Mordsmäßig heilig. Barbara Merten

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Название Mordsmäßig heilig
Автор произведения Barbara Merten
Жанр Ужасы и Мистика
Серия
Издательство Ужасы и Мистика
Год выпуска 0
isbn 9783969010204



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sagtest du? Komm mal her. Ich bin gerade bei 15.15 Uhr. Da marschieren zwei Männer im Mittelgang hoch.« Cop drehte den Bildschirm ein wenig in Schneiders Richtung. »Tatsächlich! Die biegen nach links ab, ins Johanneschor! Im Seitenschiff ist dummerweise keine Kamera.«

      Sie starrten auf den Film, der ruckartig über den Bildschirm lief.

      »Mathilde faselte heute Mittag was von Zwillingen. Jetzt versteh ich sie. Die sind gleich angezogen. Ob sie gleich aussehen, kann man allerdings nicht erkennen.«

      »Ja, hinter dem Maulkorb können sich Diebe gut verstecken, ohne dass es auffällt. Scheiß Corona!«, fluchte Cop.

      Sie ließen den Film weiterlaufen. Es dauerte eine Weile, da erschienen die Männer wieder. Sie trugen ein scheinbar schweres Teil, das in eine Decke gewickelt war, gingen damit zum Behinderteneingang der Kirche hinaus.

      »Das war´s. Nicht sehr aufschlussreich. Wir wissen nicht mal, welche Farbe deren Klamotten hatten«, sagte Cop enttäuscht.

      Schneider wog den Kopf hin und her. »Das wird mir Mathilde erzählen. Die hat sie ja gesehen, und einen Blick für Kleinigkeiten hat meine Frau. Was glaubst du? Waren das dieselben wie in Germershausen oder gibt es da eine Bande, die unsere Kirchen ausräumt?«

      Cop zuckte die Achseln. »Maybe. Ehrlich. Ich hab keine Ahnung.«

      »Vielleicht kann uns die Frau aus Germershausen weiterhelfen. Drück die Daumen, dass sie wieder auf die Beine kommt. Zumindest hat sie was von einem ›Alfred‹ gefaselt. So könnte einer der Diebe heißen. Morgen früh machst du dich gleich ans Recherchieren. Ich will wissen, wer die Frau ist, wie viel Kinder sie hat, wer ..., wo ..., was …. Alles, einfach alles.«

      Cop stand auf, salutierte und sagte mit militärischem Gehabe: »Aye, aye Käpt’n!«

      »Verrückter Hund! Du bist nicht mehr bei der Marine, mein Lieber«, kommentierte Schneider und knuffte den Kollegen kopfschüttelnd grinsend an die Schulter. »Machen wir Schluss. Ich hab zu Hause noch einiges zu klären.«

       Unsere Gegenwart und unsere Vergangenheit sind die Steine,

       aus denen wir unser Leben bauen.

      – Henry Wadsworth Longfellow –

      Gegen zwanzig Uhr bogen Jan und Fredde hinter Nesselröden rechts in den Betonweg, der hoch zum Campingplatz am Waldrand führt. Auf der Ladefläche des Pick-ups rutschte die Kiste Bier, die sie noch schnell in Duderstadt gekauft hatten, von einer Seite zur anderen.

      »Wenn du so weiterfährst, haben wir nur noch Schaum statt Bier in den Flaschen. Wir hätten die Kiste festbinden sollen«, bemerkte Fredde.

      »Ja, ja, ich weiß. Hätte – müssen. Aber ich bin durch für heute, total fertig. Du etwa nicht?« Jan zog eine Grimasse. »Dass wir die geklauten Sachen auch noch in diese Karsthöhle bringen mussten, war ja wohl der Hammer und nicht vereinbart. Es war abgemacht, dass wir sie nur in die Scheune legen. Immer gibt es einen Haken und wir müssen mehr fürs Geld tun. Ein Arschloch ist das, wenn du mich fragst.«

      Fredde nickte: »Du hast recht. Ich hätte nicht gedacht, dass wir sie durch den Höhleneingang kriegen. Was will der mit den Sachen da unten? Woher kennt der Chef die überhaupt, und wie kann er sicher sein, dass da keiner rein geht und alles klaut?«

      »Hast du das Schild nicht gelesen? Da stand doch drauf, dass die Untersuchungen zu den Höhlen 2011 abgeschlossen wurden. Seitdem ist der Zutritt wegen Steinschlag streng verboten. Da darf niemand mehr rein«, erklärte Jan.

      »Hab ich nicht gelesen. Dann ist es ein gutes Versteck. Darauf kommt nie einer. Aber die Höhle war echt toll, gar nicht so duster, wie ich mir das vorgestellt habe. Hoffentlich müssen wir die Sachen nicht wieder rausholen, wenn er einen Käufer hat. Zumindest haben wir das Geld gekriegt. Soll ich mal nachgucken, ob er uns nicht doch übers Ohr gehauen hat?« Fredde klopfte auf den gepolsterten, großen Briefumschlag, der mit Folie rundum verklebt war. »Fühlt sich gut an.«

      »Ja, mach auf «, forderte Jan.

      Es dauerte eine Weile, bis Fredde etwas vom Klebeband gelöst und den Umschlag ein Stück weit geöffnet hatte. Er fasste hinein. Seine Erschöpfung wich einem Aufbrausen. »Ey, da ist nur eine Schachtel ›Mon Cheri‹ drin!«, rief er entrüstet, zog sie raus und fasste erneut in den Umschlag. Ein Grinsen machte sich in seinem Gesicht breit. »Hier, willste sehen?« Erleichtert wedelte er mit einem dicken Geldbündel vor Jans Gesicht. »Lauter Fünfhunderter! Ich dachte, die gibt’s nicht mehr!«

      »Siehste doch, dass es die gibt. Die drucken nur keine neuen mehr seit Ende 2018. Die alten bleiben aber gültig. Jau! Jetzt starten wir durch. Weihnachten feiern wir in unserem Haus!«, jubelte Jan und trat aufs Gas. Mit quietschenden Reifen bog er auf den Campingplatz.

      »Pass auf!«, schrie Fredde, als er auf den alten Wohnwagen zusteuerte. Jan bremste, es knirschte. Dann kam der Wagen zum Stehen. In eine Staubwolke gehüllt, stiegen sie aus. Fredde betrachtete die Beifahrertür. »Bist du irre? Guck dir das an! Du bist an der Anhängerkupplung vom Wohnwagen langgeratscht.«

      »Scheißegal. Ist eben der Lack ab.« Jan klappte die Fahrertür heftig zu. »Ich bin fix und knalle«, grummelte er erschöpft.

      Vom Nachbarplatz tönte aufgebracht eine Frauenstimme: »Ich glaube, ich spinne! Ihr wirbelt ja den ganzen Dreck auf. Wollt ihr meine Wäsche noch mal waschen?«

      Fredde rollte mit den Augen. »Sorry Mandy. Jan hat immer noch zu viel Temperament, obwohl wir einen harten Arbeitstag hatten. Soll nicht wieder vorkommen!«, beschwichtigte er und schaute über die Ligusterhecke.

      »Temperament im Bleifuß vielleicht. Mehr aber nicht. Der soll mal rüber kommen. Ich zeig ihm gern mein Temperament.« Mandy hob den Stinkefinger, ließ ihn aber gleich wieder sinken, schluckte den Ärger runter und sagte einlenkend: »Was soll´s? Warum reg ich mich über euch zwei auf? Lasst uns lieber einen schönen Abend machen. Bei mir gibt´s heute Pilzomelette. Habt ihr Hunger?«

      Jan streckte sich und schaute über die Hecke.

      »Nee Mandy, heute nicht. Dass du genug Temperament für zwei hast, ist mir klar, aber bei uns langt´s heute nicht mehr, meine Liebe. Wir sind durch. Morgen Abend. Okay?«

      Als er jedoch die hübsche Frau mit ihren Rundungen im knappen Bikini betrachtete, preschte sein Testosteronspiegel nach oben. Er warf ihr einen schmelzenden Blick zu, atmete tief durch und schob ihr die Schachtel mit den Mon Cheris, die er sich unter den Arm geklemmt hatte, über die glatt geschnittene Hecke.

      »Hier, ein Trostbonbon. Damit kannst du dir den Abend versüßen, meine Zuckerschnecke!«, säuselte er augenzwinkernd und schickte ihr einen Kuss rüber.

      »Feiglinge! Und ich hab extra mit dem Pilzomelette auf euch gewartet, ihr Schwächlinge. Aber Danke für den Nachtisch! Hm, lecker!« Kokett winkte Mandy mit den Pralinen und verzog sich in ihr Domizil.

      In den Ferien und an freien Wochenenden wohnte sie hier und war nebenan auf dem Pferdehof als Reitlehrerin tätig. Sonst lebte sie in Göttingen und arbeitete als Krankenschwester im Klinikum. Leider reichte der Verdienst nicht, um sich ein eigenes Pferd zu leisten. Doch durch eine Zusatzausbildung im therapeutischen Reiten hatte ihr der Verein ein Pferd zur Verfügung gestellt, das sie wie ihr eigenes betrachtete.

      Fredde und Jan kannten sie seit vorigem Sommer. Da hatten sie in dem alten Wohnwagen eine günstige Bleibe gefunden und sich mit der stets gut gelaunten jungen Frau von nebenan angefreundet. Tagsüber ging jeder seiner Arbeit nach. Nach Feierabend bauten die Brüder Stück für Stück den Rittmannschen Hof unten im Dorf wieder auf. Oftmals, wenn sie abends erschöpft auf den Campingplatz kamen, hatte Mandy für sie mitgekocht. Kochen war neben der Liebe zu Pferden ihre zweite Leidenschaft. Und es war gut, wenn sie nicht alles allein essen musste, denn ihr Hüftgold nahm inzwischen Dimensionen an, die ungut zu einem Reitpferd passen.

      Jan und Fredde