Der kleine Fup. Klaus Bittermann

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Название Der kleine Fup
Автор произведения Klaus Bittermann
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783862872091



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am Arsch oder wat?« Da ich die Frage genausowenig verstehe wie Fup, kann ich genausowenig wie Fup etwas darauf erwidern. Außerdem will ich mich lieber nicht in eine Diskussion verwickeln lassen, nicht mit einer offenbar Verrückten und schon gar nicht über ein solches Thema, bei dem ich gar nicht weiß, was das überhaupt für ein Thema sein soll.

      Als Fup immer noch keine Antwort gibt auf ihre Frage und sie nur mit großen Augen ansieht und dabei Eis schleckt, setzt die große Frau ihren Weg fort. Sie tourettet dabei munter weiter: »Arschwichser! Ichversaute Typen! Leberwurst­pisser! Nuttendreck!«

      Sie geht in einen kleinen Frauenklamottenladen. Gut, dass ich da nicht gerade einkaufe. Eine Kundin verdreht die Augen und flüchtet aus dem Laden. Fup und ich gehen weiter. Fup sagt immer noch nichts. An irgend jemand erinnert mich die Frau, aber ich weiß nicht, an wen.

      Zu Hause lese ich ein Gespräch mit Jonathan Meese im Spiegel. Jetzt weiß ich, an wen mich die große Frau mit dem Fahrradhelm erinnert. Und sie sieht auch ein wenig so aus wie Jonathan Meese, nur ohne Bart. Aber den könnte sie sich auch abrasiert haben, um nicht gleich erkannt zu werden. Und auch der Fahrradhelm könnte Tarnung sein. Strolcht jetzt auch noch Jonathan Meese hier im Viertel herum?

       Fups erste Bodyguards

      »Heute kriegst du deinen ersten Bodyguard«, sage ich zu Fup. Fup sagt nichts. Es scheint ihn nicht zu interessieren. Dabei gibt es nun weiß Gott nicht so viele kleine Jungs, die einen Bodyguard kriegen. Und hier in Kreuzberg schon gleich gar nicht. Müssen sie auch nicht. Hier gibt es ja Mütter. Da können Bodyguards nicht mithalten.

      Aber jetzt muss ich erstmal Brötchen holen. Als ich zurückkomme, frage ich: »Na, wo sind sie, die harten Jungs? Sind sie schon da?« Sie sind es tatsächlich. Einer steht unauffällig in der Ecke der Bibliothek, schwarzes Jackett, breitbeinig und mit gefalteten Händen vor seinem Geschlecht, also so, wie man das aus den amerikanischen Filmen mit Bodyguards kennt.

      Der Bodyguard sagt nichts. Er hat Prüfung und muss uns 24 Stunden lang beschützen und dabei so tun, als sei er gar nicht da. Ich gu­cke aus dem Fenster und sehe zwei schwarze Männer auf und ab schlendern, die ich eben nicht gesehen habe, als ich vom Brötchenholen zurückgekommen bin. Es scheinen gute Bodyguards zu sein. Manchmal sprechen sie in ihr Handgelenk und sagen: »Das Objekt ist sauber.«

      Ich mache Fup und den Bodyguard miteinander bekannt. Der Bodyguard nimmt Fup in den Arm und hält ihn. Ich mache ein Foto, damit ich einen Beweis habe. Wer weiß, vielleicht glaubt mir Fup das später nicht.

      Damit die Jungs was zu tun kriegen, gehen wir ins Lafayette, dem Alptraum eines jeden Body­guards, weil es da viel Menschenauflauf gibt. Dann begeben wir uns ins Adlon, die Bodyguards dezent im Schlepptau, die »das Objekt« sichern. Ich frage, ob ich die Luxus-Suite mal sehen könne. Meine Frau und ich würden uns überlegen, hier abzusteigen. Und bitte auch den Konferenzraum. Meine Frau sei im Vorstand eines Konzerns. Was man halt so redet. Mit Bodyguards ist das ja alles kein Problem. Da ist man plötzlich sehr, sehr wichtig.

      Vielleicht bin ich ja ein bisschen gemein, aber danach gehen wir noch in die Sauna. Mich interessiert einfach, wie die Jungs das hinkriegen. Würden Sie auch gerne wissen? Dann suchen Sie sich doch Ihren eigenen Bodyguard.

      Als ich am nächsten Morgen Brötchen hole, stehen sie immer noch vor dem Hauseingang und sichern das Objekt. Irgendwann sind sie verschwunden. Schade. Ich hatte mich gerade ein bisschen an sie gewöhnt.

       Eine Ballerei

      Zusammen mit Fup gehe ich nichts ahnend aus dem Haus und gerate in eine Schießerei. »Psiuu, Psiuu«, pfeifen uns die Kugeln um die Ohren. Sogar eine Granate wird geworfen. Wenn ich das richtig mitbekomme, geht es zunächst um hundert Euro, dann um »das Doppelte«, nämlich um genau »zweihundertzwanzig Euro«, was sich dann aber rasant auf »Zweihunderttausendmilliarden« steigert. Diese Summe, die nirgendwo zu sehen ist, ist verständlicherweise schwer umkämpft.

      Ein gewisser Jakob wird dabei, wenn ich richtig mitgezählt habe, dreizehnmal erschossen und dreimal erwürgt. Er selbst wiederum ist auch nicht gerade zimperlich und feuert auf Daniel, der von den Kugeln durchsiebt sich auf dem Boden wälzt, während noch eine dritte Person mit dem Namen Noah ebenfalls aus allen Rohren feuert beziehungsweise aus einem kleinen Ast, der ihm als Ersatz für eine Pistole dient.

      Fup ist sehr interessiert und guckt fasziniert zu. Dann fragt er: »Was ist ›Psiuu‹?«

      Ich sage ihm, dass das früher »Peng« hieß, aber seit das außer Mode gekommen sei, hätte man sich international noch nicht auf ein bestimmtes Wort einigen können, weshalb heute in der Regel das Geräusch einer abgefeuerten Kugel sehr individuell gestaltet wird. Und auch in den entsprechenden Ballereifachsendungen würde es nicht mehr knallen, sondern unter anderem pfeifen, wummern, dröhnen, heulen, was natürlich letztlich von den jeweiligen Waffen und Kalibern abhängig sei, die zum Einsatz kämen. Eine P38, die 1977 von den italienischen Jugendlichen bevorzugte Waffe, hört sich natürlich anders an als eine großkalibrige M16, mit der Hunter S. Thompson in der Talkshow von Conan O’Brien auf sein neues Buch ballerte.

      Fup hört mir nicht zu. Er beobachtet lieber, wie Jakob schließlich mit einem aufgesetzten Schuss in den Hinterkopf hingerichtet wird und nach vorne fällt, allerdings nicht, ohne sich mit den Armen abzustützen.

      Nach zwanzig Minuten ist die Ballerei vorbei. Jakob, Noah und Daniel müssen nach Hause. Zum Abendbrot. Die Neuaufführung des alttes­tamentarischen Themas ist vorbei.

      Fup und ich gehen auch. Er will jetzt auch eine Pistole. Jedenfalls sagt er jedem, der ihm über den Weg läuft, dass ich ihm eine basteln würde. Und das mach ich doch gerne. Allerdings eine Beretta. Die liegt besser in der Hand.

       Freilaufende Viren

      Draußen laufen gleich drei Viren frei herum. Da bleiben wir besser in der Wohnung. Und außerdem haben wir schon einen Virus. Den hat Fup mit nach Hause gebracht. Und der muss natürlich in Quarantäne. Damit der Virus nicht noch Zulauf kriegt oder sich mit einem anderen Virus kreuzt.

      Ich bin allein zu Hause mit Fup, dem man so gar nicht anmerkt, dass er einen Virus hat. Der Erzieher der Kita wünscht mir starke Nerven. Das macht mich skeptisch. Erstmal frühstücken. Fup will Toastbrot.

      Ich sage, wir haben kein Toastbrot, nur ein Sonnenblumenkernbrot.

      Fup sagt: »Ich will Toastbrot.«

      Ich sage: »Wie haben kein Toastbrot.«

      »Ich will aber Toastbrot«, sagt Fup wieder.

      Der Dialog zieht sich eine halbe Stunde hin. In der Zwischenzeit sitzt Fup unter dem Tisch und ich kann mir in aller Ruhe einen Kaffee machen und ein Brot mit »Malle« essen, wie Fup sagen würde, wenn er nicht damit beschäftigt wäre, »Ich will aber Toast­brot« zu sagen.

      Ich bin geübt in solchen etwas eintönigen Dialogen. Der Text ist leicht zu merken und geht ganz automatisch von den Lippen, man muss sich nichts merken und die Argumentation erfordert keine große Konzentration. Und wenn man seinen Part oft genug gesagt hat, kommt er einem bald vor wie ein Rap-Song.

      Dann spielen wir Einkaufen. Fup hat eine aus einem Karton bestehende Einkaufstüte besorgt. Er zerrupft eine Rolle Klopapier, zerknüllt eine Lage und sagt dann, um was es sich handelt.

      »Das ist eine Gurke, du alte Gurke«, sagt er zu mir.

      Ich sage: »Jetzt mal halblang.«

      »Das ist eine Mohrrübe«, sagt er. »Und noch eine Mohrrübe.«

      Ich sage »Okay« und lege die Klopapierknäuel in die Pappschachtel.

      Dann schnappt sich Fup das Kabel eines Ladegeräts, befestigt es am Griff eines Wäschekorbs mit schmutziger Wäsche und zieht den Wäschekorb durch die Wohnung hinter sich her.

      »Was soll das denn werden?«, frage ich.

      »Das ist ein schwieriges Unterfangen«, sagt Fup.

      Langsam