Ein Fohlen für Doria. Lise Gast

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Название Ein Fohlen für Doria
Автор произведения Lise Gast
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9788711509210



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Aber reiten ... Wenn ich erst einmal ein eigenes Pferd hab ...“

      „Wissen sie, dass du darauf sparst?“, fragte Peter.

      „Hm. Weiß nicht. Doch, ja, sie wird es wohl wissen.“

      „Und ein Pferd im Reitverein stehen haben, das ist teuer, ich weiß“, sagte Peter. „Zu mir sagt Vater immer, ich hätte noch zu kurze Beine. So ein Quatsch. Die Prinzessin Anne in England ist auch schon mit fünf Jahren geritten, als ob ich das nicht wüsste. Er sucht bloß eine Ausrede. Und dein Vater? Was meint der?“

      „Ich habe bloß eine Mutter. Mein Vater lebt schon lange nicht mehr. Deshalb ist sie ja auch berufstätig.“

      „Wo arbeitet sie denn?“, fragte Peter mit mattem Interesse. Aber er meinte, etwas müsste man ja fragen.

      „In einer Buchhandlung. Sie ist befreundet mit der Chefin dort. Eigentlich arbeitet sie nur halbtags, aber oft geht sie auch nachmittags hin. Vor Weihnachten zum Beispiel, wenn sehr viel zu tun ist. Und zwischen Weihnachten und Silvester, da machen sie Inventur. Ich bin ja auch kein Baby mehr. Früher, sagt sie, war es oft mühsam, wenn ich krank war oder so.“

      „Und dann kochst du dir selber was, wenn du aus der Schule kommst?“

      „Manchmal ja, wenn ich Lust dazu habe. Sonst – ach, Essen ist nicht so wichtig.“

      „Und Geschwister hast du keine?“

      „Nee. Aber du ja auch nicht. Jedenfalls keine, die noch zu Hause sind und mit denen du spielen kannst.“

      „Und wenn sie da sind, kümmern sie sich nicht um mich.“ Er sagte das um ihr zu zeigen, dass Geschwister auch nicht immer die reine Freude sind.

      Sie lachte.

      „Kümmern sich wohl! Der eine lässt dich sogar manchmal heimlich ans Steuer, hast du mir erzählt.“

      „J-ja, schon. Aber das macht er selten. Mutter war der Meinung, ich sollte auch mal eine Schwester in meinem Alter haben – dich. Möchtest du meine Schwester sein?“ Es klang spöttisch und nicht sehr einladend. Dori sah ihn an.

      „Ich weiß nicht. So von heute auf morgen ... Na, mal sehen, wie es weitergeht. Jedenfalls habt ihr es hier schöner als wir in der Stadt. Nur keine Pferde ... das ist schade. Schlosshof – da hatte ich mir vorgestellt, dass es Kutschpferde gäbe und welche zum Reiten ...“

      Sie waren am Schlossberg angekommen. Schweigend schoben sie die Räder bergauf.

      In der Küche erwartete sie eine leckere Überraschung: Peters Mutter backte Waffeln, dazu gab es Rhabarberkompott.

      Das Waffeleisen war ein altes, schwarzeisernes Gerät, das man umdrehen musste; es hing in einem Gelenk und sah aus, als habe man es schon im Dreißigjährigen Krieg benutzt. Mutter war erhitzt, sie hatte rote Backen und die Schürze voller Mehl. Die Waffeln schmeckten noch mal so gut, wenn man sie hantieren sah.

      „Was habt ihr denn für morgen vor?“, fragte sie, während sie weiterbackte.

      „Noch nichts“, murmelte Peter mit vollem Mund.

      „Schön“, sagte Mutter, „ich frage, weil ... Ein Bekannter aus Norddeutschland hat sich für morgen bei uns angesagt. Netter Kerl. Ein Freund von Roland – das ist Peters ältester Bruder, Dori –, der möchte hier ein bisschen die Gegend kennen lernen und ich hab gerade jetzt gar keine Zeit. Könntet ihr mit ihm herumfahren? Ihm den Neckar zeigen? ‚Neckartal ist wunderschön, so was hat man nie gesehen ...‘“, zitierte Mutter. „Oder vielleicht Ludwigsburg und – na, was euch eben einfällt. Einen Tag lang, wenn er will auch zwei. Ich kann wirklich nicht weg, hab für Vater zu tun.“

      „Mit dem Auto?“, fragte Peter.

      „Klar.“

      „Was hat er denn für eins?“

      „Da bin ich überfragt. Jedenfalls kriegte auf diese Weise auch Dori die Umgebung zu sehen, wäre das nicht hübsch?“

      „Oh ja, das wird schön!“, strahlte Dori. Sie verstand nicht, dass Peter ein so mürrisches Gesicht machte. Wie eine müde Klosettfliege, dachte sie, sagte es aber nicht. Statt vor Freude hochzuspringen, wo er doch Autos so liebte.

      „Was passt dir denn daran nicht?“, fragte sie, als sie sich endlich voll gegessen und satt aus der Küche schoben. Peter grinste.

      „Du bist blöd. Wenn ich ‚Hurra!‘ und ‚Klasse!‘ schriee, würde mich Mutter nächstens auch mit einem alten Wackelkopp und womöglich zu Fuß losschicken“, brummte er. „Man darf die Erwachsenen nicht verwöhnen. Wer sagt übrigens, dass der nicht auch ein dämlicher Wackelkopp ist und eine alte Rostlaube fährt, die in allen Gelenken knirscht. Ja sagen, wenn man möchte, schön. Aber ja nicht zu begeistert.“

      „Blödmann“, brummte Dori, aber es klang nicht ganz so verächtlich wie zuvor. Peter war gar nicht so blöd; was er sagte, konnte stimmen.

      Heiner war weder ein Wackelkopp noch fuhr er eine alte Schleuder. Er gefiel Dori gleich und der Wagen gefiel Peter sogar sehr. Keine Rostlaube, wahrhaftig nicht, sondern ein Jaguar. Nur mit Mühe unterdrückte Peter seine Begeisterung.

      Am nächsten Morgen ging es wirklich los, bei herrlichem Wetter. Es war sonnig und noch nicht zu heiß, das Verdeck des Wagens war zurückgeschlagen und Dori und Peter genossen das Sitzen im offenen Wagen. Das Vergnügen hatten sie nicht alle Tage!

      Rolands Freund erwies sich als lustiger Geselle.

      „Wohin, meine Herrschaften?“, fragte er, als sie den Schlossberg hinuntergefahren waren. „Bitte nur nicht in ein Museum oder gar in zwei oder drei. Das fände ich entsetzlich. Als ich so alt war wie ihr, musste ich mit meinen Eltern sonntags immer ins Museum ... Auch nicht in Kirchen, bitte schön! Das ist was für den Winter. Ich warte auf Vorschläge.“

      Kirchen und Museen hatten die beiden auch nicht vorgehabt. Sie lotsten Heiner zunächst ins „Blühende Barock“ nach Ludwigsburg, was ihm sehr gut gefiel, und planten dann das Weitere anhand der Karte. Dori zog es natürlich zum Reitverein, aber den konnten sie sich für den Schluss aufsparen. So fuhren sie in die Altweibermühle in Tripstrill, rollten sich durch das drehende Fass, schwankten über hin und her wackelnde Brücken und rutschten die riesenlange, blanke Rutschbahn an die fünfzig Mal hinunter, nie ohne vor angstvollem Entzücken zu kreischen oder wenigstens zu quietschen. Heiner lud sie dann zu einem großen Eis ein, das Dori sich wie gewohnt in bar erbat. Schließlich ruhten sich die drei im Auto von all den Aufregungen aus, die die Mühle bot.

      „Nur nicht nach Hause, da wären wir ja dumm“, meinte Peter, der alle diplomatische Zurückhaltung aufgegeben hatte, „vielleicht könnten wir ja auf die Schmetterlingswiese gehen? Dort war ich ewig nicht und sie muss jetzt sehr schön sein. Im Winter übrigens auch – überhaupt immer. Ja, dorthin! Da war Dori auch noch nicht.“

      „Was ist denn das für eine Wiese?“, fragten Dori und Heiner wie aus einem Mund.

      „Hach, was Tolles. Nicht weit von zu Hause. Man kann gut zu Fuß hingehen von uns aus. Aber das merkt ja niemand, dass wir so nahe sind. Also da ist ein Mann im Dorf, der hat das Grundstück gekauft, ein flaches Tal, wie eine Schale, ringsum Wald, ganz verschwiegen. Eigentlich wollte er sich dort ein Haus bauen und darin wohnen, aber das hat die Baupolizei nicht genehmigt. Eingezäunt hatte er es schon und nun baute er einen Stall hinein, einen, der nur drei Wände hat, das gilt nicht als Haus. Vorn ist der Stall mit einem Querbalken zu verschließen, aber das ist gar nicht nötig. Er ist offen und hat oben einen Heuboden. Was damit ist, verrate ich nicht. Wollen wir hin? Ich fände das wunderbar.“

      „Und warum heißt sie Schmetterlingswiese?“, fragte Heiner. Peter wurde immer eifriger.

      „Der Besitzer dieser Wiese meint, man müsste etwas tun, damit die Schmetterlinge nicht aussterben. Überall sind die Gärten jetzt abgeschleckt und sauber, ein Grashalm neben dem andern, kein Gänseblümchen, kein Löwenzahn, keine Brennnessel. Ja, gerade Brennnesseln werden ausgerottet und sie seien so wichtig, sagt er. Es gibt Schmetterlinge, zum Beispiel Pfauenaugen, die legen ihre