Название | Euroskeptizismus auf dem Vormarsch |
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Автор произведения | Julian Wessendorf |
Жанр | Зарубежная публицистика |
Серия | |
Издательство | Зарубежная публицистика |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783838275574 |
Eine erste Arbeitsdefinition für Rechtsextremismus7, die lange Zeit als „common sense und unbestritten“ (Dudek & Jaschke 1984: 22) angesehen wurde, lieferte 1981 Wolfgang Gessenharter. In dieser definierte er Personen, Organisationen und Gruppen als rechtsextrem,
„die autoritäres, antipluralistisches, antiparlamentarisches, zivilisationskritisches und nationalistisches (bes. fremdgruppenvorurteilsbehaftetes) Gedankengut vertreten und bei denen zu dieser ‚pol. Philosophie‘ noch ein rigides, auf Entweder-Oder-Dichotomien fixiertes Gedankenschema hinzutritt“. (Gessenharter 1981: 399, Hervorheb. im Original)
Dudek und Jaschke (1984: 22) kritisieren an dieser Definition jedoch, dass sie lediglich einen idealtypischen Charakter besitzt, man jedoch feststellen würde, dass vor allem auf der Ebene der Personen oder Organisationen, die als rechtsextrem eingestuft werden, vereinzelte oder mehrere Aspekte nicht zuträfen. Eine heute weitverbreitete Definition für politischen Extremismus stammt von den Politikwissenschaftlern Uwe Backes und Eckhard Jesse. Backes und Jesse (1989: 33) definieren den politischen Extremismus „als Sammelbezeichnung für unterschiedliche politische Gesinnungen und Bestrebungen […], die sich in der Ablehnung des demokratischen Verfassungsstaates und seiner fundamentalen Werte und Spielregeln einig wissen“. Hierbei grenzen sie den Rechtsextremismus als Negierung der menschlichen Fundamentalgleichheit vom Linksextremismus im Sinne des Kommunismus und Anarchismus ab (ebd.).
Die Definition des politischen Extremismus als „Antithese konstitutioneller Demokratie“ (Backes & Jesse 1989: 33; vgl. auch Jesse 2018: 34), wie sie in der normativen Extremismusforschung gängig ist, kann jedoch durchaus kritisch gesehen werden, da der Extremismus zum einen ex negativo definiert wird und somit lediglich eine Erklärung dafür liefert, was der Extremismus nicht ist, nämlich die Befürwortung eines demokratischen Verfassungsstaates (vgl. hierzu auch Pfahl-Traughber 2008: 14). Somit wäre für ein besseres Verständnis des Extremismusbegriffs zunächst einmal zu klären, wie sich der demokratische Verfassungsstaat definiert, um daraus die entsprechende Definition für Extremismus abzuleiten. Backes (1989: 103) bemerkt selbst, dass diese Negativdefinition den Extremismus als vom demokratischen Verfassungsstaat abhängiges Sekundärphänomen beschreibt und erklärt, dass das „breite Spektrum der Extremismen strukturell unbestimmt“ bleibt. Zum anderen ist eine Definition des Extremismus als grundsätzlich antidemokratisch äußerst kritisch zu betrachten, da bspw. der linke Extremismus nicht zwangsläufig als antidemokratisch, sondern vielmehr als antikapitalistisch einzustufen ist (vgl. Neugebauer 2001: 22). Festzuhalten ist, dass die Demokratie-Extremismus-Dichotomie nicht vornehmlich auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse fußt, sondern sich vielmehr aus der Argumentation der Justiz und des Verfassungsschutzes ergibt (vgl. Jaschke 2000: 319; Brodkorb & Bruhn 2010: 148). Aus diesem Grund wurde in der wissenschaftlichen Literatur vermehrt empfohlen, den Begriff des Radikalismus für den wissenschaftlichen Diskurs zu verwenden, während der Extremismus für verfassungsschutzrechtliche Beobachtungen reserviert werden sollte. Dieser Ansatz konnte sich jedoch bislang nicht durchsetzen (vgl. Neugebauer 2001: 16).
Anstatt den (Rechts-)Extremismus ausschließlich auf seine antithetische Grundeinstellung zur Demokratie zu beschränken, wird er in den Sozialwissenschaften vor allem durch sein völkisch-nationalistisches und rassistisches Gedankengut definiert (vgl. Neugebauer 2001: 15; Stöss 2013: 578). Im Sinne der bereits erwähnten Ablehnung der menschlichen Fundamentalgleichheit, spielt die „natürliche Zugehörigkeit zu etwas (‚Nation‘, ‚Rasse‘, ‚Religion‘) als höchste[r] Wert“ (Pfahl-Traughber 1994a: 14f.) eine bedeutsame Rolle im Weltbild des Rechtsextremismus und ordnet diesem Wert alle anderen Werte, wie bspw. auch Menschen- und Bürgerrechte, unter. Damit einher geht auch die Überzeugung von einer natürlichen Ungleichheit der Menschen und einer damit verbundenen Abgrenzung und Abwertung der ‚Anderen‘ und der Ablehnung bestimmter Rechte für diese Gruppe von Menschen. Als weiteres Merkmal nennt Pfahl-Traughber (1994a: 15) den Autoritarismus und den Wunsch eines starken Staates oder einer Führerpersönlichkeit, die sich über die Gesellschaft stellt und diese dominiert. Letztlich spielt auch die Vorstellung einer gemeinsamen Volksidentität im Sinne einer Volksgemeinschaft, deren Interessen sich das Individuum und bestimmte Gruppen unterwerfen müssen, eine wichtige Rolle (ebd.). Dementsprechend sieht das Idealbild einer Gesellschaftsordnung im Rechtsextremismus einen totalitären oder autoritären Staat mit einer ethnisch und politisch homogenen Gesellschaft vor. Hierzu ergänzt Pfahl-Traughber (2008: 15), dass rechtsextreme Ideologien durchaus einen konservativen, nationalistischen, nationalrevolutionären oder völkisch geprägten Charakter haben können und sich nicht nur auf nationalsozialistische Vorstellungen beziehen müssen.
Dennoch wurde der Rechtsextremismusbegriff im Anschluss an den Zweiten Weltkrieg zunächst hauptsächlich als Fortsetzung des Nationalsozialismus angesehen (vgl. Dudek 1994: 280f.). Dies gründete sich darauf, dass sich direkt im Anschluss an das Kriegsende Gruppierungen organisierten, die entweder die faschistischen Ideologien des Nationalsozialismus weiterverfolgten oder aber „getragen von vermeintlicher oder realer Einbuße an sozialer Position und politischem Einfluß“ (Greß 1994: 187) Interessenvertretungen gründeten. Die 1960er und 1970er Jahre waren – in Hinblick auf den Rechtsextremismus – geprägt von Bewegungen, in denen sich die rechtsextremen Aktiven der direkten Nachkriegszeit versammelten, um sich im Sinne eines „angepaßten Faschismus“ (vgl. Niethammer 1969) und unter Einhaltung der Regeln der demokratischen Gesellschaftsstrukturen zu Parteien zusammenzuschließen (vgl. Greß 1994: 187f.). In dieser Zeit gründeten sich u. a. die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD, 1964) und der Front National (1972) in Frankreich.
In den 1970er Jahren und verstärkt ab Mitte der 1980er Jahre kam es zu einer neuen Form der rechten Bewegung, welche als die Neue Rechte bezeichnet wird. Im deutschsprachigen Raum verwendete Claus Leggewie (1989) die Bezeichnung Neue Rechte, um die Partei der Republikaner zu charakterisieren und sie von der damals erfolglosen Alten Rechten (NPD und Deutsche Volksunion, DVU) abzugrenzen (vgl. Stöss 2007). Nichtsdestotrotz war der Begriff der Neuen Rechten – wie bspw. in der Aktion Neue Rechte, einer Abspaltung der NPD, die von 1972 bis 1974 existierte – auch schon zuvor verwendet worden (vgl. Brauner-Orthen 2001: 18f.). Die Neue Rechte zeichnete sich insbesondere dadurch aus, dass es vor allem auf intellektueller Ebene und durch die Hinzunahme populistischer Elemente zu einer zunehmenden Verwischung der Grenzen zwischen dem (demokratischen) Konservatismus und dem Rechtsextremismus kam (vgl. Greß 1994: 188). Während sich jedoch der Konservatismus u. a. über das Festhalten an Traditionen, die Betonung der natürlichen Ungleichheit der Menschen oder den Glauben an eine natürlich vorgegebene soziale Ordnung definierte (vgl. Bendel 2008: 288), vertraten die Neuen Rechten zwar prinzipiell dieselben Ansichten, rückten aber immer weiter nach rechts. Dies war vor allem dadurch zu erklären, dass sich in den 1980er Jahren die „ökonomisch-sozialen und politisch-kulturellen Erfolgsbedingungen des Rechtsextremismus“ (Stöss 2007) durch die voranschreitende Globalisierung, wachsende Migrationsbewegungen, Massenarbeitslosigkeit und den Abbau von sozialen Standards verbessert hatten. Pfahl-Traughber