Название | Hermann Broch und Der Brenner |
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Автор произведения | Группа авторов |
Жанр | Документальная литература |
Серия | Edition Brenner-Forum |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783706561211 |
Kraft war eng mit Hermann Broch und Ernst Schönwiese vernetzt; ebenso wurde aber auch Ludwig von Ficker zur wichtigen Anlaufstelle. Schönwiese war eine der ersten Persönlichkeiten des kulturellen Lebens, mit der er nach Kriegsende in Österreich brieflich in Kontakt getreten war, die Wiederaufnahme des Briefverkehrs mit Ficker folgte nur wenig später. Dieses Verhältnis findet in Krafts Publikationen einen Widerhall: Er hatte 1946 im silberboot Aufsätze u.a. zu Karl Kraus, Rudolf Borchardt, Goethe und Paul Valéry sowie eigene Gedichte und Teile seines Romans Der Wirrwarr veröffentlicht26 und 1948 zu Kraus im Brenner publiziert.27 Kraft stand in der Zwischenkriegszeit und nach dem Weltkrieg mit Broch in brieflichem Kontakt und gab seinerseits Informationen über die eigene Situation im Exil, aber auch über das Befinden und die kulturellen Aktivitäten anderer Exilant*innen weiter. In diesem Sinne nahm er die Rolle eines Kulturvermittlers ein – eines Vermittlers aus der geographischen Ferne freilich, da er sich dazu entschieden hatte, nicht mehr nach Deutschland zurückzukehren, sondern in Jerusalem zu verbleiben. An Ludwig von Ficker berichtete er am 29. August 1948:
Eben erhalte ich von Hermann Broch in Princeton – dessen „Tod des Vergil“ ich für ein außerordentliches Buch halte – einen Brief, aus dem hervorgeht, daß er meine Aufsätze über Kraus und Supervielle gelesen hat. Leider ist er seit Monaten krank, wenn auch auf dem Wege der Besserung und arbeitsfähig.28
Obwohl prinzipiell gutes Einvernehmen zwischen Kraft und Ficker bestand, nahm Ficker die Nachricht offenbar nicht zum Anlass, näher auf diesen Verweis einzugehen. In der überlieferten Korrespondenz lässt sich kein Hinweis auf eine dezidierte Antwort auf den Brief ausmachen, vielmehr klafft eine dreijährige Lücke bis zur nächsten Kontaktnahme. Umso erstaunlicher erscheint deshalb der Umstand, dass Ficker elf Jahre später [!] im Jänner 1959 in einem Brief an Kraft einen unmittelbaren Bezug zu dessen Interpretation des Brochschen Tod des Vergil herstellte. Vermutlich als Reaktion auf ein Gespräch bei einer persönlichen Begegnung, bezog sich Ficker dort auf Krafts Vergil-Interpretation, die in der Zeitschrift Eckart erschienen war.29
Die Ausführungen, mit denen er diesen Text kommentiert, sind von jenem Duktus geprägt, der Ficker unverwechselbar zueigen war und der sich oftmals in schwer verständlichen Formulierungen manifestiert.30 So ist auch in der betreffenden Briefstelle die Bedeutung der Phrasen nicht leicht zu entschlüsseln. Trotz der Nebulosität der Formulierungen scheint aber durch, dass Ficker mit dem Bild, das Werner Kraft von Broch gezeichnet und durch seine Publikationstätigkeit auch öffentlich verbreitet hatte, durchaus einverstanden war:
Was Ihre Ausführungen zu Brochs „Tod des Vergil“ betrifft, so war ich erstaunt. Es ist das Tiefstüberdachte in all dem Wohlbedachten, das ich von Ihnen gelesen habe. Welch ein Aushub beachtlicher Gesichtspunkte in der Konfrontierung mit einem Werk, das, geschaffen von einer geistigen Kapazität, in der sich Denker und Dichter ergreifend durchringen, zu einer Form der Ausreflektiertheit aufgeblüht ist, die als Beispiel eines erhabenen Dilemmas der Erkenntlichkeit zwischen persönlicher und menschlicher Gewissenhaftigkeit mächtig zum Nachsinnen anregt! Wie aufschlußreich sind da auch die Zitate, die Sie aus Ihrem Briefwechsel mit Broch hervorheben!31
Neben Werner Kraft, dessen Bedeutung für die Kulturvermittlung erst allmählich und nach wie vor nur bruchstückhaft erkannt und wahrgenommen wird, tritt mit Friedrich Torberg eine weitere Persönlichkeit als Impulsgeber aus dem Broch-Umfeld an Ficker heran. Torberg hatte im Frühjahr 1938 unmittelbar nach dem ‚Anschluss‘ ebenfalls die Flucht ins Exil angetreten, war aber im Gegensatz zu Kraft 1951 wieder nach Österreich zurückgekehrt. Unmittelbar nach seiner Ankunft hatte er damit begonnen, sich neben bzw. gemeinsam mit Hans Weigel als selbsternannter Proponent des (antikommunistisch apostrophierten) kulturellen Wiederaufbaus zu positionieren. Torberg trat im Jänner 1961 aus der Peripherie in das Netzwerk ein, das im Zeitraum von rund einem Jahrzehnt rund um die Besorgungsaktion der Broch-Briefe für die Gesamtausgabe entstanden war. An Ficker schrieb er: „Vielleicht haben Sie schon davon gehört, dass der Rhein-Verlag (Zürich) im Rahmen der Gesammelten Werke von Hermann Broch einen Ergänzungsband herausbringt, der u.a. auch Ihren Briefwechsel mit Broch enthalten wird“.32 Torberg handelte mit seiner Anfrage aber stärker aus persönlichen Motiven heraus, denn im Gegensatz zu den zuvor Zitierten verfolgte ein anderes Ziel:
Im kommenden Mai jährt sich Hermann Brochs Todestag zum 10. Male und ich muss Ihnen nicht erst sagen, wie glücklich ich wäre, wenn unter den Aufsätzen, die wir aus diesem Anlass veröffentlichen (und zu denen ich ein paar unerhebliche persönliche Erinnerungen beisteuern will) auch ein Beitrag von Ihnen wäre. Sie haben noch hübsch ein paar Monate Zeit dafür, und ich hoffe sehr, dass es Ihnen möglich sein wird, meine Bitte zu erfüllen.33
Die Briefe Fickers an Torberg, die sich im Nachlass Torbergs in der Wienbibliothek im Rathaus befinden, geben Aufschluss darüber, dass Ficker die Anfrage einmal mehr abschlägig beschied und den Ball erneut an Schönwiese zurückspielte. Er bemerkte: „Was Ihre Anfrage wegen Broch betrifft, so muß ich Sie bitten, sich mit Dr. Schönwiese in Verbindung zu setzen. Er gibt ja diesen Ergänzungsband heraus und in seinen Händen befinden sich noch die Briefe von Broch an mich, die ich ihm letzten Sommer zur Einsicht übermittelt habe.“34
Die Wissenschaftler*innen (Walter Bapka und Sidonie Cassirer)
Neben der Rezeption durch Vermittlerpersönlichkeiten, die sich dem kulturellen Wiederaufbau verschrieben hatten, geriet Hermann Broch nach 1945 zunehmend in den Fokus von Akteuren des Wissenschaftsbetriebs, die auch im Umfeld des Brenner ihre Forschungen betrieben. Zum einen trat Walter Bapka nach Kriegsende aus wissenschaftlichem Interesse an Broch mit Ficker in Kontakt. Bapka hatte bereits 1950 zur frühen Phase der Zeitschrift eine Dissertation verfasst35 und sich 1963 mit seiner Familie in Salzburg als Gymnasialprofessor niedergelassen. Konkret fasste Bapka in seinem Brief an Ficker vom 24. Juli 1965 mit dem Tod des Vergil ein Werk von Broch ins Auge, das er mit einem definierten