Die Turnachkinder im Sommer. Ida Bindschedler

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Название Die Turnachkinder im Sommer
Автор произведения Ida Bindschedler
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9788726583854



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die Plätze auszusuchen. Der Herr Nachbar stand eben unter der Türe seiner Apotheke.

      «Herr Lorez, wir dürfen mitfahren!» Die Kinder sprangen auf ihn zu, um Lebewohl zu sagen.

      «Nun denn, gut Glück, ihr Meerfahrer!» sagte Herr Lorez lachend und gab ihnen als Reisestärkung eine kleine Schachtel Malzbonbons mit.

      Endlich kam am Nachmittag der große Augenblick der Abfahrt.

      «Nun ist alles beisammen», sagten die Männer und machten sich daran, die dicken Seile zu lösen. Marianne und Lotti setzten sich vorn auf einen Schemel, jede ihre Puppe im Arm. Sie waren so vergnügt, daß sie die Füße gar nicht stillhalten konnten. Hans saß hinter ihnen auf einer Kommode. Auf der Ufermauer standen eine Reihe großer und kleiner Buben.

      «Ade, ade! wir möchten auch mit!» schrien sie, und Hans schwenkte grüßend seine Fahne zum Hause zurück, wo Mama mit Werner herauswinkte und Papa mit den Herren des Büros unterm Fenster stand. Von Ulrich und vom Schnauzel hatte man schon vorher Abschied genommen.

      Das Schiff fing an sich zu bewegen. Klatschend schlug das Wasser an den Holzboden. Mit aller Kraft stießen die Männer ihre Stachelstangen in den Grund; denn sie mußten das schwere Fahrzeug gegen die starke Strömung flußaufwärts bringen.

      «Wenn es uns nur nicht an die Pfähle hinunter nimmt!» sagte einer. «Das Wasser ist gehörig gewachsen, seit in den Bergen der Schnee schmilzt.»

      Hans sah gespannt zu. Wenn es etwas gäbe, dann, dachte er bei sich, müßte er doch am Ende helfen. Mama konnte noch hinuntersehen und würde ihm vielleicht zunicken.

      Aber das Schiff fuhr nun ruhig dahin und der Brücke zu, unter deren dunklem Bogen die Männer durchlenkten.

      «Jetzt gehen die Leute und die Wagen über unsere Köpfe, und wir spüren es gar nicht!» lachte Lotti.

      Da wurde es plötzlich frei und weit und sonnig. Der ganze See lag vor den Augen der Kinder. Das Wasser wurde tiefer. Vorher hatte man durch die grünlich klaren Wellen alle Steine des Grundes und die seltsamen langen Wasserpflanzen gesehen, die sich flußabwärts schlängelten. Nun verschwand der Boden, und man sah in eine bläuliche Tiefe. Die Schiffsleute hatten ihre Stachelstangen mit den Rudern vertauscht, und es ging vorbei an den letzten Häusern der Stadt und zu den ersten Landhäusern, die mit ihren kleinen Buchten und den alten, überhängenden Bäumen traulich im Sonnenschein dalagen.

      «Aber unsere Seeweid ist doch am allerschönsten!» erklärte Marianne.

      Auf einmal hörten die Kinder hinter sich ein gewaltiges Rauschen und Stampfen; Hans von seinem erhöhten Sitze aus konnte am besten zurücksehen.

      «Es ist ein Dampfschiff!» rief er. «Es ist der ,Neptun‘! Der gibt die schönsten Wellen. Das ist der nette Steuermann mit dem roten Bart – Marianne, Lotti – winkt doch!»

      Hans streckte sich, so hoch er konnte, und grüßte mit seiner Fahne, während die Mädchen ihre Taschentücher schwenkten. Das Dampfschiff fuhr in stolzem Bogen nahe vorbei, und der Steuermann erkannte die Winkenden. Er blieb unbeweglich an seinem Steuerruder; denn das durfte er keinen Augenblick verlassen; aber er lachte mit dem ganzen Gesicht. Das sind ja die Turnachkinder! dachte er. Nun wird’s wieder lebhaft in der Seeweid!

      Das Schiff hob und senkte sich in den Wellen des «Neptun»; das Wasser spritzte über den Rand herein und den Kindern als lustiger, frischer Sprühregen ins Gesicht.

      Jetzt tauchte aus dem Wasser ein hoher grauer Stein auf, die Thomassäule. Marianne sah sie zuerst.

      «Die Thomassäule! Hans! Nun kommt gleich die Seeweid! Dort sind die Pappeln, und die Mauer von der obern Einfahrt erkenn’ ich gut!»

      «Wenn wir nur innerhalb vorbeifahren; dann kommen wir ganz nahe an die Thomassäule hin», sagte Hans.

      Und wirklich, die Männer lenkten nach links, obgleich der alte Steppinger dagegen war.

      «Da können wir artig aufsitzen!» brummte er.

      Das Wasser wurde ganz seicht; man sah auf dem bräunlichen Grunde die großen runden Kiesel. Auf der Thomassäule stand eine grau und weiße Bachstelze und wippte lustig mit dem Schwänzchen, als wollte sie die Schiffsgesellschaft auslachen.

      Ritsch – ritsch – machte es auf einmal und gab einen starken Stoß. Man war richtig aufgefahren. Die Männer sahen einander an und sagten sich Worte, die nicht sehr höflich klangen. Sie griffen eilig nach den Stachelstangen, um das schwere Schiff vom Fleck zu bringen.

      Marianne und Lotti faßten sich etwas ängstlich an den Händen:

      «Du, Hans! wenn wir nun gar nicht wegkämen, gar nicht in die Seeweid –?»

      Aber Hans hörte nicht. Er sah immer auf Steppinger. Wenn Mama wüßte, wie gut Hans mit der Stachelstange umgehen konnte, hätte sie ihm gewiß nicht verboten zu helfen.

      Ritsch – mit einem Ruck war das Schiff aufgesessen, mit einem Ruck kam es endlich wieder in Gang. Ohne weiteren Zwischenfall fuhr es nun ruhig der Seeweid zu; nur als man an dem kleinen Landungssteg unter der Gartenmauer anhielt, flog Hansens Mütze ins Wasser; er hatte es gar so eilig gehabt, aus dem Schiff zu springen. Steppinger fischte sie wieder auf.

      «Mama, es war wundervoll!» schrie Hans. «Der ,Neptun‘ kam ganz nah an uns vorbei, und neben der Thomassäule sind wir aufgefahren . . .»

      Marianne und Lotti umarmten den kleinen Werner, der mit Mama am Stege stand und auch von seiner Fahrt erzählen wollte. Aber es war keine Zeit dazu. Es gab soviel Herrlichkeiten jetzt. Wohin wollte man zuerst rennen –? Nach allen Seiten zog es einen zugleich.

      «Ich muß einmal schnell meine Kammer sehen!» rief Hans und flog die Treppen hinauf bis unters Dach in seine kleine Stube und dann in den Taubenschlag, von wo er ein glückliches Juhuh! hinausschrie, so daß die Tauben ihm entsetzt um den Kopf flatterten.

      Unten aber bettelte Werner: «Zum Kälbchen, Marianne! das Kälbchen ansehen –»

      Die Kinder liefen unter den blühenden Birnbäumen hinüber zum Stall. Doch als Werner das Kälbchen sah, das bei seiner braun und weiß gefleckten Mutter stand, fürchtete er sich.

      «Ich will kein großes Kälbchen! ich will ein kleines – eins zum auf den Arm nehmen –»

      Die Kinder lachten; aber der Knecht Jakob führte den Werner zu einem Verschlag: «Da ist etwas zum auf den Arm nehmen!» und er zog ein junges graues Kaninchen heraus. Werner drückte es zärtlich an sich. Es war seidenweich.

      «Oh, Jakob, mir auch eins, mir auch eins!» riefen Hans und die Mädchen, und jedes erhielt eines von den strampelnden Tieren auf den Schoß. Marianne wollte das ihre gar nicht mehr loslassen und band ihm, damit sie es morgen wieder kenne, ein blaues Bändchen um, das sie in der Tasche hatte. – «Das ist noch viel netter als die Puppen, Lotti! und Mama hat es gewußt. Drum hat sie uns nur die Ella und das Julchen mitnehmen lassen.»

      Hans aber drängte, daß man wieder zum See hinunter komme, und lief voraus bis ans Ende des Obstgartens, der durch keine Mauer und kein Gitter vom See getrennt war. Da lag das weite blaue Wasser. Drüben am andern Ufer sah man die Dörfer mit den weißen Häusern und am obern Ende des Sees die fernen Schneeberge, die von der Abendsonne beleuchtet waren. Der See warf langsam kleine Wellen über das flache Kiesufer. Werner bückte sich, um den schimmernden Schaum zu streicheln, und fiel dabei ein wenig ins Wasser.

      «So, Werner», sagte Hans, «nun bist du getauft; nun bist du auch ein Seebub. Letztes Jahr ließ dich Mama noch nicht mit uns an den See; da warst du noch zu klein. Aber wir, wir sind ein paarmal getunkt worden! Weißt du noch, Marianne, wie du von der Badhaustreppe gefallen bist? Und das Lotti, das wollte die Enten füttern und sprang mit dem letzten Brotbrocken selbst hinein! Und damals im Schilfmeer, als wir gegen Onkel Alfred kämpften und alle drei ins Wasser plumpsten –!»

      Die Kinder liefen hintereinander zum Schilfmeer. Es lag unten vor der Gartenmauer. Im Sommer, wenn das Schilf grün und hoch stand, war Onkel Alfred manchmal mit ihnen hineingerudert, daß es rauschte und krachte und man in große Gefahr kam, stecken zu bleiben.