Gesammelte Werke. Ernst Wichert

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Название Gesammelte Werke
Автор произведения Ernst Wichert
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788027237517



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tat, abziehen und ihr reichen. Sie lobte die zierliche Fassung der blauen Steine und steckte selbst den Ring nach der Reihe an jeden Finger ihrer schmalen Hand; für jeden war er zu groß. Ich müßte erst hineinwachsen, scherzte sie; die Danziger Kaufmannstöchter haben ein volleres Maß.

      Und doch ist Maria Huxer gar fein gebaut, versicherte Heinz, und eine kleinere Hand glaube ich vorher nicht gedrückt zu haben!

      Ihr habt ihr die Hand gedrückt – ei, ei!

      Heinz errötete. Beim Tanz.

      Drückt man den Damen beim Tanz die Hand im Artushofe zu Danzig?

      Ihr wollt mich verlegen machen, und es gelingt Euch. Er griff nach dem Ringe.

      Sie schloß neckisch die Hand. Erst beschreibt mir das Fräulein und sagt, wie Ihr den Ring gewonnen habt. Nicht wahr, Maria hat himmelblaue Augen und flachsblondes Haar?

      Er schüttelte den Kopf. Es war ihm nicht lieb, so ausgefragt zu werden, aber sie gab den Ring nicht eher frei, bis sie alles wußte. Dann mahnte sie ihn an den Wettritt.

      Das ist Torheit, sagte Hans, du bist zu waghalsig beim Reiten und wirst noch einmal Schaden nehmen.

      Nun bestand sie erst recht auf ihrem Stück. Wir wollen sogleich nach dem Stall gehen, schlug sie vor, und die Pferde aussuchen. Wenn Ihr wollt, trete ich Euch auch meinen Braunen ab und wähle mir ein anderes.

      Sie sprang auf, tanzte singend über den Rasen hin, umarmte und küßte das Reh und winkte den Junkern, ihr zu folgen. Man muß ihr schließlich in allem den Willen tun, bemerkte Hans, auch in dem Unvernünftigsten.

      Die Pferde mußten sofort gesattelt werden. Auch die polnischen Herren gesellten sich nun zu ihnen und wollten mit von der Partie sein. In scharfem Trabe ging's hinaus bis zur Heide. Dort auf dem mit Steinen überschütteten und mit allerhand dichtem Kraut bewachsenen Boden sollten die eigentlichen Reiterkünste beginnen. Wer folgt mir? rief das Fräulein, die Gerte schwingend. Ihre Begleiter setzten mutig nach, aber bald gab Junker Hans das Rennen auf, und auch die Polen blieben zurück. Sie seien nicht daran gewöhnt, auf den großen Pferden zu reiten, entschuldigten sie sich. Heinz war dicht hinter dem Braunen her. Schlagt mich an, wenn Ihr könnt, rief sie ihm zu, und lenkte plötzlich links und dann wieder rechts ab. Nun war's ihm eine Ehrensache, nicht ausgelacht zu werden. Immer aufmerksam auf die Steine im Wege, suchte er ihr Pferd beim Seitensprunge abzufangen. Aber wenn ihm das auch ein paarmal gelang, so wußte sie es doch so schnell herumzuwerfen und zugleich den schlanken Körper so geschickt zur Seite zu biegen, daß seine Hand sie nicht erreichte. Endlich half ihm doch eine Kriegslist zum Ziel, indem er unerwartet seinen Gaul parierte und den Braunen so bei der Wendung auflaufen ließ. Angeschlagen! rief er, indem er ihre Schulter berührte.

      Sie gab ärgerlich dem Braunen mit der Gerte einen Schlag über den Kopf. Es gilt, sagte sie. Aber nun nehmt Ihr Euren Vorsprung; ich will Euch noch vor jenen drei Steinen anschlagen.

      Das ist unmöglich.

      Versuchen wir's!

      Er setzte von neuem die Hacken ein. Aber sei's, daß sein Pferd schon ermüdet war, sei's, daß er dem Fräulein die Revanche nicht zu schwierig machen wollte, er zeigte sich jetzt beim Ausweichen lange nicht so geschickt, als vorhin beim Verfolgen, und mußte sich schon hundert Schritte vor den Steinen für besiegt erklären.

      Natalia war befriedigt. Ihr seid ein guter Reiter, Junker, sagte sie, aber wenn Ihr einmal den Feind hinter Euch habt, könnte es Euch doch schlecht gehen.

      Dazu, hoffe ich, soll's niemals kommen, antwortete er.

      Wißt Ihr, daß es vor Euch noch keinem gelungen ist, mich anzuschlagen? fragte sie nach einer Weile. Vor einem Jahre war der Großschäffer von Königsberg, Herr Georg von Wirsberg, hier auf Burg Rheden, um in Handelsgeschäften des Ordens nach Thorn zu gehen, verkehrte auch viel auf den Gütern in der Nachbarschaft und war häufig unser Gast. Der hatte sich lange am Hofe des Königs Wenzel von Böhmen aufgehalten und wußte viel zu erzählen von kühnen Jagdritten in den böhmischen Wäldern und wie er allen stets voraus gewesen. Ich glaubte anfangs, daß er prahle, weil er auch sonst gern den Mund voll nahm, aber er war wirklich ein trefflicher Reiter, wie ich's ihm bezeugen muß. Mit dem hab' ich auf dieser selben Heide auf Anschlagen geritten, dreimal, und es ist ihm nicht gelungen, mich zu treffen, so nahe er mir auch kam. Euch hab' ich den Sieg lassen müssen.

      Treiben auch die Deutschordensritter solches Spiel? fragte Heinz verwundert.

      Ei, entgegnete sie lachend, es trägt mancher den weißen Mantel mit dem schwarzen Kreuz gar feierlich im Kapitelsaal, der außerhalb der Schloßmauern ein lustiger Geselle ist! Ich weiß nicht, wie dieser Georg von Wirsberg zu seinem Gelübde kam, aber so viel ist gewiß, daß es ihm das Leben nicht verkümmert. Er ist ehrgeizig und verschlagen, dabei geschmeidig und von feiner Lebensart, in allen höfischen Künsten wohlerfahren und bei vielen großen Fürsten sehr angesehen. Er hätt's vielleicht auch außer dem Orden zu etwas gebracht.

      Durch Frauengunst? fragte der Junker. Er wußte selbst nicht, wie ihm das auf die Zunge kam.

      Sie sah ihn forschend an. – Kann sein.

      Die anderen Herren ritten ihnen entgegen und nahmen sie in ihre Mitte. Die Polen erschöpften sich in Lobsprüchen der Reitkunst des Fräuleins. Laßt nur das Rühmen, sagte sie, die Lippe beißend, ich merke doch, daß ihr mir nur die Niederlage versüßen wollt. Von heute ab gehe ich keine Wette mehr ein.

      Hans von der Buche nahm den Freund ein wenig zur Seite. Es freut mich, zischelte er ihm zu, daß du ihr nicht den Sieg gelassen hast. Sie wird nun nicht mehr so übermütig sein.

      Aber ich werde mich schnell um ihre Gunst gebracht haben, meinte Heinz. Das fürchte nicht, entgegnete jener. Gerade im Gegenteil. –

      Natalia fand es schon langweilig, im Schritt zu reiten. Sie gab ihrem Braunen einen leichten Schlag mit der Gerte und sauste davon, dem Hofe zu. Die Herren folgten.

      Gegen Abend fand sich im Gutshause eine ansehnliche Gesellschaft ein. Die ganze Nachbarschaft war zu Ehren der polnischen Verwandten geladen. Herren und Damen kamen zu Pferde. Da wurde der Landesritter Nikolaus von Renys vorgestellt und sein Bruder Hannus, der jetzt von Polkau hieß, da er eine reiche Witwe geheiratet hatte, die dort angesessen war; ferner Friedrich von Künthenau, der bei Rheden im Dorfe Kittnow begütert war, mit seiner Frau und seinen Töchtern. Es war bekannt, daß diese drei zu den Stiftern des Eidechsenbundes gehörten: der vierte, Nikolaus von Künthenau, war kürzlich verstorben, sein Sohn aber, Nitsche mit Namen, fehlte nicht. Auch einen Ritter Otto von Konyad hörte Heinz nennen, einen Ritter Nikolaus von Pfeilsdorf, einen Hans von Czippelyn, der Erbschulze im Dorfe Szcepil war, einen Günther von der Delau und andere, die ihm Hans als Eidechsenritter bezeichnete. Einige von ihnen trugen auch das Zeichen der Eidechse an ihrem Hut oder auf der Gürtelschnalle oder im Schwertknopf. Alle brachten sich nach polnischer Sitte eine zahlreiche Dienerschaft mit, so daß es auf dem Hofe und in den Ställen bald lustig zuging.

      Die jungen Herren und Fräulein vergnügten sich im Garten auf dem Rasen mit Ballspiel. Bald fanden sich auch drei Zigeuner ein, die auf wunderlich gestalteten Saiteninstrumenten eine wilde Musik machten, wie sie Heinz noch nie gehört hatte. Natalia forderte zum Tanz auf, und sogleich wirbelten die Paare im Kreise um. Es war nicht der gewohnte Reigen, zu dem man antrat, sondern ein Schleifer, der Ungarisch genannt wurde, und es folgte darauf eine polnische Mazurka. Heinz wollte sich nicht auf den Tanzplan wagen, weil er sich ungeschickt zu benehmen befürchtete; aber Natalia wollte nicht leiden, daß er müßig zur Seite stehe. So umfaßte er sie denn und drehte sich mit ihr auf dem Rasen nach dem Takte der rauschenden Musik um, bis ihm der Kopf schwindelte. Es glückte besser, als er erwartet hatte, und das Fräulein lobte wenigstens die Sicherheit seiner Führung. Er beteiligte sich nun lebhafter, kehrte aber immer wieder zu seiner ersten Tänzerin zurück, da keine ihm gleich gefällig über alle Fehler hinweghalf und ebenso leichtfüßig über den Boden hinschwebte.

      Als es dunkelte, wurden Teertonnen angezündet und rund im Kreise lange Pechfackeln in den Boden gesteckt. Schwarzer Rauch lagerte sich über den Tanzplatz oder zog durch die Kronen der Bäume; wie in rotem Licht drehten sich die Paare, bald grell beleuchtet, bald wie Schatten aus