Harka. Liselotte Welskopf-Henrich

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Название Harka
Автор произведения Liselotte Welskopf-Henrich
Жанр Исторические приключения
Серия
Издательство Исторические приключения
Год выпуска 0
isbn 9783957840004



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dass man essen und dann aufbrechen wolle.

      Untschida, die Großmutter, gab im Zelt Mattotaupas ein karges Frühstück aus. Die Kinder und die Frauen erhielten aus kleinen Lederbeuteln zerriebene Beeren und Wurzeln, Mattotaupa aß eine Handvoll getrocknetes Büffelfleisch, das noch von einer Herbstjagd stammte. Das war alles, und es musste den Hunger für den ganzen Tag stillen. Vor dem Abend würde es nichts mehr zu essen geben.

      Die Großmutter Harkas, Mattotaupas Mutter, galt jetzt als die angesehenste Frau im Zeltdorf, da Mattotaupa nach dem Tod des Weißen Büffel bis zur Bestallung eines neuen Friedenshäuptlings der alleinige Anführer der Jägergruppe war. Sie ging hinaus und löste die erste Plane von den Stricken, so dass diese im immer noch stark wehenden Winde wie eine große Fahne donnerte. Das war das Zeichen zum allgemeinen Aufbruch.

      Alles war schnell zusammengepackt, denn die Jägerfamilien besaßen nicht viele Habseligkeiten. Die Frauen und Mädchen kletterten an den Zeltstangen hinauf und lösten die Sehnenstricke, die die Stangenspitzen zusammenhielten; bei dieser Arbeit half auch schon die zehnjährige Uinonah. Harka und seine Spielgefährten und Altersgenossen brachten die Pferde herbei. Den Lastpferden wurden die Rutschen angehängt. Zwischen je zwei Zeltstangen, die sich mit dem einen Ende über dem Pferderücken kreuzten und deren andere Enden nachschleiften, wurde eine Lederdecke gespannt; in diese Decke legte man die Habseligkeiten, dorthinein setzte man auch die Kinder, die schon zu groß waren, um noch von der Mutter auf dem Rücken getragen zu werden, und auch noch zu klein, um selbst zu reiten. Wagen besaßen die Indianer nicht, da sie keine Räder herstellten.

      Harka und der neunjährige Harpstennah hatten schon eigene Pferde und schwärmten mit den berittenen Burschen und Kriegern um den sich bildenden langen Wanderzug. Die Frauen und Mädchen ritten die Lastpferde. An der Spitze des Wanderzuges fand sich Hawandschita ein, der über achtzig Jahre alte Zaubermann, dürr, sehnig, ein wenig gebückt stand er da. Ehe der Zug sich in Bewegung setzte, sprach er das uralte Morgengebet um »Nahrung und Frieden« für die ganze Schar.

      Dann tat er den ersten Schritt, und Mattotaupa, der Kriegshäuptling, trieb seinen Scheckenhengst an, um vorauszureiten und den Zug durch den sturmverwehten Wald hindurch auf die Prärie zu geleiten.

      Der Wanderzug musste den Fluss durchqueren, an dem die Jungen abends zuvor gespielt hatten. Hawandschita und Mattotaupa führten am Ufer ein Stück flussabwärts, um eine Furt in der Mittelrinne zu benutzen, die den Übergang erleichterte. Harka wusste, dass die Furt tausend Schritte abwärts lag, und da hier, noch in der Nähe des bisherigen Zeltlagers, kaum eine Gefahr drohen konnte und die Ordnung für die begleitenden Reiter daher nicht streng eingehalten wurde, ritt er mit Tschetan zusammen ein Stück voraus. Er fand den Platz, wo sich die Rinne verbreiterte und die Wasser seicht über den Sand fluteten. Hier hielten Harka und Tschetan an, warteten und schauten sich ein letztes Mal in dieser Gegend um, die sie seit früher Kindheit gut kannten und nun für lange Zeit, vielleicht für immer, verlassen sollten. Die neuen Jagdgründe, das Ziel der Wanderung, lagen mehrere Tagesritte weiter südlich.

      Harkas Aufmerksamkeit richtete sich auf die Verwüstung, die der Sturm auch an den Flussufern angerichtet hatte. Das elastische Weidengesträuch war unversehrt geblieben, aber zwei junge Bäume, die sich auf Schwemmland angesiedelt hatten, waren entwurzelt, und das Wasser sammelte sich in der aufgerissenen Erde. An dieser Stelle blinkte etwas. Harka fiel das auf, und da er Zeit hatte, ritt er hin, um zu prüfen, was denn hier die milchig-blassen Sonnenstrahlen fing und zurückwarf. Er schaute vom Pferd herunter auf den ungewöhnlich glänzenden Gegenstand. Es schien ein kleiner Kiesel zu sein, aber er schimmerte gelb-rötlich, viel schöner als jeder andere, und Harka glitt von dem Pferd, das er sattellos ritt, und bückte sich, um den Fund näher zu betrachten. Es schien wirklich nichts weiter zu sein als ein ungewöhnlicher Stein, den das Wasser früher einmal mitgeführt, dann mit Sand und Erde bedeckt hatte und der jetzt unter den aufgerissenen Wurzeln wieder zutage gekommen war.

      Harka wog ihn in der Hand und steckte ihn dann in einen Beutel am Gürtel, um ihn als Erinnerung mitzunehmen. Von dem Wert und der Bedeutung seines Fundes hatte er noch keine Ahnung.

      Der Wanderzug näherte sich der Furt wie eine lange Schlange und gewann nach Überwindung einiger Hindernisse im Wald die freie Prärie.

      Der starke Wind wehte von Nordosten; die Mähnen der Pferde und die Haare der Jungen flatterten. Von Südosten her schien die Sonne, der man entgegenreiten musste. Sie blendete in die Augen. Alle blinzelten und spähten in die große Weite des Graslandes hinaus. Am ersten Tag bewegte sich der Zug noch durch das allen bekannte Gelände; vom Dorf aus hatte man oft Streifzüge in die welligen Wiesen unternommen, um nach Büffelherden Ausschau zu halten. An diesem ersten Tage konnte auch kaum eine Gefahr drohen, denn der Zug befand sich noch in Jagdgründen, die unbestrittenes Revier der mächtigen Dakotastämme waren.

      Das Wetter hellte sich gegen Mittag zusehends auf. Die milchige Atmosphäre wurde kristallklar, und der Nordostwind milderte sich zu einem Luftzug, der mit den vergilbten nassen Gräsern spielte. Harka bedauerte, dass die Präriehunde, diese kleinen Nagetiere, schlau genug waren, um immer rechtzeitig in ihren Erdlöchern zu verschwinden, wenn der Wanderzug sich ihrem Bau näherte. Er kam nicht dazu, den Pfeil auf sie anzulegen. Die Kinder in den Rutschen ärgerten sich, dass die langen Schweife der Pferde ihnen immer wieder über das Gesicht schlugen. Mit dumpfem Geräusch liefen die vielen unbeschlagenen Hufe über das Grasland. Eine breite Fährte, tage-, ja wochenlang lesbar, blieb hinter dem Wanderzug zurück. Hin und wieder dachte Harka noch an die Höhle am Waldhang, die nun schon weit hinter den Wandernden zurückgeblieben war. Niemand im Wanderzug konnte wissen oder auch nur ahnen, was jetzt bei der Höhle und im Wald vorging.

      Die Bärenbande wanderte bis zum Abend. Da sich der Aufbruch am Morgen durch den Sturm verzögert hatte, war man bis Sonnenuntergang nicht mehr als fünfunddreißig Kilometer vorangekommen.

      Die Krieger wählten einen möglichst praktischen Rastplatz. Rechter Hand erstreckte sich eine Bodenwelle, deren Hang sich zu einem Gewässer hin abflachte. Von den sich leicht zu dem Gewässer neigenden Wiesen hatte die Feuchtigkeit bereits abzusickern begonnen, so dass man die Zelte nicht auf allzu nassem Boden aufzuschlagen brauchte. Der kleine Präriebach löschte den Durst von Mensch und Tier. Holz war nicht vorhanden. Man sah davon ab, Feuer zu machen. Nur der ausgehöhlte, im Innern von einem nie verlöschenden Feuer kohlende Stamm wurde mit seiner Glut auch in dieser Nacht sorgfältig gehütet. Alte Männer hatten ihn auf der Wanderung mitgetragen. Es war seit unvordenklicher Zeit Sitte, das wertvolle Feuer, das fast wie ein Heiligtum gehalten wurde, auf diese mühsame Weise mitzuführen.

      Die Rutschen wurden abgehängt und die Zelte aufgeschlagen. Wie die anderen, so schlug auch die Witwe des Weißen Büffel das gewohnte Zelt auf. Es war noch nicht darüber entschieden, welcher Familie sie mit ihrem Sohn zu Schutz und Nahrung zugeteilt werden sollte.

      Alle Menschen waren müde und schliefen nach einem kleinen Imbiss in ihren Decken schnell ein. Die Pferde knabberten noch am halbverfaulten Wintergras und suchten die ersten grünen Spitzen, die aus dem Boden kamen. Die Hundemeute hatte sich friedlich zusammengefunden; die Tiere lagen dicht beieinander. Einer wärmte den anderen.

      Der Himmel blieb klar, und obgleich der Wind sich gelegt hatte, war es in der Nacht bitter kalt. Einem großen Meer gleich, lief die Prärie in Wellen bis zum fernen Horizont.

      Die Stunden vergingen.

      Es war schon weit nach Mitternacht, als Harka auffuhr. Ein heller, durchdringender Ruf hatte ihn geweckt. Der Kriegsruf war es nicht gewesen. Den Kriegsruf kannte jedes Kind im Traum und im Schlaf, so oft wurde das schnelle Erwachen auf diesen Ruf hin, das Aufspringen, Zu-den-Waffen-Greifen geübt. Der Kriegsruf war es also nicht gewesen, aber ein Warnruf. Harka trug, wie der Vater, das Messer in der Scheide an einer Schnur um den Hals; er hatte die Waffe heute in der Nacht nicht abgelegt. Bogen und Pfeile hatte er sich neben das Lager geordnet, und als er jetzt aufsprang, hielt er sie auch schon in der Hand. Draußen war Unruhe. Die Hunde jaulten, zornig und ängstlich. Harka hörte das Gedränge und das Stampfen der Pferdeherde und lief aus dem Tipi. Mattotaupas Hengst, der vor dem Zelt angepflockt war, gebärdete sich wie toll und hätte sich gerne losgerissen.

      »Bleib bei dem Mustang!«, rief der Häuptling seinem Jungen zu, und schon war er selbst in Richtung