Mörder sind nicht zimperlich: 10 Krimis. Walter G. Pfaus

Читать онлайн.
Название Mörder sind nicht zimperlich: 10 Krimis
Автор произведения Walter G. Pfaus
Жанр Зарубежные детективы
Серия
Издательство Зарубежные детективы
Год выпуска 0
isbn 9783745214024



Скачать книгу

kann ich mir denken. Es ist nun mal schöner, wie ein Held zu leben, als wie einer zu sterben. Nur bin ich nicht bereit, Ihnen diese Chance zu geben. Die haben Sie verwirkt. Craig mag ein Mörder sein, aber er hatte immerhin den Mut, sich zu seinem Verbrechen zu bekennen, während Sie sich hinter Ihren Paragraphen verschanzen und so tun, als hätten Sie seinerzeit nichts anders getan, als dem Recht zu dienen. Das Gegenteil ist der Fall. Sie haben es mit Füßen getreten, weil der alte Craig es so wollte.“

      „Das werden Sie niemals beweisen können.“

      Sayers grinste müde.

      „Ich will es gar nicht beweisen, Kimball“, sagte er. „Mir genügt es, dich für den bloßen Tatbestand ins Jenseits zu schicken. Los, gehen wir!“

      11

      Das Telefon schreckte Bount aus dem Schlaf. Er brauchte Sekunden, um sich darüber klar zu werden, wo er sich befand. Er tastete nach dem Hörer, krächzte ein fragendes „Ja?“ in die Sprechmuschel und erkannte auf den Leuchtziffern seines Reiseweckers, dass es kurz vor Zwei war.

      „Sind Sie das, Reiniger?“, tönte ihm eine männliche Stimme entgegen.

      „Am Apparat, ja. Mit wem spreche ich?“

      „Ich bin’s, Hank. Hank Craig“, lallte der Anrufer.

      „Ihre Zunge scheint Mühe zu haben, mit Ihren Artikulierungsversuchen fertig zu werden“, spottete Bount und setzte sich im Bett auf. „Sie haben getrunken.“

      „Und das nicht zu knapp. Hätte ich das nicht getan, wäre ich kaum fähig, mit Ihnen zu sprechen. Ich bin hier unten, in der Hotelhalle. Ich muss Ihnen etwas mitteilen. Kommen Sie herunter, bitte! Rasch, ehe es zu spät ist!“

      „In drei Minuten bin ich bei Ihnen“, versicherte Bount. Er warf den Hörer aus der Hand, stand auf und schlüpfte blitzschnell in seine Kleidung.

      Craig kam ihm in der Halle entgegen.

      „Die Bar ist geschlossen“, lallte er, „aber der Nachtportier hat mir eine Flasche und zwei Gläser besorgt. Wir können in der Lounge ungestört miteinander sprechen.“

      Craig hatte wie entzündet wirkende Augen. Er stieß beim Sprechen mit der Zunge an und torkelte, als er Bount zu den beiden in einer Nische stehenden Sesseln führte, zwischen denen ein kleiner, runder Tisch stand. Die Männer setzten sich. Craig füllte Bounts Glas.

      „Ich habe Sie belogen“, sagte Craig, nachdem er einen tüchtigen Schluck genommen hatte.

      Bount lehnte sich zurück.

      „Und das wollen Sie jetzt gutmachen?“

      „Nicht nur das. Ich will ein Geständnis ablegen. Ich habe versucht, es bei Kimball loszuwerden, aber der wollte mich nicht anhören.“ Craig machte eine wegwerfende, verächtliche Handbewegung. „Ich hätte es mir denken können. Ausgerechnet Kimball! Der tanzte nach der Pfeife meines Vaters, genau wie Leo Conroy. In dieser Stadt gab es damals nur wenige, die den Namen Craig nicht fürchteten. Einer davon war Gilbert Osborne. Er hat seine Standhaftigkeit mit dem Leben bezahlen müssen.“

      Seltsamerweise stieß Craig nicht länger mit der Zunge an. Er sprach allerdings sehr schleppend, wenn auch erkennbar konzentriert.

      „Ich habe sie umgebracht“, sagte er und blickte Bount an.

      „Cynthia?“, fragte Bount.

      „Cynthia Hopkins, wen sonst? Es war kein Mord, es war eher Totschlag, ein Stück Raserei. Ich wollte sie zur Vernunft bringen. Ich schüttelte und würgte sie, wütend und verzweifelt darüber, dass sie mit den Craig-Millionen nichts im Sinne hatte und es vorzog, den Habenichts Osborne zu heiraten. Ich merkte, wie ihr Körper unter meinem Zugriff schlaff wurde, aber ich glaubte, sie simuliere, ich schüttelte sie weiter, dann ließ ich sie zu Boden sinken. Ich kam zu mir. Ich bemühte mich um sie und erkannte, dass es dafür zu spät war. Sie war tot.“ Ein trockenes Schluchzen entrang sich seiner Kehle. Er starrte Bount ins Gesicht. „Tot! Können Sie sich vorstellen, wie mir damals zumute war?“

      „Ich stelle mir vor, wie es Gilbert Osborne zumute war, als sie ihn auf den Stuhl setzten“, sagte Bount langsam.

      Hank Craig schloss die Augen.

      „Schweigen Sie!“, flüsterte er. „Glauben Sie, ich hätte mir das nicht selbst schon vorgestellt? Nicht hundert sondern tausend Mal?“ Er hob die Lider. „Ich kann so nicht weiterleben. Mir ist es egal, ob dieser Verrückte mich auf dem Stuhl enden lässt oder nicht, aber ich will, dass vorher die Wahrheit ans Tageslicht kommt.“

      „Sie könnte Ihnen das Leben retten“, sagte Bount.

      Hank Craigs Mundwinkel zuckten bitter.

      „Was wird das für ein Leben sein? Es wird im Gefängnis enden, nehme ich an. Ich werde keine Freunde mehr haben, keine Frau. Keine Frau!“ Er lachte kurz und hysterisch. „Das ist das einzige was mir daran gefällt.“

      „Ich bringe Sie jetzt nach Hause“, sagte Bount.

      „Nicht nötig, ich bin mit dem Wagen hier.“

      „Ausgeschlossen. Sie sind so voll wie eine Haubitze. In diesem Zustand können Sie nicht fahren.“

      „Kann ich doch!“

      „Können Sie nicht“, sagte Bount und streckte die Hand aus. „Geben Sie mir Ihre Autoschlüssel, bitte.“

      Craig wollte erneut protestieren, aber irgendetwas in Bounts ruhiger, überzeugender Art stimmte ihn um. Er holte den Schlüsselbund aus seiner Hosentasche und ließ ihn in Bounts Rechte fallen. „Kommen Sie!“, sagte Bount.

      „Die Flasche nehme ich mit“, murmelte Craig und setzte seine Worte in die Tat um. „Ich habe dafür bezahlt.“

      Sie verließen das Hotel, gingen zum Parkplatz und setzten sich in den Challenger.

      „Werden Sie auch in nüchternem Zustand zu dem stehen, was Sie mir gesagt haben?“, wollte Bount wissen, als sie losfuhren.

      „Ich weiß es nicht“, murmelte Craig, rutschte tief in den Sitz und nahm einen Zug aus der Flasche.

      „Sie sollten nicht so viel trinken.“

      „Er hat mein Leben verpfuscht“, sagte Craig.

      „Wer, Osborne?“

      „Nein, mein Vater. Er wollte mich vor dem Gefängnis bewahren und hat mich stattdessen in die Hölle entlassen. Es war die Hölle, das dürfen Sie mir glauben. Warum hatte ich bloß damals nicht den Mut, die Wahrheit zu bekennen? Öffentlich, vor aller Welt? Ich kenne den Grund. Ich hatte Angst vor meinem Alten. Was er sagte, war in der Familie Gesetz. Nicht nur in der Familie. Auch in Hammond. Sogar Kimball hat nach seiner Pfeife getanzt.“

      „Wissen Sie, was Sie da sagen?“

      „In vino veritas. Ich fühle mich seltsam frei. Sogar beschwingt. Das hat nichts mit dem Whisky zu tun, sondern einfach damit, dass ich mir von der Seele reden durfte, was mich bedrückte ... fünfundzwanzig Jahre lang!“

      „Morgen wird es Ihnen schwerfallen, diese Euphorie aufrechtzuerhalten.“

      „Was raten Sie mir?“, fragte Hank Craig. „Soll ich mich der Polizei stellen?“

      „Sprechen Sie erst einmal mit Ihrem Anwalt“, empfahl Bount.

      „Ich hasse Anwälte.“

      „Er wird versuchen. Ihnen zu helfen.“

      „Er wird mich mit einer überhöhten Liquidation übers Ohr hauen“, knurrte Craig. „Ach, zum Teufel damit! Dank der Hinterlassenschaft meines Vaters hatte ich Zeit meines Lebens genug Geld, um mir so ziemlich alles leisten zu können, was mich reizte. Es hat mich nicht glücklich gemacht. Man ist nicht glücklich, wenn man ein Menschenleben auf dem Gewissen hat, sogar zwei, wenn man’s genau nimmt, nämlich