Atlan-Paket 16: Im Auftrag der Kosmokraten (Teil 2). Hans Kneifel

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Название Atlan-Paket 16: Im Auftrag der Kosmokraten (Teil 2)
Автор произведения Hans Kneifel
Жанр Языкознание
Серия Atlan classics Paket
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783845347400



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Schrei, der mich geweckt hatte, und seine Wiederholung waren keine unartikulierten Angstschreie, sondern artikulierte Rufe.

      Hilferufe!

      Mein Ritter hatte gerufen!

      Ich spürte es überdeutlich, denn mein Orbiterinstinkt hatte angesprochen – und der konnte nur dann ansprechen, wenn ich einen Ruf von meinem ureigensten Ritter empfing.

      Von Atlan!

      Ich schloss die Augen und kämpfte einen inneren Kampf.

      Etwas in mir wollte mir weismachen, dass es nicht Atlan, sondern Hartmann vom Silberstern gewesen war, der nach mir gerufen hatte – und zwar der Teil meines ersten Ritters, der sich als unsichtbare psionische Nukleonladung in den Atomen verteilt hatte, aus denen Guray bestand (und zwar ungefähr in dem Verhältnis, in dem sich ein Stäubchen Ruß zu einer kosmischen Dunkelwolke verhielt).

      Aber ich wusste vom ersten Moment an, dass nicht dieses ohnmächtige Stäubchen nach mir gerufen hatte, sondern das lebendige Kraftpotenzial Atlans.

      Der Arkonide befand sich in Gefahr!

      Ich kroch auf allen vieren die Treppe hinauf und wieder in den Raum mit dem dreieckigen Grundriss hinein, dabei immer wieder den Namen meines zweiten Ritters flüsternd.

      Es war sinnlos, was ich tat.

      In dem Raum befand sich nichts, was ich dort zurückgelassen hatte, und nichts, was mir irgendwie weiterhelfen konnte. Meine Handlungen waren lediglich Reaktionen meines Unterbewusstseins auf die geistige Verarbeitung meiner Erkenntnis, dass ich zu lange schon versucht hatte, möglichst alle Gedanken an Atlan zu unterdrücken und mich statt dessen mit Erinnerungen an meinen ersten Ritter zu quälen.

      Es war eine selbstzerstörerische Quälerei gewesen. Das wurde mir im Nachhinein klar, und mir wurde auch klar, dass ich daran zugrunde gegangen wäre, hätte ich mich nicht aus diesem Teufelskreis befreit.

      Das hieß, eigentlich war ja nicht ich es, der sich aus dem Teufelskreis befreit hatte, es war Atlan gewesen, der den Anstoß dazu gegeben hatte.

      Stöhnend wühlte ich mich aus den Pflanzenfasern, kroch zur Tür, öffnete sie und blickte verzweifelt hinaus in die Nacht.

      Atlan war in Gefahr – und ich musste ihm helfen.

      Aber wie sollte ich ihm helfen, wenn ich nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür hatte, wo er sich aufhielt?

      Ich rappelte mich hoch und betrat die Treppe.

      Sie schwankte erneut, schwenkte aber diesmal nicht aus, sondern blieb in ihren Halterungen liegen.

      Ich tastete mit der rechten Hand nach dem wackeligen Geländer, legte die Hand darauf und stieg Stufe um Stufe hinab.

      Wenn ich nicht wusste, wo sich Atlan befand, musste ich ihn suchen – und wenn ich keine Ahnung hatte, wo ich mit der Suche beginnen sollte, musste ich da beginnen, wo ich gerade war.

      *

      Ich überquerte gerade eine schmale, schwankende Hängebrücke, die zwischen zwei vorspringenden Bauelementen gespannt war, als der Wind aufkam.

      Es war ein eisiger Wind.

      Ich hastete über die Brücke und suchte in den jenseitigen Bauelementen nach einem Eingang. Aber ausgerechnet jetzt, wo ich Schutz vor dem Eiswind gebraucht hätte, fand ich keinen. Es wurde immer kälter. Meine Augen tränten; mein Knochenmark schien zu erstarren.

      Halb lief, halb rutschte ich eine steile Treppe hinunter. Über mir wurde es dunkel. Es schien, als gingen die Sterne aus, aber natürlich bezog sich der Himmel lediglich mit Wolken. Die Sicht wurde katastrophal. Allerdings stieg die Temperatur wieder an. Sie blieb zwar noch unter dem Gefrierpunkt, aber die Luft stach nicht mehr wie mit Eisnadeln in die Haut.

      Am unteren Ende der Treppe stolperte ich und fiel hin. Noch im Fallen sah ich in einem von rechts aus einem Fenster kommenden blassen Lichtkegel die verstreute Landgang-Ausrüstung einer ganzen Gruppe von anscheinend hominiden Raumfahrern.

      Während ich mich wieder erhob, musterte ich die Gegenstände. Ich fand nichts darunter, was ich gebrauchen konnte. Aber die Ausrüstung erinnerte mich wieder an die Piraten, die bis zur Krise Gurays auf Barquass gelebt hatten und die Hals über Kopf geflohen waren, als ihr »Schutzpatron« sie nicht mehr daran hindern konnte.

      Ob sie wohl jemals zurückkehrten?

      Es sah nicht danach aus.

      Guray hatte sie während seiner Krise das Fürchten gelehrt – und die Furcht saß ihnen anscheinend noch so tief in den Knochen, dass sie sich in absehbarer Zeit nicht wieder zurücktrauen würden.

      Was Gurays Selbstvertrauen auch nicht gerade stärken würde!

      Aber darum durfte ich mich im Moment nicht kümmern. Ich drehte mich im Halbkreis und versuchte, mich bei dem spärlichen Licht, das aus dem Fenster fiel, zu orientieren.

      Ich atmete auf, als ich die schmale Gasse wiedererkannte, durch die ich auf dem Herweg gekommen war. Wenn ich diesen Weg zurückging, musste ich in den südlichen Stadtbezirk kommen. Dort kannte ich mich einigermaßen aus. Das hieß, falls sich seit meinem letzten Aufenthalt dort nichts wesentlich verändert hatte. Völlig stabil war ja nichts auf dem Planeten Barquass und in der Stadt gleichen Namens. Die »Anwesenheit« Gurays hatte Veränderungen sozusagen vorprogrammiert.

      Dennoch zögerte ich nicht, den vertrauten Weg einzuschlagen. Mit der rechten Hand an den Außenwänden von Bauelementen tastete ich mich vorwärts. Mehrmals stolperte ich über irgendwelche Objekte: weggeworfenes Gepäck oder tote Körper, ich vermochte es nicht festzustellen – und ich wollte es auch gar nicht wissen.

      Die Enge und Dunkelheit irritierten mich stärker, als ich es für möglich gehalten hätte. Als ich zuletzt durch diese Gasse geeilt war, hatte Tageslicht geherrscht. Im Finsteren sah alles anders aus.

      Als eine Sirene markerschütternd aufheulte, war ich so entnervt, dass ich laut schreiend gegen die Wand zur Linken rannte. Ich prallte mit der Stirn dagegen und taumelte halbbetäubt zurück. Aber wenigstens hatte der Aufprall meine Panik gelöst. Außerdem hatte das Heulen aufgehört – und mir wurde bewusst, dass es die Sirene eines Raumschiffs gewesen war, was ich gehört hatte.

      Die Sirene der STERNENSEGLER!

      Goman-Largo und Neithadl-Off hatten nach mir gerufen.

      Es erleichterte mich und machte mich gleichzeitig nervös. Es erleichterte mich deswegen, weil es mich vom Gefühl der Verlassenheit befreite. Ganz egal, was man über sie sagen konnte, sie waren immer gute Freunde gewesen. Nervös machte es mich allerdings, weil es mir ins Bewusstsein zurückrief, was ich so lange unterdrückt hatte: dass ich meinen Gefährten sechs Wochen lang fast ausnahmslos aus dem Weg gegangen war und sie über meine weiteren Pläne im Unklaren gelassen hatte. Irgendwann mussten sie logischerweise die Geduld verlieren.

      Komisch, bis vor kurzem hätte mich dieser Gedanke nicht beunruhigt. Es wäre mir sogar recht gewesen, wenn Goman-Largo und die Vigpanderin mit der STERNENSEGLER abgeflogen wären, denn dann hätte es nichts mehr gegeben, was mich zur Eile anspornte. Aber jetzt, da ich Atlans Hilferuf gehört hatte, ahnte ich, dass ich schon bald auf die Hilfe meiner Gefährten angewiesen sein würde.

      Sie durften Barquass nicht ohne mich verlassen!

      Ich hob unwillkürlich die linke Hand, an deren Gelenk das Funkarmband saß. Doch dann ließ ich sie wieder sinken. Wenn ich den Tigganoi und die Parazeit-Historikerin jetzt anfunkte, würden sie meine Position einpeilen und kommen, um mich mit mehr oder weniger sanfter Gewalt an Bord zu holen.

      Noch dreimal heulte die Sirene auf, dann schwieg sie wieder.

      Inzwischen hatte ich die schmale Gasse verlassen und mich auf eine Rampe begeben, die ich ebenfalls kannte. Sie war vor langer Zeit ein rollender Transportsteig gewesen, zirka zwei Meter breit und fünfhundert Meter lang. Wenn ich sie überwunden hatte, würde ich mich wieder auf ebenem Boden befinden und brauchte nicht länger in dem Gebäudekomplex im Zentrum der Stadt herumzuturnen.

      Doch