Название | Verarztet! Verpflegt! Verloren? |
---|---|
Автор произведения | Veit Beck |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783961361014 |
Mein erstes Ziel am Freitag war natürlich wieder das Krankenhaus. Wegen der am Krankenhaus häufig kritischen Parkplatzsituation, fuhr ich zur Wohnung meiner Mutter und nutzte die dort vorhandene Tiefgarage. In ihrer Wohnung suchte ich noch ein bis zwei Kleidungsstücke heraus und packte diese zu meinen bereits in der Reisetasche befindlichen T-Shirts. Anschließend machte ich mich zu Fuß auf den Weg in das Krankenhaus. Ich wollte noch früh genug vor Ort sein, um Marianne beim Frühstück zum Essen zu motivieren. Es ging ihr heute offenbar etwas besser, denn nach einer kurzen Begrüßung erneuerte sie gleich die Vorwürfe bzgl. der fehlenden Kleidung. Auch als ich den Inhalt des oberen Spindfachs auf ihrer Bettdecke ausbreitete, besserte sich ihre Stimmung nicht wesentlich. Wie vermutet hatte die Schwester nicht im obersten Spindfach nachgesehen, wahrscheinlich hatte sie aufgrund ihrer Körpergröße auch gar keine Chance gehabt, dort hineinzusehen, geschweige denn dort befindliche Kleidungsstücke herauszunehmen. Ich räumte alles wieder ein, inkl. der neu mitgebrachten Pullover und meiner T-Shirts. Auf diese und ihren Platz im Spind machte ich meine Mutter besonders aufmerksam und bat sie, der Schwester mitzuteilen, dass die verlangten Kleidungsstücke, mangels Alternativen, dort oben deponiert waren.
Weder längeres Warten noch zahlreiche Besuche im Stationsstützpunkt bzw. in den Arztzimmern verschafften mir einen weiteren Kontakt mit einem behandelnden Arzt. Gegen Mittag kehrte ich zur Wohnung meiner Mutter zurück, um meine Mails zu lesen. Schließlich konnte es noch immer sein, dass Marianne schon zu Beginn der nächsten Woche entlassen würde. Daher wartete ich ungeduldig auf Vorschläge zu Pflegehilfen von Frau Kolinek. Aber noch war nichts eingetroffen.
Also zurück in das Krankenhaus. Neben den Genesungsfortschritten meiner Mutter war die Unsicherheit über den voraussichtlichen Entlassungstermin meine Hauptsorge. Also wieder, weil Sprechstunden gab es ja nicht, auf dem Zimmer und dem Flur herumlungern und durch zahllose Besuche im Stationsstützpunkt bzw. den Arztdiensträumen sein Glück versuchen. Aber auch hier kein Erfolg. Ein weiterer verzweifelter Versuch im Stationsstützpunkt, es war mittlerweile der späte Freitagnachmittag, brachte zumindest insoweit Klarheit, dass ich heute nichts mehr erfahren würde. Morgen und übermorgen aber auch nicht; dann war ja Wochenende. Und wann hätte ich am Montag eine Chance? Das konnte man mir nicht sagen. Das Beste, so wurde ich informiert, wäre zu versuchen, die Ärzte telefonisch zu kontaktieren. Dazu bräuchte ich nur im Stützpunkt anzurufen, dann würde die Besetzung versuchen, mich zu den Ärzten durchzustellen. Zumindest schien das eine Option, aber angesichts der Möglichkeit, dass Marianne gegebenenfalls bereits zu Anfang der Folgewoche entlassen werden könnte, war die Information, in Anbetracht des dort mengenmäßig enthaltenen Konjunktivs, nicht gerade beruhigend.
Als ich am späten Nachmittag meine Mails abarbeitete, hatte sich zumindest Frau Kolinek gemeldet. Beiliegend zu ihrer Mail fanden sich vier Profile von potenziellen Kandidatinnen. Ich studierte die Profile kurz und gab Frau Kolinek noch am späten Nachmittag meine Präferenzen durch. Nur wenige Minuten später traf schon die Antwort ein. Sie würde mit der bevorzugten Kandidatin Kontakt aufnehmen und sich so bald als möglich bei mir melden. Voraussichtlich würde sich auch dieser Vorgang, auch in Polen war ja Wochenende, frühestens zu Beginn der nächsten Woche weiterentwickeln.
Das Wochenende verlief wie erwartet. Ich fuhr täglich in das Krankenhaus, wobei ich versuchte, den Besuch so zu timen, dass ich Marianne motivieren konnte, möglichst viel vom Mittagessen zu sich zu nehmen und ihr für den Nachmittag noch ein Stück Kuchen als Aufgabe hinstellen konnte. Ansonsten tat sich nichts. Keine Behandlung, vom täglichen Fieber- und Blutdruckmessen und der Medikamenteneinnahme mal abgesehen. Schmerzen hatte Marianne keine, dafür sorgte schon die übliche und seit Jahren angewandte Schmerzmedikation gegen ihre Wirbelbrüche. Nur ihre Mobilität war nach wie vor schlichtweg nicht gegeben. Ja, ein Neurologe hatte sie zweimal untersucht und Medikamente verordnet, aber besser geworden schien mir ihr Zustand nicht. Im Gegenteil. Marianne war häufig apathisch und schlief fast ausnahmslos, selbstständig essen konnte sie wegen starkem Zittern nur schwerlich, an Gehen war gar nicht zu denken. Sie konnte sich noch nicht einmal im Bett aufrichten bzw. sich nach oben bewegen. Dabei mussten ihr die Schwestern helfen. Wenn ich da war, packte ich sie vorsichtig unter den Schultern und wuchtete sie nach oben. Was kein Problem war, da sie nur noch sehr wenig wog.
Montagmorgens, pünktlich um 10:00 Uhr, wie mit der Schwester am Freitag verabredet, rief ich im Stationsstützpunkt an. Ja, ich musste dafür die eigentlich wichtige Telefonkonferenz mit meinen Kollegen vorzeitig verlassen, aber man muss ja Prioritäten setzen. Nach ca. fünf Versuchen und mindestens ebenso vielen Minuten hob jemand ab. „Nein“, so die Antwort, „im Moment ist kein Arzt verfügbar. Die sind alle noch im OP. Versuchen Sie es doch später einfach nochmal.“ „Wann wäre denn ein sinnvolles später“, fragte ich sicherheitshalber nochmals nach. „Na, so gegen 10:30 Uhr müsste eigentlich jemand da sein.“ Also sich bedanken, verabschieden und zurück in die Telefonkonferenz. Sicherheitshalber wartete ich bis ca. 10:45 Uhr, dann verabschiedete ich mich wieder aus der Konferenz. Diesmal hatte ich Glück. Aber nur insofern, als dass ich beim ersten Versuch Anschluss bekam. Die Nachricht kam schneller, war aber nicht besser. „Nein, es ist kein Arzt erreichbar. Das ist aber auch nicht zu erwarten. Montags dauert es im OP üblicherweise immer länger. Versuchen Sie es doch nochmals um 11:30 Uhr.“ Um 11:30 Uhr sollte zumindest meine beruflich bedingte Telefonkonferenz beendet sein. Und glücklicherweise bekam ich bei dem erneuten Versuch seitens der am anderen Ende der Leitung sprechenden Schwester sogar mitgeteilt, dass sie versuchen würde, mich mit der Ärztin zu verbinden. Und das sogar erfolgreich, da sich kurz darauf Frau Dr. Maternus meldete. „Leider bin ich gerade im Gespräch“, teilte sie mir mit, aber sie würde mich gerne in einigen Minuten zurückrufen. „Ja, meine Nummer ist im Stationsstützpunkt hinterlegt“, antwortete ich ihr auf ihre Frage nach meiner Telefonnummer. Ob es drei oder vier Kunden oder Kollegen waren, die ich mit der Lüge „ich bin gerade im Gespräch, ruf aber später zurück“, konfrontierte, weil ich die Leitung für den Rückruf der Ärztin freihalten wollte, weiß ich nicht mehr so genau. Aber entscheidend war für mich seinerzeit, dass ich endlich eine Gelegenheit bekam, mit einem behandelnden Arzt über den wahrscheinlichen Entlassungstermins sprechen zu können. Nachdem ich mich nach ihrer Einschätzung hinsichtlich des Zustandes meiner Mutter erkundigt hatte, schilderte ich Frau Dr. Maternus das Problem bzgl. einer angemessenen Betreuung meiner Mutter nach ihrer Entlassung. Wir kamen überein, dass meine Mutter frühestens am Freitag entlassen werden sollte, damit ich noch Zeit oder zumindest eine Chance hatte, eine Betreuung zu organisieren. Zum Abschluss verabredeten wir einen erneuten Telefontermin für kommenden Mittwoch 11:30 Uhr.
Danach hatte ich die Gelegenheit noch ein wenig zu arbeiten, bevor es wieder zum Krankenhaus ging. Ach ja, vielleicht zur Einordnung ein paar Worte zu der beruflichen Situation von mir und meiner Frau. Wir arbeiten beide, wenn auch in unterschiedlichen IT-Firmen, als Projektmanager. Das bedeutet neben der Tatsache, dass eine 40-Stunden-Woche in der Regel bei weitem nicht ausreicht, auch viele feste regelmäßig wahrzunehmende Termine, sowie häufig unerwartet auftauchende Probleme, auf die möglichst verzögerungsfrei reagiert werden muss. Mobilität, also viele, auch kurzfristig erforderliche Dienstreisen gehörten eigentlich auch dazu. Also nahezu ideale Nebenbedingungen für die zusätzlich notwendige intensive Betreuung von hilfebedürftigen Angehörigen. Doch zurück zum Wesentlichen.
Der Zustand meiner Mutter war wenig erfreulich. Sie wirkte nach wie vor häufig apathisch, aß kaum und konnte sich kaum bewegen. Ich erkundigte mich bei einer Schwester, ob sie meine Besorgnis teilte und ob die Apathie meiner Mutter quasi ein Dauerzustand wäre. Im Wesentlichen bestätigte die Schwester meine Beobachtungen, verwies mich aber für nähere Auskünfte an die behandelnden Ärzte.
Wer waren denn eigentlich die behandelnden Ärzte? Frau Dr. Maternus hatte ich ja bereits persönlich kennengelernt. Dann hatte ich