Mama zieht Leine!. Mecka Lind

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Название Mama zieht Leine!
Автор произведения Mecka Lind
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9788711464847



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Jesper erstaunt. „Die habe ich noch nie getroffen.“

      „Die gibt es nicht, kapier’ doch“, sagte ich. „Nur damit niemand erfährt, daß wir allein sind.“

      „Das ist alles nicht so einfach“, stöhnte Jesper. „Aber okay, Mama besucht einen Kurs, und Tante Sophie paßt auf uns auf.“

      „Astrein, Jesper, so ist es gut“, ermunterte ihn Tessa. „Dann müssen wir uns nur darüber einig sein, daß wir in dieser Zeit keine Freunde nach Hause mitnehmen. Man kann ja nie wissen ...“

      „Aber“, unterbrach Jesper. „Niklas und ich treffen uns ja immer mal hier, mal bei ihm ...“

      „Kein Aber“, sagte ich, so streng ich konnte. „Wir tun, was Tessa sagt.“

      „Ollie und ich wechseln uns ab, dich vom Hort abzuholen“, entschied Tessa.

      „Sollte das nicht diese Tante Sophie tun?“ fiel mir plötzlich ein. „Ich meine, sollte sie nicht einkaufen gehen und sich zeigen, oder so was?“

      „Das kann sie nicht, weil sie den Fuß verstaucht hat“, grinste Tessa.

      „Es ist alles nicht so einfach“, stöhnte Jesper wieder. „Warum hat sie nicht auch Darmgrippe wie wir?“

      „Weil man dann manchmal rausgehen kann“, meinte ich. „Es ist viel schwieriger, mit einem verstauchten Fuß herumzurennen.“

      „Und wie kriegen wir etwas zu essen?“ fragte Jesper, der immer Hunger hatte.

      „Es sind dreihundertacht Kronen in der Haushaltskasse“, seufzte Tessa. „Das ist nicht viel, denn wir wissen ja nicht, wie lange Mama wegbleibt. Jetzt müssen wir uns ums Essen kümmern, Ollie. Wir müssen irgendeine Art Plan machen.“

      Jesper wurde käsebleich.

      „Wann wollen wir anfangen, nach ihr zu suchen?“ fragte er verzweifelt.

      „Wir fangen jetzt an“, schlug Tessa vor. „Wo könnte sie denn hin sein, glaubt ihr? Sagt, was euch einfällt, auch wenn es verrückt klingt. Ich selbst habe an Papa gedacht.“

      „Nee!“ wandte ich entschieden ein. „Er wäre wohl der letzte, zu dem sie rennen würde.“

      „Warum denn?“ fragte Tessa eingeschnappt. „Was hast du denn gegen ihn? Außer, daß er mit einer andren verheiratet ist, versteht sich.“

      „Ich glaube, das reicht Mama schon“, meinte ich trocken. „Und übrigens streiten sie immer, wenn sie überhaupt einmal miteinander reden.“

      „Sie waren jedenfalls einmal verheiratet und haben sich geliebt“, brummte Tessa.

      Papa wohnte siebenhundert Kilometer von uns entfernt und hatte eine neue Frau und neue Kinder. Tessa war mindestens drei Wochen jeden Sommer bei ihm. Ich selbst begnügte mich mit höchstens einer Woche, und Jesper ging es ähnlich. Nicht, daß ich an Papa etwas auszusetzen hatte, vielleicht mehr, daß ich mich da nicht zu Hause fühlte. Das tat dagegen Tessa. Sie fühlte sich dort total wohl. Nicht nur bei Papa und seiner neuen Familie, nein, auch bei Großmutter und Großvater und der ganze Bagage.

      Nein, ich blieb lieber bei Oma und Opa, Mamas Eltern also. Sie wohnten ja außerdem nur ein paar Kilometer von der Stadt entfernt. Wir fuhren sie ab und zu besuchen. Aber Mama und Oma bekamen sich fast immer in die Haare. Nicht, daß sie sich nicht mochten, ganz im Gegenteil. Sie waren eben so ...

      Ich schlug jedenfalls vor, daß sie zu ihnen gefahren war.

      „Wir müssen ein bißchen herumtelefonieren und abchecken“, sagte Tessa und fügte nachdenklich hinzu: „Dann gibt es natürlich auch Laura.“

      Laura war Mamas beste und einzige Freundin. Sie hielt uns immer Vorträge, wie verwöhnt wir seien, und redete auf Mama ein, daß sie sich einen neuen Mann zulegen sollte, damit endlich Ordnung ins Haus käme. Manchmal nahm sie Mama mit zu irgendeinem Tanzlokal, damit sie genau so einen Mann kennenlernen konnte. Mama hielt Gott sei Dank nicht allzuviel davon. Und wir hielten nicht allzuviel von Laura.

      „Die wird die härteste Nuß sein“, seufzte Tessa. „Sie ist so verflixt mißtrauisch.“

      „Vielleicht ist Mama in der Arbeit?“ schlug Jesper vor.

      Tessa und ich schauten uns dämlich an. Daran hatten wir nicht einmal gedacht. Aber man haute doch nicht ab und ging zur Arbeit? Aber wenn sie nicht dort war, hatte sie vielleicht eine Nachricht hinterlassen. Und wenn sie es nicht getan hatte, müßten wir es schleunigst tun. Sonst wäre sie vielleicht auch noch den Job los, wenn sie endlich zurückkam.

      Arme Mama!

      Es fiel auf Tessa, bei Mamas Arbeitsstelle anzurufen. Ich stand daneben. So nahe, daß ich das Tuten hören konnte. Es war selten, daß man Tessa nervös erlebte, aber jetzt war sie es. Obwohl man den Menschen ja nicht immer ansieht, was in ihnen vorgeht. Außer mir natürlich. Ich lief rot an, sobald jemand mich anschaute, lachte laut, wenn ich froh war, und heulte wenigstens genauso laut, wenn ich traurig war, und kaute an den Fingernägeln, wenn ich mir Sorgen machte. Manchmal wünschte ich mir, ein bißchen mehr wie Tessa geraten zu sein.

      „Nun heben sie ab“, flüsterte sie mit der Hand vor dem Hörer. Ich lehnte mich noch näher hin, damit ich hören konnte, was sie sagten.

      „Hier spricht Tessa Enemark“, grüßte Tessa. „Ich hätte gern meine Mutter, Lisa Enemark, gesprochen. Sie arbeitet in der Elektroabteilung.“

      „Einen Augenblick!“ antwortete eine Stimme.

      Tessa und ich standen ganz still und hielten den Atem an. Selbst Jesper saß auf dem Boden, kraulte Stümmel und wartete. Endlich kam die Stimme wieder.

      „Tut mir leid“, sagte sie. „Es gibt keine Lisa Enemark in der Elektroabteilung.“

      „Hat sie die Abteilung gewechselt?“ platzte Tessa verdutzt heraus.

      „Ich finde überhaupt keine Lisa Enemark“, fuhr die Stimme fort. „Aber ich bin neu hier. Vielleicht redest du lieber mit Stina Tobiasson, die ist die Chefin der Elektroabteilung und weiß bestimmt mehr.“

      Mama arbeitete in dem Supermarkt K&K, und das war ein Riesending. Deshalb war es gar nicht so verwunderlich, daß sie nicht alles und alle im Griff haben konnten.

      Es knackte wieder im Hörer.

      „Hier Stina Tobiasson.“

      Mamas Chefin also. Ich fragte mich, ob es die mit den roten Haaren und den netten Augen oder die mit den rattenfarbigen und dem Strichmund sei. Das waren nämlich die einzigen, die ich gesehen hatte, als ich bei Mama im Geschäft gewesen war. Ich hoffte auf die mit den roten Haaren.

      „Hier spricht Tessa Enemark“, sagte Tessa nervös. „Ich ... ich hätte gern meine Mutter gesprochen.“

      „Lisa? Aber sie hat doch aufgehört“, sagte Stina Tobiasson. „Hat sie das nicht erzählt?“

      „Nein ...“, stotterte die verdutzte Tessa, fügte aber schnell hinzu: „Das hat sie wohl vergessen. Mama hat immer so viel um die Ohren.“

      „Ja, ein bißchen zu viel vielleicht“, meinte Stina Tobiasson. „Die letzte Zeit ist sie meistens wie ein Roboter hier herumgelaufen. Wenn jemand nach einem Rasierapparat fragte, holte sie ein Bügeleisen, und wenn jemand ein Bügeleisen haben wollte, versuchte sie ihm einen Toaster zu verkaufen. Als wir also die Anweisung bekamen, Personal einzusparen, gehörte Lisa zu denjenigen, die gehen mußten.“

      „Wie lange ist das her?“ fragte Tessa mit schwacher Stimme.

      „Etwa vierzehn Tage“, erzählte Stina Tobiasson. „Aber wenn sie nicht daheim ist, hat sie wohl einen neuen Job gefunden.“

      Tessa bedankte sich ganz herzlich für die Auskunft und legte auf.

      „Sie haben Mama gefeuert!“ brüllte sie aufgeregt. „Wie hundsgemein!“

      „Aber warum hat