Gesammelte Werke. Ernst Wichert

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Название Gesammelte Werke
Автор произведения Ernst Wichert
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788027237517



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im Lande! Kein Monat wird vergehen, so ist der König von Polen unser Herr, und er wird's uns danken.

      Ritter Arnold besann sich. Es geht nicht, Niklas, entschied er dann, es ist mir wider Ehre und guten Namen. Erst muß dies ausgefochten werden.

      Renys wandte sich mit Achselzucken von ihm ab; Hans aber legte die Hand auf seinen Arm und sagte: Ich danke dir, Vater.

      So waren sie eine Strecke vorgeschritten und dicht an den Feind gekommen, dessen vorderster Haufe gegen sie anritt. Da senkte sich plötzlich das kulmische Banner mit den rot geflammten Linien und dem kleinen schwarzen Kreuz darüber. Auch andere Banner rechts und links wurden unterdrückt. Es entstand eine Stockung und Rückwärtsbewegung – die wenigsten wußten, um was es sich handelte; viele nahmen's für ein Zeichen zur Flucht und kehrten um. In der Nähe des Hochmeisters ließ sich der Ruf »Verrat!« hören. Er blickte zurück, und sein Herz krampfte sich in Zorn und Schmerz zusammen. Nun war keinen Augenblick zu zögern, wenn schmachvolle Flucht abgewandt werden sollte.

      Er sprengte auf seinem weißen Schlachtroß vor, schwenkte die Lanze gegen den Feind hin und rief mit mächtiger Stimme: Herum, herum! Das wirkte. Nur wenige entwichen, die meisten wollten den Meister nicht im Stiche lassen und folgten ihm mit mutigem Zuruf.

      Da rennt der polnische Ritter Dobeslav Olesniczky kühn mit gefällter Lanze gegen die Schar an. Der Hochmeister selbst eilt, den Stoß aufzufangen, voraus. Gegen ihn schleudert der Ritter sein Geschoß, aber zur rechten Zeit beugt er das Haupt, und es fliegt darüber hinweg, Heinz von Waldstein, der dicht hinter ihm reitet, an der Schulter streifend. Nun wirft der Meister seinen Speer; er trifft des Gegners Streitroß, daß es sich bäumt und den Reiter abwirft. Ehe er sich noch erheben kann, rast eine polnische Reiterschar über ihn hin, den Fähnlein des Meisters entgegen.

      Und nun beginnt ein letzter Kampf um Tod und Leben, ein entsetzliches Ringen und Morden auf der blutgetränkten Walstatt. Lanzen splittern, Speere sausen, hageldicht fallen die Schwerthiebe. Eisenhüte und Stahlschienen zu brechen. Haufen von Leichen türmen sich um die Paniere. Die Streiter des Ordens wollen nicht weichen. Aber der Polen Schar wächst, schon kämpfen drei gegen einen. Ulrich von Jungingen, der ritterliche Held, ist auf seinem weißen Rosse allen voran. Den Tod im Herzen, verzweifelnd an des Ordens Glück, nur noch bestrebt, die Ehre zu retten, wirft er sich mit Riesenkraft immer von neuem gegen den Feind. Nur noch wenige Begleiter sind ihm zur Seite. Da fällt Kuno von Lichtenstein, der edle Großkomtur, der noch standgehalten hatte, in dem Schlachthaufen seiner Österreicher, da sinkt der Ordensmarschall Friedrich von Wallenrod tödlich getroffen vom Pferde, da endet des Ordens Trappier, der erlauchte Graf Albrecht von Schwarzburg, sein Leben, das er tapfer verteidigt hat. Der Hochmeister blutet aus vielen Wunden, aber sein Arm wird nicht matt. Neben ihm kämpft Heinz von Waldstein, deckt ihm den Rücken, fängt mit seinem festen Schilde die wuchtigen Speere der Angreifer auf. Gottes Lohn! ruft ihm der Meister mehr als einmal zu. Da durchrennt der lange Spieß eines Tatarenhäuptlings des Junkers treues Pferd, daß es in die Knie sinkt und den Reiter überwirft. Er sucht sich aus dem Bügel frei zu machen, aber das Sporenrad hat sich im Riemenzeug verwickelt. Hinter ihm holt ein Pole mit der Streitaxt aus und läßt sie schwer auf sein Haupt niederfallen. Der Eisenhut spaltet, das Visier springt ab, unter dem krausen Haar hervor ergießt sich ein Strom roten Blutes über Stirn und Wange. Er will das Schwert heben, aber die Sehnen des Armes versagen den Dienst. Die Sinne schwinden ihm. Mit dem Schmerzensruf »Maria –!« sinkt er rücklings über neben dem verröchelnden Pferde. Der Meister sieht sich um nach seinem Gefährten. Es ist der letzte Augenblick seines Lebens. Von zwei tödlichen Geschossen auf die Stirn und in die Brust getroffen, stürzte er vom Streitroß zu Boden, und »sein Heldengeist entwich«.

      Da füllte der Polen wildes Siegesgeschrei die Luft, als sie den Meister niedergeworfen sahen. Die nächsten sprangen vom Pferde, lösten ihm den kostbaren Kriegsmantel und brachten ihn dem König als Siegesbeute. Als aber Jagello das blutige Gewand mit dem Kreuze sah und den Bericht hörte von des Meisters letzten Taten und heldenhaftem Tod, da überkam seine feige Seele ein Zittern der Furcht vor dem toten Löwen, und kein heuchlerisches Wort wollte über seine bleichen Lippen. Man will Tränen in seinen Augen gesehen haben, und die Schmeichler sagten, es seien Tränen der Rührung gewesen.

      Witowd aber, der tapfere Mann, ließ sein Schwert in die Scheide gleiten und sagte: Unsere Arbeit ist getan. Gelöst ward mein Schwur – nie mehr erhebt sich der Orden von diesem jähen Fall. Sein Meister aber ist gestorben wie ein Held. Ehre seinem Andenken auch bei seinen Feinden.

      Es war nicht länger mit dem Rückzug zu zögern, wenn nicht auch der kleine Rest des Ordensheeres der Vernichtung preisgegeben werden sollte. Nur drei von allen Gebietigern, die bei Tannenberg mitgekämpft hatten, waren nicht tot oder verwundet in Gefangenschaft geraten: Werner von Tettingen, der Oberst-Spittler, Johann von Schönfels, Komtur von Danzig, und Graf Friedrich von Zollern, Komtur zu Balga. Alle andern waren erschlagen mit sechshundert Brüdern und vierzigtausend von gemeinem Kriegsvolk. Die drei sammelten die kleinen Häuflein, die auf dem Schlachtfelde hier und dort noch aufrechtstanden, und führten sie zurück über den Acker von Grünfelde nach dem Lager bei Frögenau, immer kämpfend mit dem verfolgenden Feinde bis zum späten Abend hin. Dort lösten sich die Scharen gänzlich auf. Wer dem Tode entgangen war, suchte nach der Heimat zu entkommen.

      Unter denen, die sterbend am Boden lagen, war auch der Ritter Arnold von der Buche. Ein Lanzenstich hatte seinen Leib zwischen Plate und Beinschienen getroffen; die Eisenspitze war abgebrochen und steckengeblieben. Neben ihm kniete sein Sohn Hans, das schon schwere Haupt im Arm haltend und mit seiner Schärpe den Todesschweiß von der Stirn trocknend. Es ist aus mit mir, keuchte der Ritter, keine halbe Stunde Leben habe ich mehr. Laß mich liegen und rette dich – vielleicht erbarmt sich einer von den Litauern oder Tataren, die das Feld nach Beute absuchen, und spaltet mir den Schädel. Ich bitte dich, Hans, mache dich davon und überlasse mich meinem Schicksal.

      Das wolle Gott nicht, antwortete der Sohn, daß ich so lieblos an meinem Vater handle. Auch ich habe nichts zu verlieren als das Leben, und wenig kümmert's mich nach dieser Schmach, ob ich mir's erhalte. Ich bleibe bei dir bis zu deinem letzten Atemzuge.

      Der Ritter drückte ihm die Hand. Du hast ein treues Herz, sagte er. Aber wer weiß, wofür du aufbewahrt bist vom Himmel. Bedenke, daß ich keinen Sohn habe außer dir – du bist mein Erbe, die ganze Hoffnung meines Stammes. Ich lasse ein Weib zurück, Hans – daß ich nie zum zweiten Male gefreit hätte oder nicht gefreit hätte unter den Töchtern des Feindes! Ich ließ mein Auge verblenden von ihrer Schönheit – Cornelia reichte mir die Hand –, aber ihr Herz war immer drüben bei ihren Landsleuten, und das meinige machte sie abwendig von der rechten Liebe zur deutschen Heimat. Tausendmal hab' ich's bereut, und nun ich sterbe, beichte ich's in deine Seele. Aber die Polin ist mein Weib und wird meine Witwe sein – halte sie in Ehren und sorge, daß es ihr an nichts fehle.

      Deshalb darfst du unbekümmert sein, Vater, versicherte ihm Hans. Habe ich doch durch sie eine Schwester –

      Natalia! fiel der Ritter seufzend ein. Sie am meisten liegt mir am Herzen, und ich kann nichts für sie tun, als sie deiner brüderlichen Obhut empfehlen. Sie ist ein so wildes, leidenschaftliches Geschöpf –

      Ich liebe meine Schwester, sei dessen gewiß, Vater; ich liebe sie von ganzem Herzen und werde mit ihr teilen, was mein ist und was dem Erben zu teilen erlaubt ist nach des Landes Rechten. Vertraue mir.

      Ich vertraue dir, mein Sohn. In dir schlägt das gute Herz deiner teuren Mutter, die ich bald drüben wiederzusehen hoffe. Und noch eins, Hans, bevor ich die Augen schließe. Löse mir den Gurt – innen auf der linken Seite findest du eine Tasche eingenäht – darin steckt ein Schlüssel – so, so! Hast du ihn? Ich sehe nicht mehr gut. Der Schlüssel öffnet das Zimmer im Turm unseres alten Hauses, darin steht eine Lade mit dem Bundesbrief der Eidechsen – alle ihre Siegel hängen daran. Auch die anderen Schriften der Gesellschaft liegen dort wohlverwahrt neben dem Schwert mit Kreuzgriff, auf das jeder, der dem Bunde beitritt, den Eid leistet, unverbrüchlich das Geheimnis zu bewahren. Laß nichts davon in des Feindes Hand fallen, sondern vergrabe die Lade in die Erde, bis du sie einmal sicher den Ältesten aushändigen kannst, die diesen Tag überleben. Und versprich mir, daß du selbst dem Bunde beitreten willst –

      Vater! rief Hans erschreckt.