Peng, Weihnacht am Vulkan. Helmut Ziegler

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Название Peng, Weihnacht am Vulkan
Автор произведения Helmut Ziegler
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783862871650



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wie man sich den Weihnachtsmann halt vorstellte: rote Mütze, roter Mantel, rote Stiefel mit Pelzbesatz, weißer Bart, runde Wangen, runder Bauch. Nur die Augen waren nicht ganz gelungen, sie blickten unfreundlich und waren von einem stechenden Grüngrau, wie beißender Qualm.

      »Geht früh los dieses Jahr«, sagte er und leckte weiter an seinem Eis.

      Das hatte Robert eigentlich nicht gemeint. Aber Peng hatte Recht: Die Sommerferien waren noch nicht zu Ende, er stand hier mit einer Sonnenbrille, in T-Shirt und kurzer Hose, seine nackten Füße steckten in Sandalen und in dem kleinen Rucksack auf seinem Rücken befanden sich eine Frisbee-Scheibe und ein nach Gras und Sonnencreme riechendes feuchtes Badetuch. Und zur gleichen Zeit trudelten in den Geschäften die ersten Paletten mit Christstollen, Lebkuchenherzen und Schokoladenweihnachtsmännern ein.

      »Viel zu früh«, sagte Robert leise. »Viel zu früh.«

      »Hast du was gegen Weihnachten?«, fragte Peng erstaunt. Nach Roberts Tonfall zu urteilen, fühlte sein Freund sich geradezu bedroht.

      »Ja«, antwortete Robert schnell. Er schluckte. Dann korrigierte er sich. »Nein.« Nach einer weiteren Pause sagte er: »Ach, ich weiß nicht.«

      »Das nenne ich eine klare Auskunft«, sagte Peng. »Viel mehr Möglichkeiten gibt es auch nicht.«

      »Ich finde Weihnachten schon toll«, versuchte Robert zu erklären. »Aber für meine Eltern ist es das Grauen.«

      »Was soll’s?«, meinte Peng. »Für deine Eltern ist es auch das Grauen, welche Musik du hörst. Und, vor allem, in welcher Lautstärke.«

      Robert grinste.

      Peng grinste ebenfalls. Blitzschnell stellte er mit seinen Flügeln einige Kopffedern so hoch, dass sie an einen Irokesenschnitt erinnerten. Dann ließ er sie knallrot aufleuchten, begann zu tänzeln, schwenkte seine Eiswaffel wie ein Mikrofon vor dem Schnabel und sang ein Lied, das Robert ihm schon häufig vorgespielt hatte. »Ich lieg’ am Strand / mit einem eiskalten Getränk in meiner Hand / ich hab’ ’ne Sonnenbrille auf / weil ich sie brauch’ / die Sonne scheint mir auf den Bauch …«

      Robert begann mit den Fingern rhythmisch zu schnipsen und stimmte in den Gesang ein. »So geht’s doch auch / oh-wee-uuh-huuuh-hiii-hui-hu-hu / oh-wee-uuh-huuuh-hiii-hui-hu-hu …«

      Als beide bemerkten, dass sie von einigen Passanten angestarrt wurden, brachen sie den Gesang ab und in lautes Gelächter aus.

      Wer durch gestanden hatte, was sie durch gestanden hatten, der ließ sich von ein paar glotzenden Spaziergängern nicht verwirren. Irgendwann hatten die Beiden festgestellt, dass sie – ein elfjähriger Junge und ein Pinguin – miteinander reden konnten. Mit Hilfe seiner Mutter hatte Robert Peng eines Nachts aus dem Vogelpark entführt, in dem er als einziger Humboldtpinguin unter lauter Königspinguinen lebte. Das war keine schöne Zeit gewesen, die Königspinguine hatten ihn herumkommandiert, ständig mit ihren spitzen Schnäbeln gepiekt, bis er blutete. Da Peng die Farbe seiner Federn verändern konnte, kam Roberts Mutter auf die Idee, ihn zum Star einer Werbekampagne für Fischstäbchen zu machen. Da sich aber die Farbe seiner Federn nicht so veränderte, wie es der Werbeboss Mister Glitz befahl, quälte der Peng jedes Mal. Er sperrte ihn sogar über ein Wochenende in eine dunkle Holzkiste, weil die Federn nie golden glänzten, sondern kotzgrün anliefen. Robert hatte ihn aus diesem Gefängnis befreit und sie beschlossen, Mister Glitz zu zeigen, was eine Harke ist. Peng übertraf sich selbst, die Aufnahmen klappten vorzüglich, doch dann verlangte der Werbeboss immer mehr. Außerdem drehten einige Fans durch und rissen Peng die Bauchfedern aus, die sie als Trophäe behalten wollten. Viel Mut und allerlei Tricks hatten sie gebraucht, um sich wieder aus den Fängen des Werbebosses zu befreien. Sogar ein Einbruch war dabei gewesen – aber sie hatten es geschafft.

      Nachdem sie einige Schritte weiter gegangen waren, wurde Robert wieder still. Er ging schleppend und mit hängendem Kopf. Seine Aufmunterung, so musste Peng feststellen, hatte nur kurz angehalten.

      »Ist alles in Ordnung?«, fragte er, als sie das Haus fast erreicht hatten. Dabei kannte er die Antwort schon.

      »Nee«, sagte Robert knapp. In seiner Hosentasche wühlte er nach dem Haustürschlüssel.

      »Warte mal«, sagte Peng. Er blieb auf dem Gehweg stehen und schaute zu Robert hoch, blickte ihm direkt in die Augen. »Was ist denn los mit dir?«

      Robert sackte langsam auf den Bordstein zusammen, als hätte man die Luft aus ihm heraus gelassen. »Meine Eltern haben sich getrennt«, sagte er schließlich.

      Peng blinzelte überrascht. Das war nun wirklich keine Neuigkeit. Seit er Robert kannte, lebte der bei seiner Mutter, mit seinem Vater aber verbrachte er die meisten Wochenenden.

      »Weiß ich doch«, sagte er leise nach einem Moment des Zögerns. Dann legte er Robert seinen rechten Flügel auf die Schulter. »Und klar, das ist doof. Obwohl, du hast wenigstens Eltern. Meine habe ich schon seit Jahren nicht mehr gesehen. Aber egal. Die Trennung ist doch schon lange her, oder?«

      »Sieben Jahre.«

      »Eben«, sagte Peng. »Wie gesagt, richtig doof. Aber auch ewig her. Und eigentlich ist es gar nicht so schlecht. Beide lieben dich und würden alles für dich machen. Außer deine Hausaufgaben. Und dein Zimmer räumen sie natürlich auch nicht auf. Was echt hart ist, denn du hast sogar zwei, eins bei deiner Mutter, eins bei deinem Vater.«

      Der Witz kam nicht an, das spürte Peng sofort. Deshalb sprach er schnell weiter.

      »Toll ist auch, dass du, wenn der eine dir etwas verbietet, immer noch den anderen fragen kannst. Mit anderen Worten: Langsam solltest du drüber weg sein.«

      »Blöde ist nur«, sagte Robert, ohne auf Pengs Einwände einzugehen, »sie haben sich genau an Heiligabend getrennt, aber trotzdem das ganze Programm durchgezogen: Kekse backen, Lieder singen, Tannenbaum schmücken, dann kam der Weihnachtsmann …«

      »Der echte Weihnachtsmann?«, unterbrach ihn Peng.

      »Quatsch. Den gibt es doch gar nicht. Irgendein Nachbar, der sich verkleidet hatte. Allerdings habe ich damals geglaubt, er sei der echte. Ich war ja noch ein Baby. Aber trotzdem habe ich bemerkt, dass irgendwas nicht stimmt. Meine Eltern haben sich die ganze Zeit entweder angezickt oder gar nichts gesagt. Und jedes Mal, wenn sie mich angeschaut haben, hatte einer von ihnen Tränen in den Augen.«

      Robert machte eine Pause. Peng kam es so vor, als säße sein Freund in der Vergangenheit fest.

      »Das Fest der Liebe«, sagte Robert dann. »Der schönste Tag des Jahres. Pah, von wegen. Und die Kekse waren auch angebrannt.«

      »Wie furchtbar«, sagte Peng.

      Robert warf seinem Freund einen bösen Blick zu. Nahm Peng ihn etwa nicht ernst?

      »Ich habe mir gerade verbrannten Fisch vorgestellt«, verteidigte sich Peng, dem der Blick durch Mark und Feder gegangen war. »Und war Weihnachten dann immer so schlimm?«

      »Anstrengend. Beide haben sich bemüht, fröhlich mit mir zu feiern, aber es war immer … so verkrampft. Wenn du entdeckst, dass der Weihnachtsmann einen falschen Bart trägt, aber alle um dich herum tun so, als sei es doch der echte Weihnachtsmann, dann fühlst du dich verarscht. So ähnlich war das. Nein, schlimmer, weil du ja nicht nur an den anderen zweifelst, sondern auch an dir selbst. Ich dachte damals, alles sei nur meine Schuld.« Robert seufzte leise. »Was aber das Schlimmste ist«, fuhr er fort, »seither hassen meine Eltern Weihnachten. Immer streiten sie sich, aber ausgerechnet da sind sie einer Meinung.«

      »Verstehe«, sagte Peng. Aber nur, um überhaupt etwas zu sagen. Denn in Wahrheit verstand er gar nichts. Das Weihnachtsfest nicht und das Getue der Menschen darum erst recht nicht.

      Robert hatte ihm einmal die Weihnachtsgeschichte erzählt, von der Geburt Jesu im Stall und natürlich auch vom Weihnachtsmann mit den Geschenken. Peng hatte sich wirklich bemüht, aber er konnte es nicht begreifen. Also, ehrlich: Nur weil vor mehr als zweitausend Jahren ein auserwählter Pinguin aus einem Ei geschlüpft war, würde er dessen Geburtstag bestimmt nicht jedes Jahr feiern. Da wären längst die nächsten Küken auf der Welt, um die man sich