, mit der der Siksikau und seine Brüder gekämpft hatten. Vielleicht wussten sie von diesem Kampf gar nichts? Vielleicht waren sie an der Grenze gewesen, hatten sich Feuerwaffen eingetauscht und strebten nun irgendwohin zu ihren Zelten. Aber sie mussten sehen, dass der Siksikau, der vor ihnen im Gras lag und noch immer seine Krücke in der Rechten hielt, mit den Kriegsfarben bemalt gewesen war.

      Der Dakotakrieger sagte etwas, und der verletzte Siksikau verstand kaum jedes dritte Wort, aber den Gesten entnahm er, wonach er gefragt wurde: wie sein Name sei und ob er zu seinen Zelten gebracht werden wollte.

      Eine solche Frage erschien ihm wunderbar und in ihrer menschlichen Einfachheit viel zu verdächtig, als dass er sie ohne weiteres hätte mit Ja beantworten wollen. Was hatten die beiden Dakota bei den Zelten der Siksikau zu suchen? Hatten sie die Absicht zu kundschaften und erschien ihnen die gegebene Situation als eine unwiederbringliche Gelegenheit, ungestraft in die Dörfer der Siksikau zu gelangen und dort zu horchen und zu spähen?

      Der Verletzte überlegte. Und wenn dem wirklich so war? Dann wurde er gerettet, die beiden Dakota aber befanden sich inmitten einer Schar von Schwarzfußkriegern, die sie nicht wieder gehen zu lassen brauchte, wenn böse Absichten offenbar wurden. Wie aber, wenn diese beiden Dakota gar nicht allein waren, sondern nur die Kundschafter eines größeren Dakotatrupps, der irgendwo lauerte, bereit, der weiteren Spur bis zu den Zelten zu folgen und die Frauen und Kinder der Siksikau zu überfallen? Vielleicht kümmerten sich die beiden Dakota nur deshalb um den Verletzten, weil er ihnen und denen, die den Auftrag dazu gegeben hatten, als Wegweiser zu den Zelten der Schwarzfüße dienen sollte. Es war besser, wenn er sich mit den beiden fremden Indianern nicht einließ. Es blieb ihm dann allerdings nichts anderes mehr übrig, als in der trostlosen Grassteppe zugrunde zu gehen. Denn sobald er in Richtung seiner Zelte weiterzuhumpeln versuchte, konnten die beiden Dakota ihm nur allzu leicht folgen.

      Erbittert darüber, dass ihm durch das Erscheinen und die unerbetene Aufmerksamkeit dieser beiden Reiter die letzte Hoffnung auf Rettung genommen schien, winkte er kurz und wegwerfend, sie sollten sich entfernen, und er habe nicht die geringste Absicht, sich von ihnen helfen zu lassen.

      Das schienen sie verstanden zu haben, denn sie wandten sich ohne weiteres Wort ab, saßen auf und ritten weg. Ob sie in einer Entfernung, in der der Siksikau sie nicht mehr wahrzunehmen vermochte, einen Bogen schlagen und