Seewölfe - Piraten der Weltmeere 602. Sean Beaufort

Читать онлайн.
Название Seewölfe - Piraten der Weltmeere 602
Автор произведения Sean Beaufort
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783966880169



Скачать книгу

in die Seelen gießen.“

      „Nimm’s Bier mit!“ rief ihm der Gambiamann nach. Er setzte sich neben Nils, und der Pfarrer drückte die geschnitzte und bunt bemalte Tür zu.

      Rukka kratzte sich im Genick, fuhr unsicher mit den Fingern durch seinen blonden Bart und brummte endlich: „Kaum seid ihr das gibt’s Krach. Aber die Reiter wären auch so erschienen. Sie konnten nicht wissen, daß ihr einlauft.“

      „Es wird sich alles klären lassen“, meinte der Seewolf und leerte den Humpen. „Ich gehe zum Schiff. Dort ist jetzt, denke ich, mein Platz.“

      „Bin auch gleich dort“, versprach Rukka.

      Hasard legte einige Geldstücke auf den Tisch und bückte sich unter dem niedrigen Türrahmen. Draußen atmete er tief ein und schaute sich um. In den Nischen vor einem halben Dutzend Hausmauern brannten Öllampen. Über dem Meer hing dichter Nebel, der langsam über die Dünen und Deiche kroch. Hasard junior stand am Ende des Steges und deutete in die Richtung der Fjord-Halbinsel.

      „Von dort oben ist etwas zu sehen, Dad!“ rief er.

      Auf der Kuhl saßen etwa zwanzig Seewölfe und balancierten Schüsseln und Teller auf den Knien. Durch knirschenden Sand ging der Seewolf zur Anhöhe hinauf. Die Gewächse, die er nicht erkannte, rochen stark und aromatisch. Neben dem Pfarrer, der eine schwere Lampe trug, stand Ferris Tucker. Er winkte. Das Licht aus der Lampe war zu grell, Hasard schirmte es mit der Hand gegen seine Augen ab.

      „Sieben Fackeln habe ich gezählt“, sagte der Pfarrer. „Also werden uns nicht mehr als zehn Reiter besuchen. Eine Nacht der Aufregung, Lupus maris.“

      „Auf Latein kenne ich unseren Namen noch nicht“, brummte Ferris Tucker.

      Der Seewolf lachte. Der Weg, auf dem sich die Reiter näherten, lief in unzähligen Windungen zwischen Hügelchen und Waldstücken hindurch. Die winzigen Lichter verschwanden oft und tauchten an unvermuteten Stellen wieder auf, zogen sich auseinander und rückten wieder auf Kurze Zeit später war durch den leise orgelnden Wind und das unablässige Rauschen des Wassers fernes Hufgetrappel zu hören.

      „Ich glaube nicht, daß es Ärger gibt“, sagte der Pfarrer.

      Der Seewolf widersprach. „Deine Bauern, Hochwürden, müssen die Pferde füttern und den Soldaten Quartier geben. Wenn sie eure Frauen belästigen, ruft uns. Wir nehmen ihnen die Anstrengung ab.“

      „Das ist eine außerordentliche Feststellung“, erwiderte Marian und lächelte leise in sich hinein. „Man kann sie mehrfach deuten und mindestens auf zwei Arten verstehen.“

      „Genauso habe ich es gemeint“, sagte Hasard.

      Als es dunkel zu werden begann und der klamme Nebel aus allen Richtungen der Windrose auf ihn eindrang, fing Bonger Oluvsen sich zu fürchten an. Er ahnte, daß es für ihn keine Rettung mehr gab, wenn nicht ein Wunder eintrat. Und seit König Kristian der Dritte vor zweiundsechzig Jahren den protestantischen Glauben eingeführt hatte, gab’s keine Wunder mehr.

      Das jedenfalls hatten die katholischen Klosterbrüder so und nicht anders geschworen, mit tausend heiligen Eiden.

      Bonger steckte fest zwischen Sondervig und Thyborön, genau in der Landenge des Stora-Fjordes.

      Auf einer Seite das Brackwasser, auf der anderen die Nordsee.

      Unter dem abgebrochenen Kiel, zwischen den geborstenen Planken und im Ballast gurgelte und schäumte das Wasser. Tollerud und Einar waren tot. Dem einen hatte die Ruderpinne mit mörderischer Gewalt das Kreuz gebrochen, der andere war über Bord gegangen und in der starken Strömung ertrunken, weil er nicht schwimmen konnte.

      Bonger war allein auf seinem Wrack, und jede weitere Planke, die brach, bedeutete einen weiteren Schritt in den Untergang.

      Aber Bonger Oluvsen kämpfte. Der Kampf mit dem Wasser hatte erst vor sechs Stunden angefangen. Es war Bonger gelungen, die Lampe aufzufischen, frisches Öl einzufüllen und anzuzünden. Er hatte Licht, aber das war auch schon fast alles, was er noch besaß.

      „Nachdenken, Bonger. Nicht blind und ratlos etwas tun“, beschwor er sich selbst.

      Noch war er am Leben. Wenn sich das Boot nicht stärker bewegte, konnte er warten, bis ihn jemand fand und ihm ein Seil zuwarf. Aber da sich einer der wenigen Felsen weit und breit an Steuerbord durch den Schiffsboden gebohrt und ihn auf sieben Fuß Länge aufgerissen hatte, würden sich Planken und Spanten bald in Treibholz verwandelt haben.

      Die „Königin Thyra“, ein gutes und wetterhartes Schifflein, war von der Woge hochgehoben worden, und als die Welle sich verlief, bohrte sich in voller Fahrt der Brocken durch die Planken. Auf der Stelle hatte die „Thyra“ gestoppt. Mast und Segel gingen Augenblicke später nach dem reißenden Knallen des Tauwerks und dem Bersten der Holzteile über Bord.

      Und jetzt spülte und riß die Strömung einen Ballen und Packen nach dem anderen aus dem Laderaum.

      Der Fluß, die Stora, die durch Holstebro floß und den Fjord füllte, führte gutes Wasser. Der Durchlaß zwischen zwei schmalen, sandigen Landzungen war nicht ungefährlich, für die „Königin Thyra“ aber der schnellste Weg, um die Küstenfahrt antreten zu können. Sondervig, Hvide Sande, Nymindegab, dann Henne Strand und Fanö wären die Ziele gewesen.

      Beide Landzungen waren unbewohnt.

      Im Fjord fischten die Männer nur selten.

      Sondervig war fünfzehn Meilen weit entfernt. An beiden Seiten des Wracks betrug die Entfernung bis zu einer Stelle, an der man an Land gehen konnte, etwa eine Kabellänge.

      Wieder bewies ein grausam lautes Krachen, daß Planken losgerissen wurden und das Leck sich vergrößerte.

      Leider führte die „Thyra“ kein Beiboot mit.

      Bonger Oluvsen war groß und stark, ausgeruht und nicht einmal hungrig. Der größte Teil seiner Vorräte, auch die Wasserfäßchen, befand sich in den Kisten auf dem Achterdeck, vier Fuß über dem Wasser und sicher. Noch! Lenzen war sinnlos.

      Das Salzwasser brannte auf den vielen Abschürfungen, der Schädel brummte vom Aufschlag auf die Planken, und die salzige Nässe der Kleider kniff und biß in den Körperfalten und unter den Achseln.

      „Die Lampe“, brummte er, dann schrie er sich selbst gegen die rauschende Brandung die Worte zu. „Darf nicht ausgehen. Nachts ist sie hell. Am Tag kann ich Lumpen anzünden und mit Rauch Signale geben.“

      Er riß eine Kiste auf, bändelte die Ölkanne fest und schlug Knoten um den Haltering der Lampe und um die Pinne.

      „Und wenn ich Planken herausreiße und ein Floß baue? Über Spanten könnte ich es zusammennageln.“

      Er sagte sich: „Zuerst nachsehen.“

      Zwischen dem Heck und dem Bug, jeweils durch Schotten abgetrennt und beplankt, befand sich die offene Ducht. Das Leck war an Steuerbord, fünf Fuß hoch stand das Wasser im Schiff.

      Herrschte jetzt Flut? Ebbe? Die Zeit dazwischen?

      Wenn jetzt die Ebbe ablief, sank das Wasser ein wenig in dem Fjord. Nach Mitternacht kippte die Tide, dann war das Wasser ruhig geworden. Und danach stieg es wieder.

      „Nägel?“

      Er hatte Werkzeug dabei. Ein großes Paket Nägel war nicht in der Last, zusammen mit den anderen Waren, sondern in der Kiste verstaut. Er fand sie, einen mittelschweren Hammer und eine Säge.

      Und schon fing er zu arbeiten an. Er sprang hinunter ins Wasser und fischte die treibenden Holzteile heraus. Planken, die Teile der Laufplanke, andere Stücke: Lukendeckel und immerhin vier von den Paketen, die er heben konnte. Sie waren gut verpackt und schwammen in der schwarzen Salzbrühe. Mit dem Unterarm maß er die Länge der fehlenden Planken, die er gegennageln mußte.

      „Arbeit für ein paar. Tage“, sagte er laut, froh darüber, daß er etwas tun konnte. Einige Zeilen eines Wikingerliedes fielen ihm ein, und während er auf dem schwankenden Wrack die erste Planke in die richtige Länge brachte,