Название | Die Gentlemen-Räuber |
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Автор произведения | Marianne Paschkewitz-Kloss |
Жанр | Языкознание |
Серия | Lindemanns |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783963081002 |
„So, genug geschmust, mein Alter, ich habe zu tun“, brummte er liebevoll und warf einen prüfenden Blick auf das Thermostat. Es zeigte 32 Grad. Zufrieden schob er die schwere Scheibe des auf vier hohen Stahlbeinen ruhenden Glaskastens zu. Butch drehte sich um und begann, den breiten Sturz des Türstocks abzutasten, bis er einen filigranen Schlüssel spürte. Er kroch unters Terrarium. Dort, in der Wand, hatte er seinen Safe.
Seine wertvollsten Schätze waren in weiche Lappen gewickelt. Sie lagen im unteren, hohen Fach. Oben verwahrte er wichtige Dokumente wie Ausweise, Kontoauszüge, Waffenscheine und seinen Angelpass. Er griff nach dem Päckchen, das mit weichem, rotkariertem Wollstoff umwickelt war, und legte seine neueste Errungenschaft sachte frei. Sie war klein, leicht, präzise, kraftvoll, Kaliber 40. Andächtig strich er über das glatte Design der mattschwarzen Pistole. Ohne vorstehende Teile, leicht zu ziehen. Im Geist drückte er ab. Peng! Der Spanier hätte es verdient, schoss es Butch durch den Kopf. Ohne ihn wäre die anstehende Aktion nicht nötig gewesen. Der Gewinn hätte eine ganze Weile zum Leben gereicht. Wütend schlug er mit der Faust auf den Boden.
„Drehst du jetzt durch?“ Dana stand neben ihm.
Butch sah sie nicht an, fragte nur: „Browning oder Walther?“
„Browning. Und schau nochmal ins Magazin. Ich hol die Holster und den Scanner.“ Es klang kühl, routiniert.
Butch musste mehrere Stoffbündel aus der Sammlung öffnen, bevor er die Browning fand. Zu den Pistolen und Magazinen packte er noch zwei Schachteln Munition.
Dann verließ er die Kammer, nicht ohne einen prüfenden Blick aufs Terrarium zu werfen. Der Leguan hatte sich nicht von der Stelle gerührt. Seine Hinterläufe lagen wie angewinkelte Froschbeine auf dem rindenlosen Ast, die überproportional langen Krallen klammerten sich ums Holz. Zwei rotbraune Augen verfolgten Butch, als er die Tür hinter sich zuzog.
Die Fleischtüte war vom Küchentisch verschwunden, die Blutlache weggewischt. Eine langbeinige, schwarze Katze stolzierte über die abgewetzte Tischplatte und schnupperte neugierig an den Gegenständen, die da lagen. Weder die Holster – kleine Schnellziehholster mit Klettverschluss – noch der Funkscanner erregten ihre Aufmerksamkeit. Anders ein halbes Dutzend Kabelbinder. Vorsichtig stupste sie mit den Vorderpfoten gegen das Nylonbündel.
„Agata, runter vom Tisch!“ Die Katze schreckte auf, ließ von ihrem Spielzeug jedoch erst ab, als Butch sie mit einem leichten Klaps verscheuchte. Sie trollte sich durch die Katzenklappe in der Eichentür.
Butch fuhr sich mit der Hand über den Kopf und überlegte. Viel Zeit blieb nicht mehr, bis Lenka eintraf. Sie würden Danas Freundin den Hausschlüssel übergeben, sie noch einmal kurz in die Fütterung der Tiere einweisen und ihr für den Notfall eine Handynummer hinterlassen.
Butch zog die Rechnung aus seiner Gesäßtasche und fächelte sich Wind ins verschwitzte Gesicht, während er an seinen Computer ging. In einem kahlen Raum gegenüber der Couchecke ließ er sich auf einen schäbigen, ledernen Drehsessel fallen, drückte die Starttaste des Rechners, der unter einem puristisch grauen Tisch stand, und starrte auf den schwarzen Monitor. Der Passwortaufforderung seines Betriebssystems folgte er mit hämmernden Fingern. 00Aerne1. Enter. Klick. Ungeduldig wartete er auf den Aufbau des Bildes. Allmählich fügten sich Mosaike zu einer Tabelle zusammen. Er hatte sich nicht geirrt. Am 13. Juli 2010, also morgen Abend, würde Sparta Praha gegen die Letten FK Liepājas Metalurgs in der zweiten Qualifikationsrunde der Champions League spielen. Frustriert nahm Butch es zur Kenntnis. Diese Chance musste er sich durch die Lappen gehen lassen, denn er war überzeugt, Prag würde die Letten schlagen. „Verfluchte WM“, brüllte er kurz auf und loggte sich dabei aus Versehen aus. Erneut klickte er auf das WWW-Symbol. Die Kontrollleuchten des Rechners zuckten hektisch. Gereizt wartete Butch auf den Aufbau der Verbindung. Einmal mehr verfluchte er, abseits der modernen Kommunikationswelt zu sitzen. Von schneller Glasfaserkabelvernetzung waren sie in der ländlichen Einöde, in der sie lebten, noch meilenweit entfernt.
Butch trommelte mit den Fingerkuppen auf die Schreibtischplatte. Geistesabwesend beobachtete er Dana durch die offene Tür, die hin und her lief und sukzessive eine beige Sporttasche mit reichlich vielen Außenfächern und einen dunkelgrauen Rucksack auf der Couch zu packen begann. Die braune Cordcouch war noch aufgeklappt und zeugte von der nächtlichen Nutzung. Ein separates Schlafzimmer suchte man im Haus der Svobodas vergeblich.
Jeder weitere Versuch Butchs, ins Internet zu gelangen, schlug zu dieser Stunde fehl. Er ärgerte sich, dass er das Webfenster mit der Spieletabelle versehentlich geschlossen hatte. „Einmal draußen, immer draußen“, murmelte er resigniert. Weder konnte er die Überweisung ans Gemeindeamt ausführen noch rasch die Onlinezeitung überfliegen, was er täglich tat. Noch mehr Zeit wollte er an diesem Vormittag nicht vergeuden und schaltete den Rechner aus. Die Rechnung ließ er neben der Tastatur liegen.
Bevor er aus dem Raum ging, drehte er sich noch einmal um. Als hätte er es gerochen: Wieder hatte sie vergessen, den Himmel ihres Solariums herunterzuklappen! Monströs ruhte es links hinterm Schreibtisch, nah an der Wand. Dana nannte es, wie alle Tschechen, Bräunungsanlage. Wortlos drückte er das schwergängige, gewölbte Dach der Sonnenbank herunter.
„Wie weit bist du?“
„Ich stelle noch das Futter für die Tiere bereit“, antwortete Dana unaufgeregt, während sie einen Arm voll Dosen zu
kleinen Türmen auf dem Esstisch stapelte. „Soll ich noch etwas Proviant vorbereiten?“ Fragend sah sie zu ihm hinüber.
„Lass mal. Wir werden an einem Imbissstand halten“, meinte Butch und musterte Dana von Kopf bis Fuß. Er fand sie ungeheuer sexy, wie sie vor ihm stand, in hautengen Shorts und knappem Tanktop, unter dem die rote Spitze ihres BHs hervorblitzte.
Aufreizend schüttelte sie ihr halblanges, gestuftes, naturblondes Haar, und während sie die Geschirrtücher vom Gestänge überm Ofen zog, kam ihr zierlicher, fantastisch straffer Körper erst recht zur Geltung. Ein schmales, schwarzes Tribaltattoo schlängelte sich dezent um ihren rechten Oberarm.
Von einer Sekunde auf die andere gierte Butch danach, ihre zarte, bronzefarbene Haut zu streicheln, ihr Rückentattoo, jedes Blumenornament von der Schulter bis zum Steiß mit einer Fingerkuppe nachzumalen, doch schon im nächsten Moment rief er sich zur Räson. Es ging um Wichtigeres.
„Du ziehst dich sicher noch um?“
„Wenn es unbedingt sein muss. Es ist doch so heiß!“, maulte sie widerwillig.
Butch war auf dem Weg zu Radek. Er drückte die alte Eisenklinke des schweren Holztors herunter. Seinen Freund entdeckte er zwischen der Scheune und dem ehemaligen Stall im Innenhof des malerischen Vierseitgehöfts. Radek war dabei, drei frisch geschlachtete, bereits entblutete, nackte Kaninchen von den Schlachthaken zu nehmen. Diese hingen an einem leidlich gespannten, krummen Draht zwischen zwei eingerammten Holzstangen.
„Ah, Butch! Ich muss nur eben die Kaninchen kühl lagern.“ Mit diesen Worten verschwand Radek hinter der Steinmauer des alten Stalls.
Im Hof staute sich bereits die Julihitze. Von allen Vorsprüngen der abblätternden Sprossenfenster zum Hof rankten Petunien – lila, weiß und rosa leuchtend. Das war Marias Werk. Geschickt kaschierte sie mit der blühenden Pracht das brüchige Mauerwerk der alten Funktionsgebäude. Kurz zuvor hatte sie wohl gegossen, denn die Steine unter den Blumen glänzten feucht.
„Hast du was verkauft?“, erkundigte sich Butch, als Radek wieder auftauchte.
Butch kannte keinen Menschen, der mit größerer Leidenschaft Hasen züchtete. Den Grund hierfür hatte er im Lauf der Zeit erfahren. Als Radeks Familie auf Geheiß der Kommunisten sämtliches Vieh zugunsten einer Kolchose genommen worden war, hatte er mit der Hasenzucht begonnen. So hatten sie wenigstens Fleisch und Radek seine