Ein Dackel für Veronika. Lise Gast

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Название Ein Dackel für Veronika
Автор произведения Lise Gast
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9788711509203



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dachte daran, als Mutter sagte: „Und eine Freundin hast du ja eigentlich auch nicht”, deshalb fuhr sie sofort hoch mit: „Und Susemarie?”

      „Weil ich immer nicht zu ihr darf”, jammerte sie und kam sich sehr bemitleidenswert vor. „Und der Reitverein?”

      Sie hatte es hervorgestoßen, ehe sie es richtig gedacht hatte. Hier am Stadtrand gab es einen Reitverein, und durch langes Gebettel hatte sie vor einem Jahr erreicht, dort einen Voltigierkursus mitmachen zu dürfen. Das war herrlich gewesen. Mitglied zu werden, hatten die Eltern bisher nicht erlaubt, aber nachmittags war sie oft hingelaufen und hatte geholfen. Das durfte man, und auch andere Kinder ihres Alters taten es. Sie durften putzen, ausmisten und Heu einräumen, sie fütterten die Stallkatzen und sahen zu, wenn der Beschlagschmied kam und neue Eisen auflegte. Mutter erlaubte es nicht allzu gern, daß Ronny dorthin ging, aber mitunter doch. Diese Nachmittage waren für Ronny die Sonntage der Woche. Und damit sollte es nun auch zu Ende sein?

      „Der Reitverein! Du bist ja noch nicht mal Mitglied”, hakte Mutter sofort ein. „Ehe du zwölf bist, kannst du gar nicht aufgenommen werden, hab’ ich gehört. Und Pferde gibt es auch bei Großvater. Auch Schafe und Kühe und ...”

      „Und einen Hund. Besinnst du dich nicht mehr auf Murkel, den alten Dackel?” fragte Vater.

      Natürlich besann sich Ronny. Mit Murkel war sie damals sehr einig gewesen, als sie das letzte Mal dort waren; das war schon wieder drei Jahre her. Immerhin.

      „Du tätest Mutter einen großen Gefallen”, sagte Vater sachte. „Mutter sollte auch mal was von der Welt sehen.”

      Ronny schwieg. Eins wußte sie: Spazierengehen mußte man in Birkenheide nicht. Nie. Und ein Dackel – und vielleicht mal reiten dürfen –

      Vater sah, wie es im Gesicht seiner kleinen Tochter arbeitete. Er gab sich einen Stoß.

      „Ronny”, sagte er, „ich glaube, es ist wirklich schwer für dich, hier zu entscheiden. Ich will dich nicht beeinflussen, aber vielleicht kann ich es dir ein bißchen leichter machen. Ärger wird es immer geben, hier wie dort, Ärger gibt es überall. Und da soll man nicht sofort denken: ‚Hättest du doch lieber –’ Ein Jahr ist nicht unendlich lang, und vielleicht wird es sogar ein hübsches Jahr für dich. Sicherlich gönnst du Mutter die Reise. Wenn es dir aber wirklich sehr schwerfällt, wüßte ich schon ein Pflaster, das wir sozusagen schon vorher auf die Wunde kleben können. Hör zu, ehe du ja oder nein sagst. Ein Bekannter von mir hat eine kleine Privatreitschule, nicht allzuweit von hier. Er nimmt Kinder deines Alters in Pension, wenn sie Ferien und Lust zum Reiten haben, und gibt ihnen jeden Tag eine Stunde, wenn sie tüchtig im Stall mithelfen. Daß du das gern tust, haben wir gemerkt, denn Mutter sagt, du rennst in jedem freien Augenblick in den Reitverein. Dies Jahr hat mein Bekannter nur Anfänger, schrieb er mir, also alles Kinder, die noch nie auf einem Pferd gesessen haben. Da ...”

      „Ich hab’ schon! Beim Voltigieren! Auf der Olympia! Ich hab’ ...”

      „Genau das habe ich ihm auch gesagt, als er mich anrief. Und er meinte, das wäre sehr gut. Voltigieren wäre die beste Vorübung für das Reiten. Ein Bett hat er noch frei, also könntest du für vierzehn Tage hin, bis wir wegfahren. Möchtest du? Damit du siehst, daß wir dir auch gern einen Gefallen tun, so wie du uns. Na?”

      „O Vater!” juchzte Ronny. „Rufst du gleich an? Damit nicht etwa noch was dazwischenkommt, vielleicht ein anderes Kind oder ...”

      „Ich rufe an. Das heißt, ich hab’ schon angerufen”, sagte Vater und sah seine kleine Tochter zärtlich an. „Ich habe mit meinem Freund verabredet, daß er niemanden nimmt als dich, solange ich nicht absage. Gut, Ronny?”

      „Wunderbar, Vater. Und wann fahren wir hin?”

      „Am Montagabend. Bis dahin mußt du doch sicherlich noch einiges zusammensuchen, was du brauchst. Vorschriftsmäßige Reitkleidung ist vorläufig nicht nötig, man kann anfangs auch in Jeans reiten, hab’ ich gehört, aber Gummistiefel wären gut, und eine Kappe muß sein. Eine schwarze Reitkappe mit Stahleinlage, sozusagen ein Sturzhelm, damit du dir nicht den Kopf einschlägst, wenn du mal koppheister gehst.”

      „Krieg ich die? Ach, Vater, so schlimm ist es nicht, mal vom Pferd zu sausen, wie oft sind wir beim Voltigieren runtergeflogen.”

      „Das habe ich meinem Freund auch gesagt. Er bestand trotzdem darauf, daß du eine Kappe mitbrächtest. Beim Voltigieren – das sei eigentlich gar nicht zu erklären, sagte er auch –, da tue sich keiner weh, jedenfalls hätte er es noch nie erlebt. Deshalb sei es ja so gut, wenn man vor dem Reiten das Voltigieren und somit auch das Purzeln lernt.”

      „Und ...”

      „Ja, und Großvater kann ich schreiben, daß du gern kommst?” fragte Mutter noch behutsam. Ronny nickte eifrig.

      „Ja! Gern! Und ob ich dort vielleicht auch ...”

      „Reiten darf? Danach fragen wir lieber erst, wenn wir dort sind. Wir bringen dich natürlich hin. Aber weißt du, man muß nicht allzuviel auf einmal wollen, das ist nicht klug. Und erst geht’s ja in die Reitschule. Vielleicht hast du dann die Nase voll.”

      „Niemals, Vater, niemals! Aber ...”

      „Großvater war doch immer lieb zu dir. Komm, wir rufen ihn an!”

      2. Kapitel

      „Die dritte ist es, die auf dem Schecken. Siehst du nicht ...”

      Vater und Mutter standen in dem kleinen Reiterstübchen der Halle am Fenster und sahen auf die Abteilung hinunter, die in der Halle rundum ritt. Lauter Zehn- bis Zwölfjährige, alle mit Kappen, manche in Stiefeln, andere wieder in langen Hosen und Turnschuhen. Der Besitzer des Stalles stand in der Mitte, gab halblaute Anweisungen, die man von hier aus nicht verstand, und folgte mit den Augen seinen kleinen Reiterlein. Vater und Mutter waren gekommen, um Ronny abzuholen, heute war ihr letzter Tag hier in der Reitschule.

      „Sie sehen alle ähnlich aus”, sagte Mutter und drückte das Gesicht an die Scheibe. „Die Kappen verdecken das Gesicht zur Hälfte. Nein, wie man sich täuschen kann! Ich dachte zuerst, sie wäre die Kleine auf dem Schimmel.”

      Vater war es ähnlich gegangen. Ohne Verabredung – oder vielleicht doch nach einer Absprache – hatten alle Kinder, die hier ritten, sich schwarze Pullis angezogen, um recht zünftig auszusehen, mit weißen Kragen oder Rollis. Das gab ein hübsches, einheitliches Bild. Bei manchen guckten natürlich helle Haare unter der Kappe heraus und bei manchen dunkle, ein Mädchen trug einen Pferdeschwanz.

      „Süß sehen sie aus”, flüsterte Mutter.

      Das fand Vater auch. Und nun wurde getrabt und galoppiert, die Pferde, anscheinend gut zugeritten, machten keine Schwierigkeiten, und so ging die Stunde gut zu Ende. Außer Ronnys Eltern hatten sich auch noch ein paar andere Väter und Mütter eingefunden, die ihre Sprößlinge abholten, und so gab es nach der Reitstunde ein fröhliches Durcheinander.

      „Aber daß du ausgerechnet dieses alte Hemd angezogen hast.”

      „Du mußt zum Haarschneiden, sonst lernst du noch das Schielen, so lang sind deine Zotteln.”

      „Nie abgeschmiert? Na, da gratuliere ich ja.”

      „Hast du auch ordentlich geholfen? Ja? Wir werden uns erkundigen.”

      „Und warum hast du uns das nicht am Telefon gesagt? Du sagtest doch, alles wäre in Ordnung, und nun kommst du mit so einem blauen Auge an!”

      Der Reitlehrer stand lächelnd dabei, antwortete auf Fragen, gab Bescheid, versprach, wenn es ginge, das Kind im nächsten Kurs wieder aufzunehmen, und beruhigte besorgte Mütter. Nein, alles wäre gutgegangen, ein paar blaue Flecken und Schrammen hätten nichts zu sagen. Friede hätte auch geherrscht, eins der Kinder hätte einmal mit einer Erkältung einen Tag im Bett gelegen, sonst wären alle putzmunter gewesen. Er kannte das, diese Elternversammlung am Schluß des Kurses, und war, genau wie die Abholenden, aufgeräumt und erleichtert. Betrübt waren die Kinder, aber auch eifrig dabei,