Der Bergpfarrer Staffel 20 – Heimatroman. Toni Waidacher

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Название Der Bergpfarrer Staffel 20 – Heimatroman
Автор произведения Toni Waidacher
Жанр Языкознание
Серия Der Bergpfarrer
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740980542



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mindestens so sehr, wie ich meine erste Frau geliebt habe. Diese Ehe wurde durch Annelieses Tod beendet.«

      Pfarrer Trenker nickte. »Ich weiß, kann mich noch gut an sie erinnern, auch wenn es schon so viele Jahre her ist. Sie war eine schöne und wahrhaft gutherzige Frau, ich mochte sie gern.« Er dachte an die Beerdigung. Es war ihm nicht leichtgefallen, die richtigen Worte zu finden damals, denn auch er war sehr traurig über diesen Verlust gewesen.

      »Hat dein Sohn sich inzwischen etwas beruhigt?«

      Der Bauer schüttelte den Kopf. »Ich hab’ im Gegenteil eher den Eindruck, es wird immer schlimmer mit Klaus.«

      »Soll ich einmal mit ihm reden?«

      »Danke für das Angebot, aber ich glaub net, dass das viel Sinn haben wird. Ich vertraue auf die Zeit. Er wird sich an die neue Familie gewöhnen und seine negative Meinung über sie berichtigen. Ich liebe Monika über alles, und auch Tina ist mir bereits ans Herz gewachsen, als wäre sie meine eigene Tochter.«

      »Genau das wird es sein, Paul. Ich glaub gar net, dass Klaus Sorge hat wegen eures Vermögens. Er hat Angst, deine Liebe zu verlieren. Bis jetzt war er der einzige Mensch, dem du seit dem Tod seiner Mutter deine Liebe geschenkt hast. Jetzt sind da zwei Frauen, die eine ernstzunehmende Konkurrenz für ihn sind.« Sebastian Trenker trank einen Schluck Kaffee.

      »Kann ich mir net vorstellen. Klaus ist ein erwachsener Mann, der bald eine eigene Familie gründen wird.«

      »Klaus hat seine Mutter verloren zu einer Zeit, da er sie besonders gebraucht hätte«, gab Sebastian zu bedenken. »Vermutlich sitzt dieser Schock bei ihm tiefer als du denkst.«

      Paul Anstätter schwieg eine ganze Zeitlang. Offensichtlich musste er über die Worte des Bergpfarrers nachdenken. »Vielleicht haben S’ recht«, räumte er nach einer Weile ein. »Nur weiß ich keinen Ausweg aus diesem Dilemma. Anneliese ist schon so lange tot, und ich will net bis an mein Lebensende allein bleiben. Die Verlobung mit Carola war ein Fehler, das hab’ ich bald gemerkt, aber Monika ist anders. Sie ist ein wunderbarer, herzlicher Mensch. Ein Leben ohne sie kann ich mir gar net mehr vorstellen.« Die Vorstellung, genau das könnte womöglich eintreten, machte Paul unruhig und besorgt.

      »Ich wollte dich net noch zusätzlich belasten mit meinen Vermutungen«, versuchte Sebastian, ihn wieder zu beruhigen. »Aber ich denke, du musst dich auch in deinen Sohn einfühlen. Du hast die Pflicht, auch ihm gerecht zu werden. Das hat nix damit zu tun, dass ich deiner zukünftigen Frau misstraue. Im Gegenteil, ich bin sogar überzeugt davon, dass du mit ihr eine wirklich sehr gute Wahl getroffen hast.«

      »Ich versteh schon, was Sie meinen«, versicherte Paul und füllte erneut beide Biergläser. »Der Beruf bringt Sie dazu, eine neutrale Position einzunehmen, mir den Ernst der Entscheidung für alle Beteiligten demonstrieren.«

      Sebastian Trenker lachte leise. »Beruf ist gut gesagt«, meinte er. »Das ist wohl schon eher eine Berufung. Ich könnte nichts anderes tun als das, was ich mir ausgesucht hab’. Aber ich bin froh, dass wir endlich einmal so ausführlich geredet haben. Es lag mir schon eine ganze Weile auf dem Herzen, das mit deinem Klaus«, fügte er noch als Erklärung hinzu. Im Stillen nahm Sebastian sich vor, den jungen Anstätter anzusprechen, sobald sich eine günstige Gelegenheit dafür ergab.

      Die beiden Männer unterhielten sich jetzt noch über den Ablauf der Hochzeitszeremonie, und Pfarrer Trenker versprach hoch und heilig, dass er auch an der anschließenden Feier auf dem Anstätterhof teilnehmen würde. Insgeheim sagte er hauptsächlich wegen Klaus zu, denn ganz waren seine Sorgen noch nicht vorbei. Und wenn es wirklich zu einer Auseinandersetzung kommen würde, dann wollte er dabei sein, um das Schlimmste zu verhindern.

      Als es bereits dämmerte, machte sich Sebastian Trenker zu Fuß auf den Heimweg. Er war froh über die Bewegung, obwohl die Hitze des Tages noch auf Hof und Feldern lastete. Deshalb war er auch froh, dass manchmal ein kühles Lüftchen wehte, als er den Berg weiter hinunterging.

      Paul Anstätter jedoch saß noch eine ganze Zeitlang am Tisch und dachte nach. Das, was der Bergpfarrer gesagt hatte, leuchtete ihm ein. Doch was er tun sollte, wuss­te er dennoch nicht.

      *

      Klaus fühlte sich etwas unbehaglich. Er war schon länger nicht auf dem Friedhof am Grab der Mutter gewesen. Aber heute zog es ihn wie magisch hin. Den ganzen Tag hatte er auf dem Feld gearbeitet und dabei versucht, seine Gedanken in die richtigen Bahnen zu lenken, doch es war ihm nicht geglückt.

      Sein Verstand sagte ihm, dass er keinen Grund hatte zu rebellieren. Gleichzeitig jedoch nagte etwas an seinem Herzen, für das er keinen Namen hatte. Er nannte es Misstrauen, Vorsicht, aber in seinem Innern wusste er, dass es gerade das nicht war.

      Es war ein heißer Tag gewesen, und auch jetzt, am Abend, stand die Luft unbeweglich, kein Windhauch erleichterte das Atmen und bewegte die staubigen Blätter der alten Eiche. Sogar die Vögel waren heute schon früh verstummt, obwohl es noch heller Tag war. Lediglich die Sonne stand schon tief über den Bergen, bereit, jeden Augenblick hinter ihnen zu versinken.

      Um diese Tageszeit befand sich kein Besucher mehr auf dem Friedhof von St. Johann. Ungestört konnte Klaus bis zur Mauer gelangen, wo das Grab der Mutter neben einem Schlehenbusch lag. Obwohl er damals noch klein gewesen war, konnte er sich gut an ihre Beerdigung erinnern, bei der mehr als das halbe Dorf anwesend war.

      Trauer erfüllte sein Herz, als er ihren Namen in dem fast schwarzen Grabstein las. Anneliese Anstätter. Gerade mal sechsunddreißig war sie geworden, dann hatte diese entsetzliche Krankheit sie innerhalb eines halben Jahres gnadenlos dahingerafft.

      Traurige Gedanken gingen Klaus durch den Kopf, während er den Topf mit der dunkelrot blühenden Geranie inmitten des kleinen Beetes abstellte, die blecherne Kanne holte, sie mit Wasser aus dem Brunnen füllte und die schon etwas verwelkten Pflanzen begoß.

      Nachdenklich stand er danach am Grab und versuchte, sich an das Gesicht der Mutter zu erinnern. Aber es war verschwunden, einfach aus dem Gedächtnis gelöscht. Das machte ihn so verzweifelt, dass ihm unvermittelt Tränen über die Wangen liefen.

      »Was ist mit dir, Klaus?« Sebas­tian Trenker war unbemerkt neben ihn getreten. Er sah die Tränen und spürte, dass er mit dem jungen Mann reden musste. »Magst mir deinen Kummer anvertrauen?«

      Klaus zuckte die Schultern. Has­tig wischte er sich das Gesicht ab. »Ich weiß selber net, was in mich gefahren ist. Vermutlich ist das meistens so, dass man nach einigen Jahren vergisst, wie ein Mensch ausgeschaut hat, wenn er net mehr präsent ist.«

      »Du hast vergessen, wie deine Mutter ausgeschaut hat. Und das macht dich so unglücklich? Schau, das ist wirklich ein ganz normaler Ablauf. Die Seele versucht, trotz eines großen Verlusts weiterzuleben. Würde die Trauer im Herzen net mit der Zeit weniger, dann könnte der Mensch nie wieder die Sonne anschauen ohne diesen Schmerz im Herzen. Das ist aber net der Sinn des Lebens.« Noch immer lag die Hand des Pfarrers auf dem Arm des jungen Mannes.

      Klaus dachte eine Weile nach, dann nickte er. »Da könnten S’ schon recht haben, Hochwürden«, sagte er zu dem älteren Mann. »Aber im Moment hätte ich meine Mutter so nötig wie schon lang net. Seit die beiden Frauen auf unserem Hof eingezogen sind, ist nix mehr, wie es war. Ich hab’ schon überlegt, ob ich das Feld räumen soll.«

      »Wie meinst das?«

      »Ich könnte mir in München oder in einer anderen Großstadt eine Arbeit suchen«, antwortete Klaus betont gleichgültig. »Dann hätten die beiden freie Bahn und könnten meinen Vater ausnehmen, solange er noch was hat.« Bitterkeit lag in seiner Stimme.

      »Wie redest denn über deine künftige Familie?« Der Bergpfarrer spürte, dass jetzt entschiedene Worte nötig waren. »Ich hab’ beide schon kennengelernt. Du schätzt sie falsch ein. Ganz bestimmt sind sie net des Geldes wegen auf eurem Hof. Gönn deinem Vater doch das Glück. Er hat es wahrlich verdient.«

      »Und was ist mit mir?«

      »Siehst, jetzt redest endlich aus dem Herzen. Es geht dir net ums Geld, es geht dir um die Liebe deines Vaters, die du net teilen kannst. Aber das musst doch auch gar net. Gib euch allen