SkyDancing Tantra. Margot Anand

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Название SkyDancing Tantra
Автор произведения Margot Anand
Жанр Личностный рост
Серия
Издательство Личностный рост
Год выпуска 0
isbn 9783946959694



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winzige Wohnung war ein umgebautes Dienstmädchenzimmer – klein, aber hell. Ich war schon oft dort gewesen, um seine Gesellschaft zu genießen, seinen leidenschaftlichen Flamenco-Serenaden zuzuhören und mich in seinen Armen auszuruhen. Bis dahin hatten wir geflirtet und uns geküsst, aber ich hatte mich nicht ausgezogen und er hatte meine Grenzen respektiert.

      Jedes Mal, wenn ich bei ihm zu Hause war und mich in seine Arme kuschelte, wuchs die Sehnsucht in mir nach Freiheit und Aufbruch. Aber auch die Angst vor dem Zorn meines Vaters. Warum konnte ich nicht das Beste aus beiden Welten haben: nach außen hin die wohlerzogene Debütantin und hinter den Kulissen eine ungehemmte Frau? War die Verkostung verbotener Früchte nicht das ultimative Abenteuer?

      Ich spürte es gewiss in jenem Moment, als ich Richards Geruch einatmete: eine Mischung aus Farbe, Tabak und dem Schweiß eines Mannes, der vom Leben begeistert war. Sein Geruch war so sinnlich. Er öffnete seine Arme, ließ mich los und trat ein paar Schritte zurück.

      „Lass mich dich ansehen“, sagte er.

      Ich setzte das „hübsch-lächelnde“ Gesicht auf, das ich beim Ball zur Schau gestellt hatte, drehte mich herum und präsentierte mein Kleid. Warum fühlte ich mich in seiner Gegenwart so erhitzt und schüchtern? Bei den anderen fühlte ich mich nie so. Ich versuchte ihn mir im Smoking, als meine Begleitung auf dem Ball vorzustellen. Wie gerne hätte ich ihn dort an meiner Seite gehabt, anstatt mich zwischen zwei Welten hin- und hergerissen zu fühlen. Aber er hatte weder den Namen noch die familiäre Herkunft, das Geld oder die Manieren. Dafür war er sexy und so viel amüsanter.

      „Du bist wunderschön“, sagte er. „Eine majestätische Jeune File Bien Rangée.1

      Er knickste, lachte und gab mir einen Kuss, der durch meinen Körper direkt in meine Lenden fuhr.

      Er bot mir Wein an. Ich bat um Wasser. Er hieß mich hinzusetzen, spielte Gitarre und sang Flamenco-Serenaden, während er mir tief in die Augen sah. Ich sang mit ihm. Nach und nach begannen wir ein Duett im Flamenco-Stil, mit leidenschaftlichem Klagen und Stöhnen, wie zwei spanische Liebhaber, die sich aus der Ferne nach einander sehnen.

      Wir waren wie zwei Instrumente, die sich vor einem Konzert auf die richtige Tonhöhe einstimmen. Jedes Mal, wenn wir einen gemeinsamen Ton erreichten und ihn auf eine Melodie ausdehnen konnten, wurden unsere beiden Stimmen eins, unsere Energien wurden freigesetzt in dieser spielerischen Vereinigung unserer Seelen. Richard war so aufgeweckt und leidenschaftlich, ich fühlte mich erregt und sehnte mich danach, ihn zu berühren.

      Ich hatte ihm noch nicht gesagt, dass ich spätestens um Mitternacht zu Hause sein musste und es bereits zu spät war. Als ob er meine Gedanken oder mein Herz lesen könnte, legte er seine Gitarre beiseite und nahm meine Hand.

      „Kannst du heute Nacht bleiben?“, fragte er.

      Ich war überrascht. Er wusste, dass ich nach Hause musste. Das war bisher immer der Fall gewesen. Doch plötzlich erschien mir diese neue Idee unwiderstehlich reizvoll. Eine Nacht weg von zu Hause, jenseits von Regeln, jenseits von Grenzen.

      „Vater würde mich umbringen“, sagte ich.

      „Er muss es nicht wissen“, antwortete er.

      „Was meinst du damit?“

      „Nun, geh den Weg zurück, auf dem du hergekommen bist“, antwortete er.

      „Das könnte funktionieren“, sagte ich. „Wir haben auch zu Hause eine Dienstbotentreppe. Ich könnte sie benutzen.“

      Nach weiterer Diskussion einigten wir uns auf ein Szenario, bei dem ich um 6:00 Uhr morgens zu Hause sein würde. Nicht auszudenken was passieren würde, wenn ich aufflöge. Inshallah, wie man im Nahen Osten sagt: „Ich legte es in die Hand Gottes.“

      Dann entspannte ich mich. Er nahm mich in seine Arme, aber das Korsett meines Kleides war straff und eng. Also fing er an, den Reißverschluss zu öffnen, während er mich küsste. Ich ließ es zu. Langsam, Kuss um Kuss, Liebkosung um Liebkosung, öffnete er geschickt mein Kleid vollständig und zog es bis zu meiner Taille herunter. Es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich so nah bei einem Mann stand, während ich so spärlich gekleidet war. Wir zeigten in meiner Familie unsere Zuneigung nicht durch körperliche Berührungen. Meine Eltern umarmten sich nicht vor mir. Jetzt weckte dieser Kontakt eine solche Sehnsucht in meinem Körper, als wäre ich mein ganzes Leben lang durstig gewesen und hätte es nicht gewusst.

      Als seine Hände über meine Haut glitten, fegte seine sanfte Berührung Jahre der Verunsicherung hinweg. Seine Zärtlichkeit heilte das Gefühl, „vor Gericht“ zu stehen, beobachtet und bewertet von meinem Vater, dem Familienanwalt. Auch von meiner Mutter wurde ich selten umarmt oder berührt – sie hatte schon längst jeglichen körperlichen Kontakt aufgegeben. Ich war traurig, weil ich bei meinen Eltern lebte. Ich liebte sie, und es war diese Liebe, die es so schmerzhaft machte, bei ihnen zu sein. Meine Seele fühlte sich in ihrer Gesellschaft erstickt. Die Emotionen konnten nirgendwo hin: Ich wusste nicht, was ich mit ihnen machen, wie ich sie ausdrücken sollte.

      Durch das Streicheln von Richards Hand wurde all dies gelöscht, geheilt, wieder in Ordnung gebracht. Ich ertrank in Richards lächelnden Blick. Da war so viel Akzeptanz in seinen Augen, dass ich das Gefühl hatte, dass nichts Böses im Herzen dieses Mannes lauern könnte. In seinen Armen war ich sicher. Ungeachtet der Vorhaltungen, die mir zu Hause drohten, konnte ich nur meinem Herzen und meinem Körper folgen, und beide wurden zu ihm hingezogen, näher, tiefer, alle Gedanken, alle Belange der Zukunft hinter sich lassend. In diesem Moment war das alles, was zählte.

      „Ich liebe dich“, flüsterte er.

      „Ja“, sagte ich, „und ich liebe dich.“

      Diese Worte. Wir hatten sie in jedem Lied gehört, im Radio, im Kino. Aber jetzt gehörten sie uns. Sie meinten: „Du bist derjenige, mit dem sich meine Seele und mein Körper verbinden wollen.“

      Die Freude, die sich in meinem Herzen ausbreitete, ließ mich entspannen und jeden letzten Rest von Zögern vergessen. Als ich meinen Kopf zum Fenster, neben dem Bett, auf dem wir lagen, drehte, sah ich einen runden silbernen Mond hereinscheinen.

      „Heute Nacht ist Vollmond“, flüsterte Richard, seine Lippen näherten sich meinen. „Es ist unsere Nacht.“

      Ich konnte seinen Atem schmecken. Seine Lippen legten sich an meine und sein Mund öffnete sich, genau wie meiner, und unsere Zungen trafen sich und wir tranken tief voneinander. Meine Wirbelsäule begann zu zittern und zu beben, als der Kuss einen elektrischen Reflex auslöste und ein Stromstoß meinen Rücken hinunter bis zu meinem Kreuzbein jagte. Jetzt wusste ich, dass es kein Zurück mehr gab. Ich hatte mein ganzes Teenagerleben lang auf diesen Moment gewartet und über die Umstände, die Zeit und die Art und Weise fantasiert, wie ich eine Frau werden würde.

      Nun würde ich endlich auf diese so genannte kostbare Jungfräulichkeit verzichten, kostbar zumindest in den Augen meines Vaters, da er es liebte zu wiederholen: „Denk immer daran, bleibe Jungfrau, bis du heiratest, sonst verlierst du den Respekt der Männer.“ Was für ein lästiger Zustand, dieses Bemühen, eine Jungfrau zu sein, um die Anerkennung anderer zu erlangen. Wozu sollte ich schließlich den Respekt eines anderen brauchen? Ganz sicher war meine Selbstachtung genug.

      Mit jedem köstlichen Kuss erwachte in mir etwas Unbekanntes und Mächtiges. Jede Liebkosung war eine Offenbarung, eine Befreiung. So wie Richard das Kleid von meinem Körper gestreift hatte, so durchbrach seine liebevolle Berührung den Schutzpanzer, der mein Herz abschnürte, heilte es und löste den Knoten in meiner Seele.

      Plötzlich ein Zögern. Ich wusste, warum: Bis jetzt hatte ich einem anderen Mann gehört. Meinem Vater. Es war mein Vater, der mich mit sechzehn Jahren in das Pariser Nachtleben eingeführt hatte. Es war mein Vater, der mich zum Tanzen in die Diskotheken mitgenommen hatte. Wenn wir seine Freunde trafen, wies er mich an, ihn bei seinem Namen Boris zu nennen. Er wollte nicht, dass jemand wusste, dass ich seine Tochter war. Er mochte es, wenn die Leute dachten, ich wäre seine Freundin. Darin lag etwas Ungesundes und Einschüchterndes, und im Laufe der Jahre war Vater ungewöhnlich beschützend und besitzergreifend geworden, als wäre