Ein Dackel für Veronika. Lise Gast

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Название Ein Dackel für Veronika
Автор произведения Lise Gast
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9788711509203



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schick’ dir das Reitbuch, von dem ich dir erzählt habe!”

      „Nächstes Mal sagen wir gleich vorher, daß wir im selben Zimmer wohnen wollen!”

      „Vielleicht darf ich daheim jetzt in den Reitverein?”

      Endlich hatte Ronny ihren Kram beisammen. Vater und Mutter gingen mit ihr zum Wagen. Ronnys Mund stand nicht still. Immer wieder fielen ihr neue Begebenheiten ein, die sie erzählen mußte. Die Eltern hatten sie noch nie so lebhaft gesehen. Ach ja, sie war ein Einzelkind, und unter Gleichaltrigen taute sie erst richtig auf.

      „Susanne will mich besuchen, sie wohnt nicht weit von uns.”

      „Von uns? Oder von Birkenheide?” fragte Vater behutsam. „Denn jetzt geht’s zu Großvater, das hast du hoffentlich nicht vergessen. Oder?”

      „Nein.”

      Das klang einsilbig. Und dann, mit weit aufgerissenen Augen, fragte Ronny so eindringlich, als handelte es sich um die ewige Seligkeit: „Vater, darf ich nächstes Jahr wieder hierher? Susanne will es auch versuchen, ihre Eltern dazu zu bringen, sie hat noch Geschwister, und da bleibt für jedes nicht so viel Geld, aber ...”

      „Wer weiß, was nächstes Jahr ist”, sagte Mutter leise, der der bevorstehende Abschied von ihrer Tochter schwer auf der Seele lag. Vater gab ihr einen kleinen Wink mit den Augen.

      „Hoffen wir, daß wir nächstes Jahr wieder hier sein können, mit einer vergnügten, rotbackigen Ronny, die ein Jahr Landleben hinter sich hat und sich auf ihre Eltern und die neue Schule freut”, sagte er herzlich und schob Ronny in den Wagen. „Nein, was hast du für eine Unmenge Gepäck! Auf dem Hinweg war es doch höchstens halb soviel. Hast du so viel abgestaubt oder heimlich einen Sack Hafer eingesteckt?”

      „Nein, aber Kläri hat mir zwei Bücher geborgt, und von Susanne hab’ ich einen Pullover gekriegt.”

      „Ja, kann denn Susanne einfach etwas von ihren Sachen verschenken?” wunderte sich Mutter.

      „Ach, bei der Menge Geschwister merkt die Mutter das gar nicht, sagt sie.”

      „Trotzdem!”

      Ronnys Mutter war im Begriff, wieder aus dem Auto zu steigen, Vater hielt sie zurück.

      „Laß doch. Es wird schon klargehen. Und wenn Susannes Mutter es merkt und schreibt, sie möchte den Pulli wiederhaben, schickt ihn Ronny einfach hin, mit einem netten Brief und einer Tafel Schokolade für die Geschwister – oder zwei oder drei Tafeln. Tust du das, Ronny?”

      „Klar, wenn sie schreibt!”

      „Du kriegst natürlich Taschengeld, aber gib nicht alles auf einmal aus.”

      Diese Ermahnungen immer! Jetzt hatte man mal vierzehn Tage keine gehört oder höchstens solche: „Hacken runter! Aufrecht sitzen! Nicht nach vorn fallen!” Die ließ man sich ja wenigstens gefallen. Aber die von Mutter ...

      Ob es den anderen eigentlich auch so ging, Susanne zum Beispiel? Die erzählte von zu Hause eigentlich nur Lustiges. Ja, mit vielen Geschwistern! Da passierte jeden Tag etwas zum Lachen. In Birkenheide war sie auch wieder allein. Immerhin, Großvater hatte ja den Murkel, den Dackel! Ob der sich noch umgewöhnen und ihr Dackel würde?

      Ronny war still geworden und sah vor sich hin. Mutter drehte sich ein paarmal nach ihr um, fragte dies und jenes, schwieg aber dann auf einen kleinen Augenwink Vaters hin. Abwarten, in Ruhe lassen. Ach ja, leicht war das nicht ...

      Und nun war Birkenheide nahe, sie hatten das Schild an der Straße schon gesehen. Ronny, in vielem neu ausgestattet – sie hatte eine längst ersehnte Jacke bekommen, Mutter hatte ihr neue Schuhe gekauft, im Ranzen herrschte eine vorbildliche Ordnung mit lauter neuen Heften –, blickte neugierig umher. Der Abschied von zu Hause war vorbei, Ronny hatte ja keine richtige Freundin, Susemarie wohnte ziemlich weit weg von ihnen, und sie sahen sich eigentlich nur in der Schule. Und die Schule begann erst in drei Tagen. Die neue Schule ...

      Ja, da lag sie, links von der Straße, die jetzt ein wenig bergab führte, Ronny wußte das noch von früher. Vor ihnen öffnete sich jetzt der Gutshof, breit, großzügig, einladend. Auf der rechten Seite ein langgestrecktes Gebäude, der Schafstall, dann mitten im Hof ein paar kleinere, eingezäunte Koppeln, dann die alte Mühle, niedrig, einstöckig, mit Walmdach, schon lange nicht mehr als Mühle benützt. Früher wurde Öl dort gepreßt. Gegenüber das Kornhaus, der Speicher, drei Stockwerke übereinander. Darin befand sich die Gutsschmiede, dort wurden die Pferde beschlagen. Ronny hatte noch den Geruch in der Nase, der entsteht, wenn das glühende Eisen auf das Horn des Hufes gepaßt wird. Ihr war auf einmal sonderbar beklommen zumute. Das letzte Mal, als sie hier war – drei Jahre war das her –, mußte sie doch noch sehr klein und dumm gewesen sein. Sie hatte dies alles zwar gesehen, wahrgenommen, sich auch vieles gemerkt, heute aber schien jedes Haus, jeder Baum, alles ringsumher ihr entgegenzusehen und sie zu fragen: „Wieso kommst du zu uns? Gehörst du hierher? Wirst du einmal hierher gehören?”

      Am meisten schien das Gutshaus das zu fragen, auf das sie jetzt zufuhren. Dort wohnte Großvater mit Amalie, der alten Haushälterin. Großmutter lebte schon lange nicht mehr. Das Gut wurde von einem angeheirateten Neffen des Großvaters geführt, der einen Aussiedlerhof auf dem Strohberg bewohnte. Großvater und Amalie lebten allein in dem alten Gutshaus, das unter Denkmalschutz stand. Die beiden Portale, aus Stein gehauen, sahen ernst und würdig aus. Der Wagen umfuhr den runden Grasplatz, der mit niedrigen Rosenbüschen umsäumt war, und hielt vor der linken Pforte.

      Irgendwie war Ronny feierlich zumute, als sie ausstieg, sie konnte nicht erklären, warum. Das alte, mit wildem Wein bewachsene Haus wirkte ehrwürdig, ehrfurchtgebietend, trotzdem nicht unfreundlich. Aber es war nicht wie ein Haus in der Stadt, in das man eben hineingeht, das man auch ansieht, das aber nichts galt. Dieses Haus hier war wie eine Persönlichkeit, man hatte es zu begrüßen und abzuwarten, wie es einen empfing. Ronny hatte eigentlich das Gefühl, als müsse sie einen Knicks machen, was sie immer gehaßt hatte, als Mutter es noch verlangte. Schon lange tat man das nicht mehr, es paßte auch nicht zu Jeans oder Shorts, die jetzt so gut wie alle Mädchen trugen. Knickse machen, längst vorbei, hier aber ...

      Da kam Großvater. Er hatte wohl den Wagen kommen hören und trat jetzt aus dem Haus, und Ronny spürte eine seltsame Regung in sich. Großvater – auf einmal wußte sie, daß sie ihn immer sehr gemocht hatte, wenn auch etwas scheu, wie aus der Ferne. Selten mochte man Erwachsene in dieser Art, Erwachsene waren eine andere Welt. Manchmal ganz nett, manchmal bedrohlich, nie ganz verläßlich in ihren Meinungen. Großvater aber –

      Er sah gut aus, hatte ein ruhiges, straffes Gesicht, gesund, rotbraun, dichtes Haar, ziemlich kurz geschnitten, und einen gescheiten Mund, um den kein Bart wuchs. Hinter der Brille blickten graublaue Augen einen freundlich prüfend an, gütig, manchmal auch streng, aber nie böse, mitunter auch verschmitzt, so daß sich an ihren äußeren Winkeln lauter kleine Fältchen bildeten. Er pflegte diese Augen, wenn er etwas genauer betrachten wollte, halb zuzukneifen, und mit einem solchen Blick sah er Ronny jetzt an, als sie ihre Hand in seine legte.

      „Das also ist das Kind. Grüß dich, Ronny, ich freue mich, daß du zu uns kommst. Nicht heulen, Elisabeth, Ronny heult ja auch nicht.” Er hatte sich Mutter zugewandt und sie in den Arm genommen, die seinen Hals umschlang und ihr Gesicht an seiner Wange verbarg.

      „Vater”, flüsterte sie erstickt. Er klopfte ihr den Rücken.

      „Na na! Wird schon alles gutgehen. Und ein Jahr ist schnell vorbei. Kommt herein, wir haben auf euch gewartet. Das alte Haus freut sich.”

      Sie folgten. Es ging eine Treppe hinauf, durch einen Flur, und dann standen sie im Eßzimmer, auf das Ronny sich noch dunkel besann. Hohe Fenster, ein langer Tisch, an der Wand ein großes Bild von Großmutter. In Großvaters Zimmer nebenan, zu dem die Tür offenstand, hingen Hirschgeweihe an den Wänden und über dem Kamin.

      „Der Nachtwächter! Den kenn’ ich noch!” rief Ronny halblaut, beglückt, „nur – früher war er größer!”

      „Glaubst du? Es ist aber derselbe, deine Großmutter hat ihn mir geschenkt”,