Die Melodie des Mörders. Miriam Rademacher

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Название Die Melodie des Mörders
Автор произведения Miriam Rademacher
Жанр Ужасы и Мистика
Серия
Издательство Ужасы и Мистика
Год выпуска 0
isbn 9783943709315



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das sich gemeldet hatte. »Der Rest kann ins Haus oder am besten nach Hause gehen, das hier ist schließlich keine Party. Jetzt nicht mehr.«

      Verärgertes Gemurmel erhob sich unter den Anwesenden, und Hoffer bemerkte, dass Bella Black dem kleinen Mädchen, das die Leiche gefunden hatte, beschützend eine Hand auf die Schulter legte. Hoffer ahnte, was kommen würde, als Bella den Mund öffnete. Und er behielt Recht.

      »Sue-Sue hat einen Schock erlitten, Bobby. Ich möchte bei ihr bleiben, wenn du sie verhörst. Sie ist sehr labil.«

      Hoffer rollte mit den Augen. »Ich verhöre sie nicht, ich nehme nur eine Aussage auf. Und nenn mich im Dienst nicht Bobby, Margret.« Er wählte bewusst ihren verhassten Taufnamen. »Aber meinetwegen kannst du ebenfalls gleich auspacken. Sie war ja wohl eine Mitbewohnerin von euch.«

      Die kleine Frau namens Sue-Sue und Bella die Dichterin lösten sich aus der Menge heraus und kamen zu ihm herüber. Ihnen folgte unaufgefordert der junge Mann, dessen Arm diese Sue-Sue gerade noch gehalten hatte.

      Der Sergeant erkannte in ihm jetzt den Musiker, der sich Brin nannte. Diesen albernen Künstlernamen, von denen fast jeder auf der Gleech-Farm einen trug, konnte Hoffer nichts abgewinnen. Brin hielt sich, dem Dorfklatsch nach, für einen neuen Paul McCartney und war dazu noch um einiges attraktiver als der Ex-Beatle, wie Hoffer neidvoll anerkennen musste. Ob Brin hörenswerte Musik komponierte, wusste der Sergeant nicht und es war ihm auch egal. Er nahm den Mann direkt aufs Korn.

      »Sie habe ich nicht hergebeten«, blaffte er ihn an.

      »Das ist mir aufgefallen. Doch ich wäre gern anwesend, wenn Sie die beiden Frauen ins Kreuzverhör nehmen.«

      Hoffer kam aus dem Augenrollen gar nicht mehr raus. Kreuzverhör, das war ja lächerlich. Diese idiotischen Künstler konnten von Glück sagen, dass Dr. Grumming noch immer dabeistand und alle drei wohlwollend begrüßte.

      Inzwischen lief dem Sergeant das Regenwasser in die Schuhe. Statt hier lange herumzudiskutieren, wollte er sich lieber beeilen.

      »Wie hieß die Tote?«, fragte er den Musiker.

      »Das ist Evelyn. Aber für uns war sie Sunshine«, antwortete er mit brüchiger Stimme. Er machte einen sehr betroffenen Eindruck auf Hoffer.

      »Evelyn und wie weiter?«, hakte Hoffer nach.

      »Evelyn Prize. Sie lebte hier. Genau wie Bella und ich. Und natürlich auch Sue-Sue.« Er drückte die kleine Spitzmaus an seiner Seite kurz an sich. Diese nickte hastig und klapperte dabei mit den Zähnen.

      »Eine angehende Künstlerin also«, stellte Hoffer fest. »Und woraus bestand ihre Kunst?«

      »Sie war Bildhauerin, Sergeant«, sagte Bella und ihr Tonfall klang frostig. »Sie war sehr begabt.«

      Hoffer stellte zufrieden fest, dass sie ihn jetzt Sergeant nannte. »Nur scheint ihre Begabung sie nicht besonders glücklich gemacht zu haben. Sie ist aus einem Fenster gesprungen. Wenn sie denn gesprungen ist. Sie kann ja auch gestoßen worden sein«, sagte er.

      »Aber sie hat doch eine Abschiedsbotschaft hinterlassen«, stieß jetzt das Mädchen namens Sue-Sue hervor und deutete auf den toten Körper, der nur wenige Schritte entfernt in seiner Pfütze lag. »Sehen Sie doch mal genau hin.«

      »Eine Abschiedsbotschaft?« Hoffer runzelte die Stirn. Dann zog er die Stabtaschenlampe aus seinem Gürtel und ging erneut auf die Tote zu. Er richtete den Lichtkegel auf das kurzärmlige Hemd der Toten. Auf dem durchweichten T-Shirt der Leiche verlief in roten Schlieren eine offensichtlich nicht wasserfeste Farbe. Die Worte waren noch leserlich, ergaben für den Sergeant aber keinen Sinn. Mea Culpa, las Hoffer leise. Und laut rief er den zurückgebliebenen Möchtegernkünstlern zu: »Ist das eine Rockband?«

      »Es ist lateinisch«, meldete sich Grumming zu Wort. »Die Worte sind ein Schuldeingeständnis.«

      »Sie fühlte sich also schuldig, ja? Und welchen Vergehens hat sie sich schuldig gemacht?«, fragte Hoffer und kehrte zu der Gruppe Wartender zurück. Er versuchte, sich seinen Ärger nicht allzu deutlich anmerken zu lassen. Dass jetzt schon die Toten das Klugscheißen anfingen und ihre Abschiedsbriefe in Lateinisch verfassten, frustrierte ihn.

      »Das werden wir wohl jetzt nicht mehr von ihr erfahren«, stellte Dr. Grumming fest. Er wandte sich den jungen Leuten unter dem Schirm zu. »Hatte sie Familie?«

      »Ich denke schon. Vermutlich«, antwortete Brin zögernd.

      »Vermutlich?«, wiederholte Hoffer. »Und wer weiß es genauer? Wie viele angebliche Künstler wohnen denn hier im Moment? Irgendjemand wird sie doch besser gekannt haben. Hatte sie keine beste Freundin?«

      »Tja …« Brin zögerte und blickte ratlos zu den beiden Frauen, die mit den Schultern zuckten und die Köpfe schüttelten.

      »Tja? Ist das die Antwort auf alle Fragen? Niemand weiß, wie viele Leute hier wohnen und niemand weiß, wer das Mädchen am besten kannte?«

      Wieder erntete Hoffer nur ratloses Schulterzucken. Er hatte es ja geahnt. Auf diesem Künstlerhof herrschten unhaltbare Zustände.

      »Wir kriegen sicher irgendwie raus, wo ihre Familie ist, und werden sie verständigen. Wir kümmern uns darum«, versprach Bella und machte ein ernstes Gesicht.

      Hoffer war sich da nicht so sicher, doch weil die kleine Spitzmaus ebenfalls nickte und der Regen ihm vom Kragen seiner Jacke jetzt langsam den Rücken runterlief, fixierte er die Dichterin und antwortete: »Na gut. Ich verlasse mich darauf, Margret.«

      Bella reagierte nicht auf ihren Taufnamen, doch der Sergeant erntete ein erneutes Nicken von Sue-Sue, was ihn daran erinnerte, dass er an die Frau noch ein paar Fragen hatte.

      »Wann haben Sie die Leiche entdeckt? Und warum haben Sie sie überhaupt entdeckt? Ist ja nicht gerade eine Nacht für einen kleinen Spaziergang.«

      »Das war so gegen kurz nach zehn.« Sue-Sue sprach so leise, dass Hoffer sich vorbeugen musste, um sie zu verstehen. »Ich dachte, ich hätte ein Geräusch gehört. Und durch eines der Fenster in der Küche konnte ich sehen, dass draußen der Bewegungsmelder angegangen war. Ich dachte, es sei ein verspäteter Gast, doch als niemand hereinkam, bin ich mal nachsehen gegangen. Einfach so.«

      »Aha«, erwiderte Hoffer. »Und da lag die gute Sunshine dann. Einfach so.«

      Sue-Sues Nicken ging nahtlos in ein Erschauern über. »So war es. Glücklicherweise war Nathe mir nachgegangen. Er hat sich gleich um mich gekümmert, weil ich nicht aufhören konnte zu schreien.«

      »Nathe? Wer ist Nathe?«, fragte Hoffer, doch bevor ihm jemand darauf eine Antwort geben konnte, hatte er der noch immer im Regen herumstehenden Partygesellschaft zugerufen: »Ist ein Nathe bei euch?«

      Die gedrungene Gestalt, die sich daraufhin aus der Gruppe löste und auf Hoffer zugetrabt kam, war mit einer schwarzen Lederjacke und schwarzen Jeans bekleidet. Das Gesicht des Mannes unter dem Stoppelschnitt erinnerte Hoffer irgendwie an einen Igel.

      »Sie sind Nathe?«, wollte er wissen.

      Der junge Mann nickte.

      »Und Sie trafen gleich nach diesem Mädchen am Tatort ein?«

      Der Mann nickte wieder. Hoffers Ungeduld entlud sich mit lauter Stimme.

      »Können Sie nicht sprechen, verdammt nochmal?«

      »D-doch. Sch-schon. A-aber …«

      Ein Stotterer. Das hatte Hoffer in dieser Nacht gerade noch gefehlt. Wenn er es recht bedachte, konnte er auf die Aussage dieses Mannes vielleicht doch verzichten.

      »Vielen Dank, Sie können wieder gehen«, ranzte er den kleinen Mann an, der erleichtert davoneilte und in der Menge der Wartenden untertauchte.

      »Kann ich jetzt bitte auch gehen?«, fragte Sue-Sue und sah Dr. Grumming mit flehendem Blick an. Der strich ihr über die Wange und warf Hoffer einen Blick zu, der einen leichten Vorwurf enthielt.

      Zur Antwort löschte der Sergeant das Licht seiner Taschenlampe. »Dann mache