Der Bergpfarrer Staffel 20 – Heimatroman. Toni Waidacher

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Название Der Bergpfarrer Staffel 20 – Heimatroman
Автор произведения Toni Waidacher
Жанр Языкознание
Серия Der Bergpfarrer
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740980542



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zu sagen«, begann der Pfarrer. »Mein Bruder hat vorhin einen Anruf bekommen von der Polizei in St. Vinzenz. Eure Eltern haben einen Busausflug mitgemacht. Auf einem Pass ist der Bus…«

      Martinas Hand suchte Halt bei Klaus, der ebenfalls zusammengezuckt war. »Was ist passiert? Sind sie…«

      »Gehen wir hinein«, meinte Sebastian. Er und sein Bruder folgten Klaus, dem es noch am bes­ten gelang, Fassung zu bewahren. »Man weiß noch nix Genaues«, sagte er, um der Situation ein wenig die Spannung zu nehmen. »Aber wir glauben, dass wir heute noch Nachricht bekommen.«

      Alle folgten Klaus in die Stube, die um diese Tageszeit noch abgedunkelt war wegen der Hitze. Klaus öffnete die Fensterläden und ließ angenehme Abendluft ins Zimmer. Dann setzte er sich zu den anderen auf einen der bequemen Sessel.

      »Was genau ist denn passiert?« Er warf Martina, die unter Schock stand und stumm dasaß, einen besorgten Seitenblick zu.

      »Der Ausflugsbus fuhr den Pass hinunter. Vermutlich waren die Bremsen heißgelaufen. Der Fahrer konnte nicht mehr bremsen, und in einer Kehre schoss der Reisebus dann über die Straße hinaus. Man weiß noch net, wie tief der Bus gestürzt ist und ob es Überlebende gibt.«

      Mit einem Schmerzenslaut legte Martina die Hände vors Gesicht. Im Geist sah sie die Mutter tödlich verletzt am Straßenrand liegen. Sie hatte das Gefühl, innerlich zu verbrennen vor Verzweiflung.

      Klaus erhob sich und setzte sich neben die junge Frau. Dann legte er einen Arm um sie und hielt sie ganz fest. »Wir können nix tun?«

      Max Trenker schüttelte den Kopf. »Nix«, wiederholte er leise. »Wir können nur darauf warten, dass genauere Meldungen vom Unglücksort kommen. Die Kollegen vor Ort werden mich benachrichtigen.«

      Zenz brachte einen großen Krug mit frischer Zitronenlimonade, die sie immer selbst zubereitete. Ein Blick in die versteinerten Gesichter sagte ihr, dass etwas Furchtbares geschehen sein musste. Aber sie wagte nicht zu fragen, sondern verließ eilig wieder das Zimmer.

      Einmal läutete das Handy des Polizisten. Alle zuckten zusammen. Max meldete sich, lauschte eine Weile, dann klappte er es wieder zusammen. »Man weiß noch net viel, außer, dass bis jetzt keine Toten gefunden worden sind.«

      »Und Überlebende?«, fragte Klaus. Jetzt klang auch seine Stimme nicht mehr sicher.

      »Über eure Angehörigen weiß man noch nix«, antwortete der Polizist wieder. »Wir werden warten müssen.«

      »Ich fahr nach St. Vinzenz.« Plötzlich sprang Martina auf. »Ich muss zu meiner Mutter. Sie würde das auch für mich tun.« Noch ehe einer der Männer reagieren konnte, war sie schon aus dem Zimmer. Wenig später fiel die Haustür ins Schloss.

      »Um Himmels willen, geh ihr nach, Klaus!«, rief der Pfarrer erschrocken. »Du kannst sie in dem Zustand net fahren lassen. Das ist lebensgefährlich. Oder soll ich…«

      »Nein, ich geh schon.« Klaus sprang auf. Er war im ersten Moment so überrascht gewesen, dass er gar nicht handeln konnte. Jetzt aber rannte er hinter Martina her, als gälte es, ihr Leben zu retten.

      Er erwischte Martina gerade, als sie den Motor starten wollte. Hastig, noch ehe sie begriff, was geschah, fasste er ins geöffnete Fenster und zog den Schlüssel aus dem Schloss. Der Motor verstummte, kaum dass er angefangen hatte zu brummen.

      »Was soll das?«

      »Du bleibst hier«, herrschte er sie an. »Bist denn ganz narrisch geworden? Bald ist es Nacht, und bis du in Südtirol bist, haben wir hier längst Nachricht von dort. Dann können wir immer noch entscheiden, was wir tun.«

      »Lass mich zufrieden. Ich bin alt genug.«

      »Steig aus.«

      »Das geht dich nix an. Es geht um meine Mutter. Wenn du dir

      um deinen Vater keine Sorgen machst, dann ist das deine Entscheidung. Ich liebe meine Mutter, und ich muss ihr helfen.«

      »Du kannst ihr am besten helfen, wennst hier abwartest, bis wir Nachricht bekommen haben. Ich versprech dir, wenn den Eltern wirklich was passiert ist, dann fahren wir sofort los.« Er öffnete gegen ihren Willen die Autotür und zog sie am Arm heraus.

      »Du bist gemein, Klaus. Hätte ich dich nur nie kennengelernt, hätte meine Mutter deinen Vater net wiedergesehen, dann könnte sie jetzt noch leben.« Sie schluckte das Schluchzen hinunter, das ihr in der Kehle steckte.

      »Wir wissen doch gar nix«, versuchte er, sie zu beruhigen. »Vielleicht ist alles gar net so schlimm, wie es jetzt noch ausschaut, und wir machen uns unnötig verrückt. Komm mit ins Haus und lass uns zusammen warten. Ich… möchte jetzt auch net allein sein.«

      »Bist du doch net. Der Pfarrer ist da und der Polizist, alles Leute, mit denen du befreundet bist. Ich bin ein Fremdkörper hier, mich hast die ganzen Tage net angeschaut, bist mir aus dem Weg gegangen. Warum? Ich weiß es net, hab’ dir nix getan. Ich dachte, es wäre jetzt alles irgendwie in Ordnung zwischen uns beiden, aber da hab’ ich mich wohl geirrt. Nix ist in Ordnung. Und jetzt hab’ ich den einzigen Menschen verloren, den ich noch hatte. Bist jetzt zufrieden, Klaus Anstätter?« Verzweifelt schlug sie die Hände vors Gesicht.

      Klaus machte einen großen Schritt auf sie zu, dann nahm er sie einfach in die Arme und hielt sie fest. Wie einem kleinen Kind redete er ihr zu, streichelte ihr Haar und ließ sie nicht mehr los, bis sie sich wieder ein wenig beruhigt hatte.

      »Entschuldige«, murmelte Mar­tina verlegen und wischte sich über das Gesicht. »Ich darf mich net so gehen lassen. Du hast recht, ich kann niemandem helfen, wenn ich einfach so kopflos in die Nacht fahre.« Sie machte sich von ihm los und ging zum Haus zurück.

      Klaus folgte ihr etwas verwirrt. Trotz der großen Sorgen, die er sich um den Vater und dessen Frau machte, hatte er die kurze Zeit, in der er die verzweifelt weinende Martina im Arm gehalten hatte, irgendwie genossen. Es war ein warmes Gefühl gewesen, vertraut und voller Träume. Trotz allem.

      Jetzt war dieser Zauber wieder vorbei, und die grausame Wirklichkeit hatte ihn eingeholt.

      Pfarrer Trenker und sein Bruder Max blieben noch bis gegen Mitternacht, aber es kam keine weitere Nachricht mehr. Max versuchte sein Glück noch einmal beim Polizeirevier von St. Vinzenz, aber da lief nur ein Anrufbeantworter, mit Hinweis auf eine allgemeine Notfallnummer. Vermutlich waren alle Beamten beim Rettungseinsatz an der Unglücksstelle.

      »Wir können jetzt nix mehr machen«, meinte Max resigniert. »Vermutlich ist es das beste, wenn wir jetzt heimfahren. Ich geb dir sofort Bescheid, Klaus, wenn ich was erfahre. Macht euch net zu viele Sorgen. Es bringt nix«, sagte er noch zum Abschied.

      Pfarrer Trenker schaute den beiden jungen Leuten forschend ins Gesicht. »Kann ich euch allein lassen, oder wäre es euch lieber, wenn ich bleib?«, fragte er, und man konnte ihm ansehen, wie sehr er mit ihnen fühlte.

      Klaus schüttelte den Kopf. »Danke, Hochwürden, wir kommen schon zurecht. Wenn wir Ihre Hilfe brauchen, rufen wir sie an.« Er begleitete die beiden Männer noch zur Tür und wartete, bis sie abgefahren waren. Dann ging er zu Martina zurück.

      »Wir sollten auch ins Bett gehen«, meinte die junge Frau, machte aber keine Anstalten aufzustehen. Sie spürte grenzenlose Müdigkeit im ganzen Körper, die sie am klaren Denken hinderte. Gleichzeitig spürte sie wieder diese entsetzliche Panik, wenn sie daran dachte, allein in ihrem Bett liegen und immer nur nachdenken zu müssen. Die Gedanken waren wie wilde Tiere, die man nicht vertreiben konnte.

      »Ich will dir net zu nahe treten, aber was meinst du, wenn wir uns beide Decken nehmen und jeder schläft auf einem Sofa. Groß genug sind die beiden, dass wir uns ausstrecken können. So sind wir net allein und haben auch das Telefon in unserer Mitte.« Klaus war ein wenig verlegen, als er diesen Vorschlag machte, aber insgeheim musste auch er sich eingestehen, dass er vor dem Schreckgespenst Einsamkeit Angst hatte.

      Als von ihr kein Widerspruch kam, holte er aus dem Schrank einige Wolldecken und reichte zwei davon Martina. »Wir sollten versuchen, etwas zu schlafen. Morgen werden wir vielleicht unsere ganze Kraft brauchen.« Er streckte