Tempowahn. Winfried Wolf

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Название Tempowahn
Автор произведения Winfried Wolf
Жанр Математика
Серия
Издательство Математика
Год выпуска 0
isbn 9783853718858



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ziemlich genau bekannt. Der Schmied, der Wagner des Dorfs arbeiteten ja unter seinen Augen; ebenso der Schneider und Schuhmacher, der noch zu meiner Jugendzeit bei unsern rheinischen Bauern der Reihe nach einkehrte und die selbstgefertigten Stoffe zu Kleidern und Schuhen verarbeitete. Der Bauer sowohl wie die Leute, von denen er kaufte, waren selbst Arbeiter, die ausgetauschten Artikel waren die eigenen Produkte, eines jeden. [...] Wie also können sie diese ihre Produkte mit denen andrer arbeitenden Produzenten austauschen anders als im Verhältnis der darauf verwandten Arbeitszeit? [...] Dem Bauer (sind nicht nur) die Arbeitsbedingungen des Handwerkers bekannt, sondern dem Handwerker auch die des Bauern. Denn er ist selbst noch ein Stück Bauer, er hat nicht nur Küchen- und Obstgarten, sondern auch sehr oft ein Stückchen Feld, eine oder zwei Kühe, Schweine, Federvieh usw.14

      Es konnte da durchaus sein, dass ein Handwerker, der geschickter, erfahrener, schneller, kunstfertiger war als der Durchschnitt, mehr oder bessere Produkte in derselben Zeit herstellen, und damit auf die Dauer vielleicht wohlhabender als andere werden konnte. Doch es stand ihm auch frei, sich stattdessen mehr Freizeit, mehr Muße zu gönnen oder einer anderen, mehr erfüllenden Art der Beschäftigung nachzugehen. Es gab keinen, der ihm den Takt vorgab. Mit der ursprünglichen Akkumulation und der Trennung der Produzenten von ihren Produktionsmitteln kam die große Veränderung. Die mittellosen Arbeiterkräfte wurden damit vollständig dem Zeitdiktat der Maschinen – und damit letzten Endes der Produktionsmittelbesitzer – unterworfen, weil sie an den Fabrikbesitzer nichts anderes mehr als ihre Arbeitskraft verkaufen konnten. Mit dieser Veränderung des Arbeitsprozesses erhält die Zeit eine völlig neue Bedeutung. Nun geht es um die Unterwerfung unter das Zeitdiktat, ja unter eine Zeitmaschine. Es lässt sich belegen, dass die Bedeutung der Zeit – der Arbeitszeit und nicht zuletzt des Zeitdiktats – in dem Maß zunimmt, wie sich die Industrielle Revolution herausbildet und der Arbeitsprozess als Teil derselben synchronisiert und nach Zeit getaktet wird.

      In Großbritannien bis Ende des 18. Jahrhunderts und im übrigen Europa bis Mitte des 19. Jahrhunderts überwogen die handwerkliche Arbeit und die Heimarbeit. Es gab kleine Werkstätten ohne weitergehende Arbeitsteilung. Und es gab flächendeckend eine enge Verbindung von einfacher Manufaktur und Handwerk einerseits und landwirtschaftlichen Tätigkeiten und bäuerlichem Leben andererseits. Und dies oft in ein und derselben Person beziehungsweise Familie.

      Selbst in England lebte Anfang des 19. Jahrhunderts die große Mehrheit der Bevölkerung noch auf dem Land; in Deutschland war das ein halbes Jahrhundert später noch der Fall. Und dort, wo es in England zu diesem Zeitpunkt handwerkliche und gewerbliche, also industrielle Arbeit gab, war diese oft noch mit Landwirtschaft verbunden.

      Diese Art Mischung von Landarbeit und Gewerbe, also die Möglichkeit der jungen Industriearbeiterschaft auf die eigene landwirtschaftliche Tätigkeit und die damit verbundene Subsistenzwirtschaft zurückzugreifen, bot dieser neuen Gesellschaftsschicht vielfach Schutz vor Unternehmerwillkür. Der Zugriff auf die Ware Arbeitskraft war eingeschränkt. Oft war die Arbeitskraft auch noch knapp und das Bauernlegen noch nicht weit genug für die Schaffung einer industriellen Arbeiterschaft – neben einer »Reserve« an Arbeitslosen – entwickelt. Thompson zitiert umfänglich Klagen der Kapitalistenklasse über freche Jung- und Halbproletarier, die sich dem Diktat des Kapitals entzogen, die erfreulich viel bummelten und sich ganze zusätzliche freie Tage herausnahmen:

      Mit dem Einzug der Maschinerie und der Unterwerfung der Arbeitskräfte unter dieselbe wurde das Zeitdiktat objektiv notwendig – und, bedingt durch die Trennung eines wachsenden Teils der jungen Arbeiterklasse vom Land und von einer Subsistenzwirtschaft – möglich. Die Zeitsouveränität, die es zuvor für größere Teile der arbeitenden Bevölkerung gegeben hatte, war weggefegt. Und dies nicht nur im Allgemeinen, sondern auch im Arbeitstag selbst im Besonderen. Dazu Auszüge aus drei zeitgenössischen Berichten.

      (1) Ich war in der Fabrik von Mr. Braid. Dort arbeiteten wir im Sommer, solange