Название | Seewölfe Paket 26 |
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Автор произведения | Roy Palmer |
Жанр | Языкознание |
Серия | Seewölfe - Piraten der Weltmeere |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783954399949 |
Im nächsten Moment ertönte wildes Gebrüll.
„Feuert, sobald ihr sie seht!“ rief Cámpora mit durchdringender Stimme.
Er hatte die letzte Silbe kaum über die Lippen gebracht, als die Welle der Angreifer auch schon durch das offene Portal stürmte.
Die Blunderbusse und Tromblons spien ihren tödlichen Hagel aus den Fenstern.
Gehacktes Blei und scharfkantige Eisenstücke orgelten den Kerlen de Escobedos entgegen. Abermals gellten Schreie. Die Kerle, die in vorderster Reihe gerannt waren, brachen zusammen, als hätte sich vor ihnen jäh ein unsichtbares Hindernis aufgetan.
Und immer noch hämmerten die Waffen der Verteidiger ihren mörderischen Hagel in die Nacht hinaus.
De Escobedos Befehlsstimme überschlug sich draußen vor dem Tor.
„Rückzug! Hölle und Verdammnis, merkt ihr Narren denn nicht, daß es so nicht geht? Rückzug!“
Cámpora und seine Getreuen konnten sich ein Grinsen nicht verkneifen. Die schattenhaften Gestalten in der Toröffnung waren wie weggefegt. Es hatte den Kerlen nichts genutzt, das Tor zu sprengen. Sie waren keinen Deut weiter als zuvor.
Und dabei sollte es bleiben.
Die Verteidiger im Gefängnis waren entschlossen, sich bis zum letzten Blutstropfen zu verteidigen. Aber sie wußten auch, daß sie eine reelle Chance hatten, ihre jetzige Position zu halten.
Wieder war eine der Detonationen aus Richtung der Stadt verhallt.
„Ich bin jetzt ganz sicher“, sagte Jörgen Bruhn. „Das kam aus Richtung des Gefängnisses.“
Jussuf nickte.
„Ich halte das nicht mehr aus“, sagte er dumpf. „Himmel, wir müssen doch wissen, was los ist!“
Arne schüttelte energisch den Kopf.
„Du bist verrückt. Es wäre Selbstmord, jetzt auf die Straße zu gehen. Ich kann das beim besten Willen nicht verantworten.“
Der Türke hob den Kopf und lächelte auf einmal.
„Hör mir zu, Arne. Du bist zwar mein Dienstherr, und ich akzeptiere dich als solchen, das weißt du. Aber ich verlange nicht von dir, daß du die Verantwortung für mich übernimmst. Tu mir den Gefallen und laß mich diesmal aus freien Stücken entscheiden. Jörgen ist mein Zeuge, daß du nicht schuld bist, wenn mir etwas zustößt.“ Er verzog sein dunkelhäutiges Gesicht zu einem listigen Grinsen. „Abgesehen davon wird mir sowieso nichts passieren.“
„Darf ich mich in ein Männergespräch einmischen?“ fragte Isabella Fuentes mit verschmitzter Miene.
Arne sah sie verblüfft an.
„Wann hast du das jemals nicht gedurft? Sagt mal, seid ihr alle verrückt geworden?“
„Ich nicht“, sagte Jörgen Bruhn trocken. „Ich habe einen völlig klaren Kopf, und ich weiß schon, daß unser Taubenvater so lange herumquengeln wird, bis wir es nicht mehr ertragen können.“
„Genau das wollte ich auch sagen!“ rief Isabella empört. „Mein Kopf ist nämlich auch klar.“
„Bei so viel Fürsprache“, sagte Jussuf und lehnte sich zurück, „brauche ich selbst nicht einmal mehr nach Argumenten zu suchen. Du hast es gehört, Arne. Ich verspreche dir, daß ich so vorsichtig sein werde wie noch nie.“
„Also gut“, sagte Arne von Manteuffel seufzend. „Ich weiß, ihr werdet mir zu dritt einheizen, wenn ich mich weiter auflehne. Verschwinde schon, Jussuf. Aber wehe, du bist nicht spätestens vor Hellwerden mit Neuigkeiten zurück!“
Der Türke war bereits aufgesprungen.
„Darauf kannst du dich verlassen“, sagte er mit einer tiefen Verbeugung.
Zehn Minuten später schlüpfte er in der zerlumpten Kluft eines Herumstreuners aus dem Tor des Hinterhofes. Die Seitengasse war so leer wie die ganze Umgebung, und er konnte ungehindert und zügig in Richtung Stadt und Gefängnis vordringen.
Schon tagsüber hatte sich für Arne und seine Gefährten bestätigt, daß es tatsächlich einen Aufschub für sie gab. Deutlich war herauszuhören gewesen, daß sich der Schauplatz des Geschehens zum Gefängnis verlagert hatte.
Und es hatte einen weiteren Grund zu wenigstens etwas Erleichterung gegeben.
Bei Dunkelheit, noch vor Mitternacht, war der Täuberich Izmir in seinen Schlag auf dem Hinterhof der Faktorei eingefallen. Aufatmend hatten Arne und seine Leute Hasards Nachricht gelesen, daß drei Schiffe des Bundes der Korsaren mit Kurs auf Havanna in See gegangen seien.
Es blieb also nur zu hoffen, daß man die Zeit bis zum Eintreffen der Freunde vom Bund der Korsaren unbeschadet überstand.
Jussuf hatte sich für seine nächtliche Erkundung bestens gerüstet. Unter seinem zerlumpten Umhang verborgen, hatte er Rumflaschen bei sich, die er alsbald im belebteren Teil des Stadtgebietes gezielt einsetzte, um Zungen zu lockern. Daß sich das offenbar turbulente Geschehen in der Tat beim Gefängnis abspielte, erfuhr er als erstes und ohne große Mühe.
Zusammen mit Schaulustigen, die sich der Verlockung seiner noch halbvollen Rumflasche ergaben, zog er weiter auf das Gefängnis zu und hörte so manchen Gesprächsfetzen der Kerle in den Hauseingängen mit.
Später, in einer Gruppe von verkommenden Gestalten, erfuhr er Einzelheiten, nachdem er seine zweite Flasche Rum hervorgeholt hatte. Die meisten hatten ihre erbeuteten Vorräte an Schnaps längst konsumiert, und es wurde immer schwieriger für sie, noch an den umnebelnden Stoff zu gelangen.
Niemand anders als der sehr ehrenwerte Alonzo de Escobedo, so erfuhr Jussuf, steckte hinter den Aktionen – gemeinsam mit dem schlitzohrigen Hundesohn Gonzalo Bastida. Einleuchtend, daß man die Gefangenen befreien wollte, um Verstärkung für den Sturm auf die Residenz zu erhalten.
Ebenso wie die lungernde Meute der Gaffer bemerkte auch Jussuf sehr bald, daß sich de Escobedos Kerle an dem Gefängnis die Köpfe einrannten. Aber so etwas wie Disziplin kannte dieser wilde Haufen schon gar nicht. De Escobedo hatte offenbar erhebliche Schwierigkeiten, mit den Kerlen überhaupt fertig zu werden. Offenbar konnte er nicht begreifen, daß eine solche Horde von Galgenvögeln mit anderen Maßstäben zu messen war als gehorsame Milizsoldaten oder Stadtgardisten.
Um ein wirklicher Anführer solcher zügelloser Horden zu werden, mußte de Escobedo noch eine Menge dazulernen.
Er konnte nicht verhindern, daß sich einige seiner Kerle einfach absonderten. Sie begriffen offenbar nicht, zu was der Sturm auf das Gefängnis eigentlich gut sein sollte. Für etwas nicht Greifbares die Knochen hinzuhalten, schien ihnen nach den vielen vergeblichen Angriffen nicht mehr vernünftig zu sein. Da war es schon besser, wieder auf eigene Faust auf Raubzüge zu gehen.
Es waren die Plünderer-Typen, jene miese Sorte zweibeiniger Ratten, die sich lieber dort etwas holten, wo sie nicht durch Widerstand oder sonstige Unannehmlichkeiten gestört wurden. Und sie hatten ein reiches Betätigungsfeld, denn alle Häuser waren von ihren Bewohnern geräumt worden.
Mit einem Bündel von Neuigkeiten kehrte Jussuf vor dem Morgengrauen in die Faktorei zurück.
Zu diesem Zeitpunkt, als er Arne, Jörgen und Isabella schilderte, was er herausgefunden hatte, war das Gefängnis immer noch ein trutziges Bollwerk gegen den Ansturm der wilden Horden.
Doch die Lage blieb weiterhin ernst.
Jussuf war nicht entgangen, daß das Lumpenpack weiteren Zulauf erhielt. Der Aufruhr in Havanna hatte sich rasend schnell herumgesprochen – vor allem, daß es in der Stadt noch immer etwas zu holen gab …
ENDE