Die Turnachkinder im Sommer. Ida Bindschedler

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Название Die Turnachkinder im Sommer
Автор произведения Ida Bindschedler
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9788726583854



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das sich schleunigst entfernte und nicht die geringste Anhänglichkeit zeigte trotz der liebevollen Behandlung.

      Nur einmal sprang ein großer Frosch freiwillig zurück in das Glas, das von den Kindern Aquarium genannt wurde. Unter Jubel trugen sie ihn wieder nach Hause.

      «Das ist ja ganz ähnlich wie in der schönen Geschichte von dem getreuen Sklaven, die ich einmal als Kind gelesen habe», sagte Balbine. «Er hat, glaub’ ich, Alexius geheißen.»

      Alexius – nun hatte der anhängliche Frosch einen Namen. Nachdem er auf Mamas Anordnung zum zweitenmal ins Klaregg getragen worden war, behielten ihn die Kinder im Auge. Er bewohnte den ganzen Sommer denselben Wassertümpel. Manchmal saß er unbeweglich auf einem Stein. Die Kinder behaupteten, er sehe sie freundlich an und wolle gewiß gern wieder ein wenig in die Seeweid kommen; er lasse sich auch ganz leicht fangen. So geschah es, daß er noch ein paarmal in der Turnachfamilie zu Gast war. Jeder im Hause kannte den dicken Alexius.

      An dem Samstag jedoch, da die Kinder mit Glas und Netz und Botanisierbüchse ausgezogen waren, schien es nichts zu geben fürs Aquarium. Sie kauerten alle drei über einem kleinen Tümpel und sahen in das trübe Wasser, aber umsonst.

      «Marianne», sagte Hans, «du mußt mit dem Stock im Wasser hin und her fahren; dann schwimmen die Molche vielleicht bei mir herauf.»

      Marianne bewegte ihren Stock; kein Molch wurde sichtbar.

      «Ich möchte wissen», sagte sie, «was eigentlich da unten ist. Es muß etwas Flaches, Großes sein; ich kann es mit dem Stock vorwärts stoßen.»

      Hans kam hinzu. Das mußte man herausbringen. Er legte sich auf den Boden und griff, nachdem er den Ärmel aufgestülpt, hinein; aber er kam nicht auf den Grund und fiel beinahe ins Wasser. Nun suchte er sich auch einen Stecken und einen für Lotti, und mit vereinten Kräften machten sie sich daran, das geheimnisvolle Ding zu heben. Einmal brachten sie es fast heraus; es war rund und schwarz, sank aber wieder zurück in den schlammigen Grund. Alle drei Kinder schrien laut auf. Hans sagte, Lotti sei schuld, und Lotti klagte Marianne an. Das zweitemal brach Hansens Stock, und es war wieder nichts. Das drittemal brachten sie das Ding vollständig ans Tageslicht. Es war schwer wie ein Stein und etwa so groß wie ein Eßteller. Hans trug es zum See, um die schwarze, schlammige Kruste abzuwaschen. Er rieb und rieb.

      «Es kommt ein Kranz heraus ringsum», sagte er, «und jetzt – ein Mann in der Mitte und eine Frau und unten – wartet – seltsame Buchstaben –»

      «Zeig, zeig!» baten Marianne und Lotti. Hans wies ihnen das eingegrabene Bild; aber er gab die Scheibe nicht aus den Händen, sondern sah sie immer mit ernsthaftem Gesicht an und drehte sie nach allen Seiten.

      «Marianne, Lotti – ich glaube, wir haben etwas sehr, sehr Wichtiges gefunden, etwas ganz Uraltes – wahrscheinlich aus der Pfahlbauerzeit –»

      Die Schwestern hörten erstaunt zu.

      «Das war ein altes Volk, das in den Seen auf Pfählen lebte –»

      «Oh», sagte Lotti, «auf Pfählen? das war nicht angenehm!»

      «Ach Lotti, du bist noch schrecklich dumm! Es ist gut, wenn du jetzt dann auch einmal rechte Bücher liesest, damit du etwas lernst. Das vom Onkel Doktor, wo alles von den Pfahlbauern drin steht, ist prachtvoll. Also, Lotti, sie saßen natürlich nicht jeder auf einem Pfahl, sondern legten Bretter über die Pfähle und bauten ganze Häuser darauf. Und sie gingen auf die Jagd und brachten Bären und Auerochsen heim, und die Kinder band man an Stricke.»

      «Warum?» fragte Lotti und hatte Mitleid mit den kleinen Pfahlbauerkindern.

      «Natürlich damit sie nicht ins Wasser fielen. Und sie aßen gedörrtes Obst und trugen große Ringe an den Ohren. Und sie glaubten nicht an Gott. Man weiß nicht recht, was für eine Religion sie hatten; vielleicht beteten sie Götzen an. – Wißt ihr, was ich glaube –?» Marianne und Lotti waren sehr gespannt.

      «Ich glaube, die Platte da ist ein altes Götzenbild von den Pfahlbauern! Was könnte es anders sein –?»

      «Oh!» riefen die Mädchen.

      «Aber, du, Hans», fragte dann Marianne, «wie ist denn das Götzenbild daher gekommen?»

      «Ja, die Pfahlbauer sind später besiegt worden von anderen Völkern oder sonst gestorben, ich weiß nicht recht, und ihre Sachen sind ins Wasser gefallen und in den Schlamm. Und jetzt gräbt man sie wieder aus und heißt sie Altertümer.»

      Alle drei betrachteten noch einmal die Platte, und die beiden Mädchen fanden auch, daß das gewiß ein Götzenbild sei. Das war ja ein wundervoller Fund, viel schöner als alle Frösche und Eidechsen im Klaregg.

      «Hans, was tun wir doch damit?» bestürmten Marianne und Lotti den Bruder, während er das Götzenbild in sein Taschentuch einwickelte.

      «Ja, wenn wir es verkaufen würden, bekämen wir jedenfalls viel Geld dafür. Aber es ist viel feiner, wenn wir es verschenken.»

      Hans sah die Schwestern großartig an.

      «Ich hoffe, ihr versteht das. Wir schenken das Götzenbild der Stadt, und dann kommt es ins Museum, in einen großen Saal, wo es eine Menge Pfahlbautenüberreste gibt. Wir waren ja mit Papa einmal dort, Marianne. Dann kommt die Platte in einen Glasschrank, und auf einem Zettel steht dabei: Geschenk von Hans, Marianne und Lotti Turnach.»

      In einem Glasschrank im Museum und die Namen dabei –!

      Die Mädchen wurden nun auch ganz aufgeregt.

      «Und wenn wir im Winter an einem Sonntag ins Museum dürfen, dann gehen wir immer zuerst zu unserm Götzenbild und lesen, was auf dem Zettel steht!» rief Lotti und folgte mit Marianne dem Bruder, der, die Platte sorgfältig im Arm haltend, den Heimweg antrat.

      Mama saß mit Großmama, die für den Nachmittag gekommen war, vor dem Hause, und die alte Frau Völklein stand auch ein wenig dabei mit dem Strickzeug. Werner baute nebenan eine Mauer aus Sand und Steinen.

      «Guten Tag, Großmama, guten Tag, Frau Völklein! Mama, Mama! wir haben etwas furchtbar Seltenes gefunden, etwas sehr Wertvolles; Mama – da ist es im Taschentuch, damit es nicht zerbricht! Von den Pfahlbauern, Mama! es ist ein Götzenbild, und es kommt in einen Glaskasten; wir schenken es der Stadt . . .», so stürmten alle drei Kinder auf Mama los.

      Großmama hielt sich die Ohren zu; Frau Völklein lachte: «Nein, die Kinder, Frau Turnach, die Kinder –!»

      «Nur ordentlich der Reihe nach, daß man euch versteht!» mahnte Mama, und während die Kinder noch einmal von vorn anfingen, nahm Großmama behutsam das Götzenbild aus Hansens Taschentuch.

      «Die Pfahlbauer beteten es an», erklärte Lotti eifrig. «Und sie wohnten im Wasser und aßen gedörrte Zwetschgen . . .»

      «Das waren merkwürdige Leute!» sagte Großmama. Frau Völklein aber nahm das Bild ebenfalls in Augenschein.

      «Ach», rief sie, «wie nett! wie mich das anheimelt! Nein, Kinder, wo habt ihr das her? Das ist eine Kuchenform – wissen Sie, Frau Turnach, für die flachen Honigkuchen, die zu unserer Kinderzeit auf Neujahr gebacken wurden. Der Vetter unserer Mutter war Zuckerbäcker und zeigte uns manchmal seine Formen –» Sie drehte die Platte vergnügt um und um.

      «Da – da unten haben wir auch eine Jahreszahl . . . achtzehnhundert – neun! Das ist alt, Kinder; das müßt ihr aufheben!»

      Hans nahm der Frau Völklein die Platte wieder ab. Alt! – Wenn man gedacht hatte, das Ding sei viele tausend Jahre alt, und nun zählte es nur etwas über hundert! Und wenn man der festen Überzeugung gewesen war, es sei ein Götzenbild eines fremden Volkes der Urzeit, und man mußte hören, daß es eine Kuchenform war, wie der Vetter von Frau Völkleins Mutter ganz viele gehabt hatte –!

      Hans war schrecklich enttäuscht, und als Frau Völklein fortfuhr, der Großmama von dem vortrefflichen und kunstvollen Backwerk dieses Vetters zu erzählen, schlich er mit seinem Götzenbild um die Ecke. Lotti und Marianne folgten ihm mit langen Gesichtern zum See hinunter. Eine Weile sagte keines ein Wort.