The Rolling Stones. Stanley Booth

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Название The Rolling Stones
Автор произведения Stanley Booth
Жанр Изобразительное искусство, фотография
Серия
Издательство Изобразительное искусство, фотография
Год выпуска 0
isbn 9783854456353



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Mick hielt eine kleine Rede, die Fragen versiegten und Mick sagte: „Danke vielmals, Leute.“ Und dabei klang er wie Merriman Smith, der verstorbene Pressesprecher des Weißen Hauses, beim Beenden einer Pressekonferenz des Präsidenten.

      Die Stones verließen den Saal. Am Ende hatte Mick noch betont: „Wir machen diese Tour nicht des Geldes wegen, sondern weil wir in Amerika spielen und eine Menge Spaß haben wollen. Mit diesen ganzen wirt­schaftlichen Angelegenheiten haben wir echt nichts zu schaffen. Ich meine, man ist entweder ein Sänger und das alles oder man ist ein verdammter Ökonom. Es tut uns leid, wenn es sich einige Leute nicht leisten können, zu unseren Konzerten zu kommen. Aber wir wüssten nicht, dass diese Tour teurer als andere ist. Ihr werdet uns in dieser Hinsicht auf dem Laufenden halten müssen.“ Das wirkte wie ein ernsthafter Schritt, da die Stones es bisher immer vermieden hatten, sich von anderen Leuten sagen zu lassen, was sie zu tun hätten.

      Steckler, Sandison, Jo und ich trafen die Stones in der Suite von Bill Wyman, wo es im Wohnzimmer um die nicht unwichtige Frage ging, ob die Stones vor dem Start der Tournee eine Single aus dem neuen Album veröffentlichen sollten. Steckler schlug vor, die auf dem Album enthalte­ne Countryversion von „Honky Tonk Women“, ihrer letzten Single, zu veröffentlichen, womit sie die erste Band würden, die den gleichen Song zweimal hintereinander auf den Markt brachte.

      Jagger schlug vor, den Titelsong „Let It Bleed“ herauszubringen, „wenn ihn irgendwer im Radio spielen würde“.

      „Nicht mit diesem Text“, sagte Jo.

      „Na ja, der ist nicht einfach nur ordinär, ich mein’, der ist zweideutig“, sagte Mick.

      „‚If you want someone to cream on, you can cream on me‘ ist ziem­lich eindeutig“, sagte Jo.

      „Wir müssen uns auch darauf einigen, mit welchen Presseleuten du sprechen wirst“, meinte Steckler und nannte etliche regelmäßig erschei­nende Zeitschriften, die um Interviews ersucht hatten.

      „‚Saturday Review‘, was ist das für ’n Blatt?“ fragte Mick.

      „Das stumpfsinnigste Magazin in ganz Amerika“, sagte ich. „Stumpf­sinniger als die ‚Saturday Evening Post‘. Stumpfsinniger als ‚Grit‘.“

      „Das geht dann in Ordnung.“

      Das Meeting war kurz; nichts wurde beschlossen – außer zu ver­suchen, ein paar weitere Tage am Leben zu bleiben. Keine Strategie, kein Plan.

      Nach unserer Rückkehr ins Oriole-Haus und einem Lunch aus Schin­kensandwiches und Bier besuchten Steckler, Sandison und ich das Haus im Laurel Canyon. Ein untersetzter junger Mann namens Bill Belmont, der zu Chip Monks Bühnencrew gehörte, fuhr mit uns in der Limousine mit und machte uns wie ein Reiseführer, der davon träumt, ein Presse­sprecher zu sein, auf die Sehenswürdigkeiten aufmerksam: „Die Hütte dort, das ist Frank Zappas Haus, hat einmal Tom Mix gehört. Das Haus, zu dem wir hinfahren, wo jetzt die Stones sind, gehörte einmal Carmen Miranda und danach Wally Cox, und dann hat es Peter Tork von den Monkees gehört, und jetzt gehört es Steve Stills. Auch David Crosby hat dort eine Weile gelebt. Ich kann euch alles erzählen. Habt ihr den Artikel über die Doors im ‚Rolling Stone‘ gelesen? Der ist eigentlich von mir, denn ich hab’ dem Typen den ganzen Artikel erzählt. Er hat nur aufgeschrie­ben, was ich gesagt habe.“

      An einer unbefestigten Straße am Abhang des Laurel Canyon befand sich zwar ein Tor, aber es war offen, und wir fuhren hinauf, umgeben von den dunkelgrünen Wänden des Tals. Das Haus war aus Stein, hatte einen Swimmingpool und eine große gepflasterte Auffahrt, in der zwei Limou­sinen und zwei Mietwagen parkten. Vom hinteren Ende des Hauses her konnte man über den Pool die gedämpften Klänge von elektrischen Gitarren und einer Mundharmonika hören.

      Neben der Auffahrt wuchs ein Zitronenbaum und die Clowns, in deren Gesellschaft ich mich befand, vergnügten sich damit, Zitronen ab­zureißen und herumzuwerfen. Nur um mich nicht auszuschließen, warf ich auch eine oder zwei Zitronen, aber ich komme aus einem Ort, wo die Leute arm, aber stolz sind, und ich habe keine Freude daran, mit Essen zu werfen – es sei denn, ich will jemanden damit treffen.

      Nach einer Weile gingen wir ins Haus, einem Räubernest aus Holz, Leder und Stein, mit Steinböden, einem großen steinernen Kamin und nichts, was dem Ganzen einen etwas weicheren Touch gegeben hätte. Die Küche verfügte über einen Kühlschrank, der so groß war wie jene in den Läden von Arbeitercamps bei Ölbohrstellen, nur dass in diesem hier an­stelle von Schweinehälften und Riesenorangen Bier eingelagert war. Wir tranken ein paar Heinekens und warteten auf das Ende der Probensession. Belmont, Steckler und Sandison hingen auf Sesseln faul im Wohn­zimmer herum. Ich hatte keine Ahnung, warum sie eigentlich hier waren. Ich war gekommen, um mit Keith und Mick über den Brief zu reden, den ich benötigte, um einen Verleger zu finden, weiterleben zu können, ein Buch zu schreiben. Ich legte mich auf eine Ledercouch, schaute zum Fenster hinaus und sah ein kleines braunes Rehkalb, das den Abhang her­abkam.

      Die Musik im hinteren Teil des Hauses hörte bald auf und die Stones kamen aus dem Proberaum. Ich folgte Keith in die Küche. Er öffnete eine 35-Millimeter-Filmdose, entnahm ihr mit einem kleinen Löffel ein Häuf­chen weißer Kristalle und bemerkte mich erst, als er den Löffel schon halb am Ziel hatte. Seine Hand hielt inne, ich sagte: „Erwischt“, und er zuckte die Achseln, hob den Löffel und schnupfte. Dann fragte ich: „Ähm, Keith, was ist mit dem, äh, Buch?“

      „Ich muss mit Mick darüber reden.“

      Die Zeit verging, nichts geschah. Im Wohnzimmer lungerten die Leute noch immer herum. Keith stand da, die eine Hand locker auf seinen nach vorne durchhängenden Hüften, die andere stopfte eine Bierflasche in sei­nen Mund und ließ ihn wie ein Baby mit Nuckelflasche aussehen. Ich fand Mick direkt vor der Tür des Proberaums am Klavier sitzend vor. „Was ist mit dem Buch?“ fragte ich.

      „Ich muss mit Keith darüber reden.“

      Dann ging ich zu Keith zurück und sagte: „Hast du schon mit Mick gesprochen? Wir müssen gehen.“

      „Hey“, sagte Keith zu Mick, der gerade vorbeiging, „was ist mit die­sem Buch?“

      „Was soll damit sein?“

      Sie schlenderten in die Küche, als das Tageslicht gerade verblasste. End­lich brachen wir dann wirklich auf und ich fragte Keith: „Na?“

      „Du schreibst den Brief“, sagte er, „und wir werden ihn unterschrei­ben.“

      So weit, so gut, dachte ich, während ich, zurück im Oriole-Haus, Bouillabaisse aß. Ich hatte noch nie zuvor Bouillabaisse gegessen und sie schmeckte mir. Ich überlegte mir noch immer, was ich als nächstes tun sollte. Den Brief schreiben und sie unterzeichnen lassen. Und was dann? Werden sie mich in Ruhe lassen, um einen Vertrag abzuschließen und ein Buch zu schreiben?

      Ich versuchte, die Bouillabaisse und diese Fragen zu verdauen, während ich nach dem Dinner mit Jo, Sandison, Steckler und der Watts-Familie zusammensaß. Die Nacht war kühl und im Kamin machten vier Gasdüsen einem Haufen Holzscheite den Garaus. Ein paar Leute kamen vorbei, einer mit einer großen Phiole Koks, und so blieben, als dann alle anderen zu Bett gegangen waren, Sandison, Steckler und ich noch auf und rede­ten. Steckler enthielt sich des Kokains, war aber allein schon deshalb auf­gedreht, weil er von daheim fort war. Er war in den späten Dreißigern, im Rahmen dieser Gruppe also ein älterer Mann, und er arbeitete für Allen Klein, der als Manager der beiden beliebtesten Acts der Welt, der Beatles und der Rolling Stones, wahrscheinlich der mächtigste Mann im Showbusiness war. Aber so nahe an all dieser Macht und dem ganzen Geld wirk­te Steckler irgendwie naiv, er schien Dichtung und Wahrheit der Rock­musik für allzu bare Münze zu nehmen. Seine braunen Haare waren or­dentlich geschnitten; er hatte ein babyrosa Gesicht und aufrichtige Augen, die sicher viele unliebsame Dinge tun, aber nie jemand belügen würden.

      „Wer ist eigentlich Schneider?“ fragte ich ihn, als die Scheite zu weißem Pulver verbrannt waren und das Feuer nur noch aus vier Strahlen blauer Flammen bestand.

      „Kleins Neffe.“

      „Und außerdem?“

      „Bis vor ein