Название | Der Wünscheerfüller |
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Автор произведения | Achim Albrecht |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783942672221 |
Ihre eingebildeten Krankheiten und die zunehmende Hinwendung zu ihrem neuesten Liebhaber, einem penetrant riechenden holländischen Genever, verkürzten unsere gemeinsamen Sitzungen und verdrängten sie bald fast vollständig. Die Männer kamen weiterhin, aber sie tröpfelten nur noch herein, wo sie vor Jahren noch geströmt waren. Die Verkleidungen meiner Mutter wurden umso papageienhafter je renovierungsbedürftiger ihr Erscheinungsbild wurde. Peitschen und Dornenkronen ersetzten bunte Kissen. Harte Sitzungen blutig erkämpfter Lust trieben das Geld in die Kasse und die neue Sorte Männer war ebenso wenig zum Kopftätscheln aufgelegt wie ich.
Genau genommen hatte ich die Geldgeschäfte allmählich zu meiner Aufgabe gemacht und achtete darauf, dass die Einnahmen stimmten. Ich hielt mich weitgehend im Hintergrund und sicherte unsere Interessen ab, indem ich von den Besuchern heimlich Aufnahmen machte und ihre Taschen von überflüssigen Barmitteln befreite, wenn mein Bauchgefühl mir sagte, dass der eine oder andere winselnde Idiot den Aderlass verkraften werde, ohne Schwierigkeiten zu machen. Ein kleines Arsenal Waffen garantierte unseren Schutz und ich ließ es nicht zu, dass die sadomasochistischen Fantasien unserer Kunden meiner Mutter mehr Schaden zufügten, als die im Geschäft üblichen kleineren Verletzungen, die ihre Erwerbsfähigkeit nicht minderten und zur Steigerung ihrer Authentizität beitrugen.
Zuletzt wurde es aus wohlverstandenen ökonomischen Interessen unerlässlich, dass ich der Motivation meiner Mutter mit einem Leder überzogenen Paddel auf die Sprünge half. Man mag es meinem Ungeübtsein mit derlei Gerätschaften zugutehalten, dass die Schläge so schlecht abgewogen waren, dass meine Mutter im Ergebnis eine Zahnprothese benötigte. Ich sorgte dafür, dass sie das beste Modell bekam.
Es war die gleiche Prothese, die wie ein wütender Terrier in das Kissen biss.
Wie gesagt, ich hatte instinktiven Widerstand erwartet, vielleicht sogar heftige Gegenwehr, das Zerkratzen meiner Arme, wild um sich tretende Beine. Mir war in Bezug auf die Reinheit meiner Absichten nicht ganz wohl. Ich schwitzte in mein bestes Jackett und spürte, dass ich mir einen Fingernagel eingerissen hatte. Das waren Dinge, die nicht sein mussten. Ich war mir überhaupt nicht mehr sicher, dass es die Erfüllung des sehnlichen Wunsches meiner geliebten Mutter war, die mich zu dieser Anstrengung trieb oder doch die Tatsache, dass die peinliche Alte mir langsam dermaßen auf die Nerven ging, dass ich Schluss mit ihr machen sollte.
Seien wir ehrlich. Sie war ausgelutscht und ausgeleiert, ein ewig zugedröhntes Wrack, das nach einer kleinen Kosten-Nutzen-Analyse schlecht dastand. Sie war ein Auslaufmodell ohne Performance. Das musste man sich bei aller Zuneigung eingestehen. Sie hatte ihre Macker auf der Überholspur bedient und sich ihre Psychosen abgeholt, bis sie mit fast fünfzig in mein Kissen biss wie ein undankbares Tier, dem man Respekt einbläuen musste.
Sei es, wie es sei. Ich ziehe es vor, uns alle als Opfer widriger Umstände zu sehen. Der schlanke Junge mit dem prominenten Adamsapfel, der seinen Vater niemals kennenlernen durfte. Der zarte Junge, der in einen Ödipuskomplex hineingeboren wurde, was ihn für alle Zeiten brandmarkte und schuldunfähig machte. Der naive Junge, der nie verstehen wollte, dass seine verehrte Mutter eine Nutte auf dem absteigenden Ast war. Der hilfebedürftige Junge, der in seinem besten Anzug ein Monsterkissen auf das Gesicht seiner Mutter drückte, weil die wirtschaftlichen Verhältnisse so beschaffen waren, dass die Ersparnisse nur einem von ihnen beiden ein angenehmes Auskommen für die Zukunft sicherte. Mutterherzen waren bekannt dafür, dass sie sich gerne aufopferten. Die guten Sitten forderten es geradezu.
Und dann kam das, was ich wirklich als unfair empfand. Eine Hand der Erstickenden fand meinen Arm und versuchte flatternd und krampfend mich an sich zu ziehen. Der Stoff des Ärmels knitterte und ich gab nach. Ihre Finger fanden meinen Hals und verharrten auf meinem Adamsapfel. Ich musste unwillkürlich den Druck auf das Kissen vermindert haben, denn ihr Körper hörte auf sich aufzubäumen. Eine Welle von Rührung übermannte mich und ich musste mir eingestehen, dass mir ihre simple Geste der Zuneigung jede weitere Hilfeleistung zu ihrer Selbsttötung unmöglich gemacht hatte.
Das war mehr als ärgerlich. Ich würde den Anzug reinigen lassen müssen und der eingerissene Fingernagel schrie nach einer zeitintensiven Maniküre. Ich war Geschäftsmann und erstickte nicht aus Spaß in der Gegend herum. Mit Tränen in den Augen riss ich das Kissen von ihrem Gesicht. Sie hatte damit aufgehört hineinzubeißen. Ihre Züge waren nicht wesentlich geschwollener als nach dem Konsum einer Flasche Genever. Sie rang kollernd nach Luft und fixierte mich mit ihren dunklen Augen.
Man mag es sich nicht vorstellen, aber das undankbare Stück wandte sich hustend und japsend von mir ab. Angewidert schleuderte ich das Kissen von mir. In Gedanken ging ich den Terminkalender durch. Wenn sie sich schon nicht für eine faire Gangart entscheiden konnte, sollte sie wenigstens den nächsten Freier bedienen. Resigniert machte ich mich daran, die Wohnung und die Alte wieder auf Hochform zu trimmen. Bei der Arbeit hatte ich eine Idee für ein neues Geschäftsmodell.
Das war es, was mich zum Arschloch machte.
II.
Ich weiß noch genau, wie es damit anfing.
Die Formulierung ist absolut korrekt gewählt, denn eine Idee hatte mich gepackt und rüttelte an den Fensterläden meiner Fantasie. Gerne würde ich behaupten können, dass ich mir die geniale Eingebung erarbeitet hatte und die Neuronen in meinem Hirn schneller feuerten als bei anderen Menschen. Das ist aber nicht der Fall. Ich bin ein ganz normaler Typ. Vielleicht etwas entschlossener, etwas weniger träge und selbstgefälliger als die anderen, aber eben nichts wirklich Besonderes.
Daraus können Sie schließen, dass ich ein Pragmatiker bin. Ich tue das, was notwendig ist und ich tue es gleich. An der Schule hielt man mich für verkniffen, weil ich für die Männlichkeitsrituale pubertierender Heranwachsender keinen Sinn hatte und konsequent mein Ding verfolgte. Mein Ding war die Geschäftswelt. Im Inneren war ich immer ein Geschäftsmann. Ich tat alles, was notwendig war, um mit den bestmöglichen Voraussetzungen meine ersten Erfahrungen als Unternehmer zu sammeln. Dazu gehörte auch, dass ich den Erwerb von Bildung ernst nahm. Selbst die öden Stunden mit einem ehemaligen Militärpfarrer, der in akkurat gebügelten Hemden und Knobelbechern an den Füßen vor uns saß und über eine Ethik referierte, an die er selbst nicht glaubte, presste ich nach Erkenntnissen aus, die ich auf meinem Weg gebrauchen konnte. Bücher verschlang ich in einem Schnellleseverfahren, das es mir ermöglichte, Schlüsselsätze und interessant erscheinende Passagen in mich hineinzufressen und wiederkäuend zu verdauen. Eigentlich konnte ich zu allem etwas sagen und belebte die notenrelevanten Diskussionen der Oberstufe mit lakonisch dahingeworfenen Wissensperlen, wenn sich der Rest der Klasse in dumpfen Deutungsversuchen erschöpft hatte.
Kurz, ich war ein Klugscheißer, wie ihn die Welt noch nicht gesehen hatte und ein Opportunist aus Überzeugung. Glauben Sie mir, diesen Weg zu gehen erfordert Mut und Selbstbewusstsein und auf beides konnte ich jederzeit zurückgreifen.
Das Lesen war es auch, was die Geschäftsidee in mir zündete. Wie Sie bereits wissen, war es ein mühsames Unterfangen, die Talente meiner Mutter zum Erwerb des Lebensunterhaltes so zu koordinieren, dass die Renditeerwartungen nicht hinter der Anstrengung zurückblieben, die ich zu investieren hatte. Ständig war es notwendig, die Anreize zu erhöhen, um zu tragfähigen Ergebnissen zu kommen und ich kam mir manchmal eher vor wie ein Dompteur, der die niederen Instinkte einer Kreatur nutzte, um einen Wall von Gleichgültigkeit und Verweigerung zu durchbrechen.
Ich wusste, dass ich mir ein weiteres Standbein besorgen musste und schickte meine kreativen Geister auf die Reise durch die Gazetten. Die meisten Kleinanzeigen versprachen viel und hielten wenig. Todsichere Investments lockten mit abenteuerlichen