Название | Brennpunkt Balkan |
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Автор произведения | Christian Wehrschütz |
Жанр | Зарубежная публицистика |
Серия | |
Издательство | Зарубежная публицистика |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783990402184 |
Dass bis zur Aufnahme eines 29. EU-Mitglieds einige Zeit vergehen wird, zeigt eine einfache Rechnung: Beitrittsverhandlungen dauern in der Regel fünf Jahre, wenn keine zusätzlichen politischen Probleme auftauchen. Hinzu kommt der Prozess der Ratifizierung des Beitrittsvertrages durch die 28 Mitgliedsstaaten, der ebenfalls zwei Jahre benötigt. Bisher verhandelt die EU nur mit Montenegro, und diese Gespräche stehen in vielerlei Hinsicht noch am Beginn. Somit ist mit einem montenegrinischen Beitritt wohl erst um 2020 zu rechnen. In diesen sieben Jahren wird sich wohl auch die EU noch weiter verändern. Trotzdem stellt sich nach dem Beitritt Kroatiens für die restlichen Staaten des sogenannten Westbalkans sowie für die EU und ihre Mitglieder zwangsläufig die Frage nach der künftigen Vorgangsweise. Dazu gehört die Grundfrage, ob es weitere Einzelaufnahmen auf dem „Restbalkan“ geben soll oder ob nun eine Blocklösung angestrebt wird und wie groß dieser Block sein soll. Für die Blocklösung spricht vor allem die Erweiterungsmüdigkeit; dagegen sprechen die doch beträchtlichen Unterschiede in der Entwicklung und in der Problemstellung der verbliebenen Länder sowie der Umstand, dass eine Abkehr vom sogenannten „Regatta-Prinzip“ demotivierend wirkt, weil der Schnellste und Reformfreudigste auf den Langsamsten warten muss. Gegen das Regatta-Prinzip spricht der Umstand, dass durch die Krise der EU und die Erfahrungen mit Rumänien, Bulgarien und nun auch Griechenland, und vielleicht künftig auch Kroatien, die Erweiterungsmüdigkeit natürlich zusätzlich verstärkt wurde. Eine Block-Lösung hätte daher aus der Sicht der Erweiterungsskeptiker den Vorteil, diesen Prozess noch viel weiter hinauszuschieben. Im Gegenzug dazu sind die EU-Kommission sowie grundsätzliche Befürworter einer Erweiterung unter den Mitgliedsstaaten bestrebt, dass der Erweiterungsprozess ein Mindestmaß an Dynamik behält. Diese Politik liegt natürlich auch im Interesse des Balkans, hängt aber vom Reformeifer der jeweiligen Länder ab.
Stärker bewusst werden sollten sich die EU und ihre Mitglieder aber auch der Tatsache, dass das weitgehende Fehlen einer effizienten gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik den Weg des Restbalkans in die EU verlängert und damit die endgültige Stabilisierung dieser Region verzögert, die ja gerade aus diesem Grund in die EU (und in die NATO) geführt werden soll. Die Unabhängigkeit des Kosovo haben nach wie vor fünf EU-Staaten (Griechenland, Rumänien, die Slowakei, Spanien und Zypern) aus rein innenpolitischen Gründen nicht anerkannt. Das macht die Annäherung des Kosovo aus vielen Gründen noch komplizierter, weil damit die Aufnahme selbst in die Europol erschwert wird, obwohl der Kampf gegen Korruption und Kriminalität zum ständigen Mantra gegenüber dem Kosovo zählt. Da die EU-Delegation in Prishtina „statusneutral“ agieren muss, darf sie natürlich auch nicht den Begriff „Staat“ für den Kosovo verwenden, obwohl natürlich nur Staaten der EU beitreten können. Ein noch gravierenderes Beispiel bildet der Namensstreit zwischen dem EU-Mitglied Griechenland und Mazedonien, der bereits die Aufnahme in die NATO im Jahr 2008 blockierte. Der Streit ist auch ein Hemmschuh für den Beginn der Gespräche über einen EU-Beitritt, obwohl die EU Mazedonien bereits vor acht Jahren (Dezember 2005) den Status eines Beitrittskandidaten gewährt und die EU-Kommission bereits vier Mal den Beginn von Beitrittsverhandlungen empfohlen hat. Dieser Namensstreit zeigt, wie schwer sich die EU mit Konflikten tut, die ein Mitgliedsstaat mit einem Beitrittswerber hat, obwohl gerade Griechenland innerhalb der EU zweifellos keine starke Stellung einnimmt. Doch diesem Sorgenkind will man offenbar keine weiteren sensiblen Fragen zumuten: Trotzdem bleibt die Tatsache bestehen, dass der Konflikt dem eigentlichen Ziel der EU zuwiderläuft, das in der dauerhaften Stabilisierung des Balkans durch EU-Integration besteht.
Der lange Weg zur EU-Integration
Trotz dieser Probleme werden kroatische Erfahrungen sowie kroatische Hilfe für die Staaten des Restbalkans bei deren EU-Annäherung sehr wichtig und wertvoll sein, allerdings mit drei Einschränkungen. Das zeigt ein einfaches, aber wichtiges Beispiel. Bei einem Gipfeltreffen der Westbalkan-Staaten im slowenischen Brdo im März 2010 übergab die damalige kroatische Ministerpräsidentin Jadranka Kosor den anderen Beitrittswerbern die kroatische Übersetzung des gemeinsamen EU-Rechtbestandes. Dieses Geschenk sollte ein Zeichen des guten Willens sein. Mittlerweile erwies sich diese Gabe jedoch als „Danaer-Geschenk“, weil sich die Übersetzungen vielfach als fehlerhaft und unpräzise erwiesen. So teilte die Direktion für Europäische Integration in Sarajevo mit, dass die „Übersetzungen ausschließlich als Hilfe für jene Antragsteller von Rechtsnormen dienen könnten“ und dass die „Übersetzung nicht direkt anwendbar“2) sei. Diesen Befund bestätigten mir hinter vorgehaltener Hand auch Serben, die in Belgrad die EU-Beitrittsverhandlungen vorbereiten, nur dass Serbien zu diesem Problem diplomatisch geschwiegen hat. Doch Serbien übersetzt den gesamten EU-Rechtsbestand selbst, natürlich nicht nur wegen der Fehler, sondern auch wegen der unterschiedlichen Fachbegriffe in der serbischen Rechtsordnung. Die rechtzeitige Ausbildung guter Übersetzer ist jedenfalls eine wesentliche Grundvoraussetzung für gute Verhandlungen. Trotzdem sind kroatische Experten für Serbien sehr wichtig, und auf diesem Gebiet werden Kroatien und wohl auch Slowenien eine wesentliche Rolle bei der Heranführung des Restbalkans an die EU spielen.
In der Tito-Residenz: Balkanstaaten bei der Brdo-Konferenz in Slowenien am 20. März 2010: Damals boykottierte Serbien noch das Treffen, weil der Kosovo teilnahm
Slowenien und Kroatien haben auf der Ebene der Staatspräsidenten auch den sogenannten Brdo-Prozess wiederbelebt, den Borut Pahor und Jadranka Kosor als Ministerpräsidenten der beiden Länder ins Leben gerufen haben. Das erste Treffen fand auf der ehemaligen Tito-Residenz in Brdo statt, daher heißt der Prozess auch so. Dieses erste Treffen im März 2010 wurde noch von Serbien blockiert, weil der kosovarische Regierungschef ebenfalls eingeladen worden war, doch etwas mehr als drei Jahre später saßen alle Präsidenten gemeinsam mit dem französischen Staatspräsidenten