Tote und andere Entdeckungen. Daniel Juhr

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Название Tote und andere Entdeckungen
Автор произведения Daniel Juhr
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783942625418



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dämlicher kleiner Kiffer dann am besten?“

      „Meine Fresse halten?“

      „Deine Fresse halten! Du hast es! Und jetzt pack an, Mann!“

      Während Edgar die große Schubkarre oben an die Straße stellt (ein Glück, dass sie heute das Megateil mit haben), zieht Fritz dem toten Paul die grüne Regenjacke über, die so riesenhaft ist, dass er Paul zweimal darin einwickeln könnte. Umso besser. Paul blutet jetzt nicht mehr so stark, das bisschen Ketchup, das vielleicht noch kommt, dürfte der Mantel auffangen.

      „Du die Beine, ich den Rest. Bei drei!“, kommandiert Fritz, und die beiden tragen Paul aus dem Schlossgarten heraus. Während Fritz stur nach vorne schaut, blickt sich Edgar ständig um. „Mensch, hier ist niemand, jetzt mach!“, fährt Fritz ihn an. Oben an der Straße angekommen, hieven sie Paul in die Karre. Doch als sich Edgar Richtung Pavillon umdreht und auf die Steinplatten schaut, auf denen Paul vorhin zur Pommes wurde, erstarrt er: Sie sind dunkelrot eingefärbt. Als hätte einer den übrig gebliebenen Ketchup nicht sauber aus der Schale herausgestippt. „Auch das noch. Siehst du das? Siehst du das, Fritz? Da ist alles voller …“

      „Natürlich seh ich das, verdammt noch mal! Das muss weg“, antwortet Fritz.

      „Ja … och! Ehrlich?“ Edgar hat schon wieder Tränen in den Augen. „Mann Fritz, wir sind so was von am Arsch.“

      Fritz betrachtet Edgar, der einen halben Kopf größer ist als er selbst und auch kräftiger, für einen kurzen Augenblick. Mann, denkt er, wenn der nicht nur kiffen und ständig rumstehen würde, wäre er eine echte Hilfe. Aber mit dem Rumstehen wird es jetzt vorbei sein. „Gut, dann gehst du schon mal vor.“

      „Was?“

      „Ja, Mann, einer muss den Ketchup hier ja wegmachen, oder? Du bist der Stärkere, also gehst du mit dem schon mal vor. Was wiegt der denn, dieser Hänfling? 65 Kilo?“

      „Na ja“, überlegt Edgar, „jetzt sind es mindestens zwei Liter weniger, wegen dem ganzen …“

      „Egal. Halbe Karrenladung. Die wirst du doch wohl alleine da runtergeschoben kriegen, oder? Ich beeil mich und komm gleich nach.“

      Edgar verzieht das Gesicht und betrachtet die Ladung, in deren rechter Hand eine geöffnete und halb geleerte Bierflasche liegt. „Das klappt nie“, sagt er leise seufzend. In diesem Moment taucht Ömchen Rietmöller neben dem Schloss auf. Wo kommt die denn jetzt schon wieder her? Sie winkt mit ihrem Gehstock, Fritz winkt dämlich grinsend zurück und faucht Edgar an: „Da hinten ist die Alte wieder. Aber bis die hier ist, dauert’s. Jetzt geh!“

      Edgar presst die Lippen zusammen, hebt die Karre an und marschiert los. Ömchen Rietmöller schaut ihm auf eine Weise nach, die Fritz gar nicht gefällt. Sie steht da wie angewurzelt und glotzt. Fritz winkt noch einmal und grinst dabei noch dämlicher, so wie der Terminator, der zum ersten Mal ein Lächeln versucht. Die Alte schüttelt den Kopf und zieht ihres Weges.

      Edgar dreht sich einmal kurz zu Fritz um, setzt einen Verschwörerblick auf, nickt wissend und biegt in die Marktgasse ab. Fritz atmet tief aus und läuft zum Wagen, um den Schlauch zu holen.

      Sekunden später hat er ihn angeschlossen, das Wasser spritzt mit Hochdruck auf die Steine, der Ketchup verdünnt sich zu einer hellroten dünnen Brühe, und Fritz denkt: Geht doch, geht doch, als er vier Geräusche kurz nacheinander hört. Zuerst ein helles Fschschschsch, weil er blöderweise auf den Schlauch getreten ist und sich das Wasser für einen Moment staut. Dann ein „Ah … Nein, nein, nein, nein!“, das von der Marktgasse herüberschallt und sehr nach Edgar klingt. Dann ein schreiend-schrilles Schleifgeräusch, als wenn Metall über Asphalt kratzt. Dann ein dumpfes Poltern.

      Fritz betrachtet kurz die Steinplatte. Sieht ganz gut aus, findet er. Die wenigen Reste könnte man auch für Schmutz halten. Aber darüber kann er auch später noch nachdenken. Er lässt den Schlauch fallen, stürzt aus dem Rosengarten und rennt die Marktgasse hinab. Diese beschreibt nur eine leichte Rechtskurve, vorbei an hübschen alten Häusern. Fritz muss gar nicht weit laufen, um zu sehen, dass da eine Gestalt im grünen Regenmantel mit dem Gesicht nach unten auf der Straße liegt und darüber, verkehrt herum, eine Schubkarre gestapelt ist. Ein paar Meter weiter oben steht Edgar, die Hände an den Wangen, wie angewurzelt, und plärrt wieder. Er plärrt wie ein Vierjähriger, der gerade mit dem Dreirad in der Kurve umgekippt ist und mit beiden Knien gebremst hat, und als er sich umdreht und Fritz erblickt, wie er auf ihn zu läuft, da plärrt er noch viel lauter.

      Fritz aber nimmt das gar nicht so wahr. Er rast an Edgar vorbei, stürmt zur Schubkarre, stellt sie hin, hebt Pommes-Paul hoch und hievt ihn, ganz alleine und ohne dass er sich bewusst darüber wird, wo er die Kraft eigentlich hernimmt, in die Karre.

      Er betrachtet den Straßenbelag: Kein Blut. Nur ausgelaufenes Bier. Die Flasche hat erstaunlicherweise nichts abbekommen.

      Er betrachtet Paul: Die Sonnenbrille ist hin, aber was soll’s. Sieht irgendwie sogar noch echter aus. Fritz hebt die Karre an und marschiert los. Er sagt kein Wort. Blickt sich nicht um. Lässt Edgar einfach stehen.

      Jetzt schaut Edgar so enttäuscht wie ein Vierjähriger, der sich solche Mühe beim Plärren gegeben hat, aber damit leider gar keinen Erfolg bei Mami hatte, und rennt Fritz nach. Da öffnet sich rechts über ihm ein Fenster. „Ey, ihr seid doch die beiden Gärtner von oben vorm Schloss!“

      Edgar hat das Gefühl, trotz der Sommerwärme einzufrieren. Er dreht sich um und sieht nach oben. „Morgen!“, ruft er und schickt ein Grinsen hinterher.

      „Wat habt ihr denn da in der Karre?“

      „Nix!“, ruft Fritz nur und geht weiter. Er hat jetzt fast die Islandstraße erreicht und bleibt stehen. „Edgar, kommst du bitte?“

      „Gar nix!“, ergänzt Edgar pflichtbewusst, „ … nur … so nen Penner!“

      „Wie? Nen Penner? Und der ist euch eben aus der Karre da rausgefallen? Hab ich doch gesehen!“

      „Edgar, kommst du jetzt?“, ruft Fritz. Es ist beinahe ein Brüllen.

      Aber Edgar kann nicht kommen. Er hat das Gefühl, dem dicken Alten, der da oben im weißen Unterhemd am Fenster steht und sich mit schwabbeligen, warzenübersäten Armen aufstützt, irgendwas erklären zu müssen. Am liebsten würde er sich jetzt schnell noch einen reinpfeifen, aber er sagt lieber wieder was: „Der … lag da oben. Den ham wir schon ein paarmal gesehen, meistens stramm wie ne Haubitze. Aber heute isser einfach so vonner Bank gekippt, da ham wir uns gedacht, vielleicht bringen wir den mal lieber …“

      „Edgar!!!“

      „ … zum Arzt.“

      „In einer Schubkarre? Und du bist auch noch zu blöd, die festzuhalten und bringst den Typen hier fast um. Vor meinem Haus“, spottet der Alte.

      Fast ist gut, denkt Edgar, aber das sagt er mal besser nicht.

      „Hat der sich was getan?“, fragt der Schwabbelige weiter.

      Fritz dreht sich nicht mal zu dem Alten um und schüttelt nur den Kopf.

      „Nee“, antwortet Edgar. „Sogar seine Bierflasche ist heil geblieben.“

      Der Alte im Fenster nickt bedächtig. „Na, das ist ja die Hauptsache, woll.“

      „Mhm.“

      „Na denn, gute Fahrt.“

      Der Alte wendet sich vom Fenster ab, Edgar dreht sich ebenfalls um und will gerade losgehen, da hört er die raue Bollerstimme von oben noch einmal. „Sag mal …“

      Edgar hält kurz inne und dreht sich dann um. „Was denn noch?“

      „Ganz ehrlich, mein Freund: Den da … hab ich hier noch nie gesehen. Und der wär mir aufgefallen. Riesenregenmantel bei 30 Grad, Sonnenbrille … ist ja schon … komisch so.“ Jetzt hat der Alte einen Blick drauf wie einer dieser Seriencops, die nie locker lassen, bis sie den Fall gelöst haben. Findet Edgar gerade