Die schönsten Pferdegeschichten. Lise Gast

Читать онлайн.
Название Die schönsten Pferdegeschichten
Автор произведения Lise Gast
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9788711509135



Скачать книгу

fragte Anja.

      „Seitlich, du Depp. Natürlich geht es so. Komm, los, wir probieren es. Na, was hab’ ich gesagt? Geht wunderbar! Nun los.“ Petra hatte den Griff des Kinderwagens an der einen Seite gepackt und schob an, Anja folgte auf der anderen. Es ging.

      „Aber eins – warte! Ehe wir jemanden auf die Hörner nehmen …“ Soeben hatten sie nämlich einen älteren Herrn, der zwar den Kinderwagen, aber nicht das herausstehende Blech gesehen hatte, um ein Haar angefahren. „Wenn man sperrige Güter transportiert, muß man einen roten Lappen anhängen. Einen richtigen Blickpunkt, der auffällt. Warte, ich hab’ was.“ Sie hatte ihren roten Anorak schon ausgezogen, warf ihn über den Kinderwagen, zerrte ihren Pullover, der tatsächlich knallrot war, über den Kopf und befestigte ihn nicht ohne Mühe vorn an der Blechrutsche. Dann schlüpfte sie wieder in den Anorak und kam nun zufrieden an den Wagen, um zu schieben. „So, nun kommen wir, ohne Schaden anzurichten, zum Reitverein.“

      „Und was willst du damit?“ fragte Anja jetzt endlich. Bisher hatte sie diese Frage nirgends dazwischenschieben können.

      „Dreimal darfst du raten – kannst du es dir wirklich nicht denken? Wer möchte denn so gern den Faschingszug sehen? Und kann die Treppe nicht runter? Na? Frau Taube doch wohl, oder nicht? Die Treppe, die zu ihr hinaufführt, ist genauso lang wie die Rutsche, ich hab’ es ausgemessen. Wenn wir die Rutsche drauflegen und oben richtig festmachen, dann kann Frau Taube morgen bis ins Reiterstübel hinunterrutschen, sich dort ans Fenster setzen und den ganzen Fasching miterleben. Was sagst du dazu?“

      „Klasse! Und du hast dir das ganz allein ausgedacht? Du bist wirklich ein Genie, Petra!“

      „Nicht wahr? Aber keiner darf es wissen. Auch Frau Taube nicht. Sonst erzählt sie es womöglich jemandem, und wenn Erwachsene sich bei so was einmischen, wird es immer nichts, weil sie tausend Bedenken haben. Überall sehen sie Schwierigkeiten, wo keine sind.“

      Das fand Anja auch. Sie schoben also den Kinderwagen mit der langen Blechschiene weiter durch die Straßen, mußten immer wieder „Vorsicht!“ und „Achtung!“ schreien und kamen endlich an den Weg, der zum Reitverein abzweigte. Sie fuhren um den Stall herum und an die hintere Schmalseite der Halle. Dort kam nicht jeden Tag jemand hin. Hier luden sie die Rutsche ab.

      „So, und nun marsch, marsch nach Hause“, sagte Anja. „Du kommst doch mit? Bei uns sieht es aus wie nach dem Türkenkrieg, und ich möchte meiner Mutter diesen Anblick ersparen.“

      Petra erklärte sich sofort einverstanden zu helfen. Sie erreichten Anjas Wohnung zum großen Glück noch vor den Eltern.

      „So, jetzt können sie kommen“, erklärte Petra, als sie den letzten Buntstift vom Boden aufgehoben und ins Etui gesteckt hatte. „Morgen mußt du aber zeitig drüben sein, lange, bevor es losgeht. Ich geh’ gleich von der Schule aus hin, hab’ zu Hause gesagt, ich müßte helfen. Muß ich ja auch, und wie! Tschüs, bis dahin! Vergiß nicht deine Cowboy-Ausrüstung.“

      „Werd’ ich schon nicht“, sagte Anja und winkte ihr nach. Etwas vergessen, auf das man sich wochenlang freut!

      Am anderen Tag regnete es tatsächlich. Anja hatte sich sofort nach Tisch verdrückt und auf dem Küchentisch einen Zettel hinterlassen: „Beginn um vier. Kommt bitte pünktlich.“

      Denn zusehen sollten ihre Eltern, das wünschte sie sich sehr.

      Beim Reitverein angekommen, traf sie sogleich auf Petra. Sonst waren noch nicht viele Mitglieder da. Herr Anders kehrte die Stallgasse, in der Halle hingen bunte Girlanden.

      „Hoffentlich scheuen die Pferde deswegen nicht“, sagte Anja, aber Petra lachte. „Besonders dein Kerlchen!“

      „Ach, Kerlchen hat ein ganz schönes Temperament. Das hast du ja neulich gemerkt, als wir ihn einspannten.“

      Sie liefen miteinander hinter die Halle, holten die Rutsche und trugen sie zum Reiterstübel. Toni, die Wirtin, war schon da; sie polierte gerade ihre Theke und sah etwas verwundert drein, als Petra und Anja mit dem Blechding ankamen.

      „Was, um Himmels willen, wollt ihr denn damit?“

      „Pscht, Geheimnis!“ sagte Petra. Sie richteten die Rutsche auf – und wirklich, sie paßte auf die Treppe. Petra hatte bereits für Stricke gesorgt, um sie festzumachen. Toni stand dabei und schüttelte den Kopf, war aber gutmütig genug, mit anzufassen. Mit ihrer Hilfe wurde alles ordentlich und so, daß man sich keine Sorgen machen mußte.

      „Nun rutschen wir erst mal Probe“, befahl Petra und tat es. Ssssst – war sie unten. Toni lachte.

      „Ob Frau Taube auch so runtersausen will?“ fragte sie zweifelnd. Petra bohrte den Zeigefinger in die Schläfe. „Natürlich nicht. Wir halten sie und lassen sie langsam runterfahren.“

      „Na schön, ich helfe.“

      Zu dritt erschienen sie in Frau Taubes Reich, klopften, hörten „Herein!“ und waren schon mitten im Erklären und Beschreiben ihrer herrlichen Idee. Frau Taube war ganz gerührt. Sie ließ sich von ihnen bis zur Treppe führen.

      „Und wie komm’ ich wieder rauf?“ fragte sie zwar noch, aber Petra tat das ab.

      „Das findet sich! Erst mal runter, und dann setzen wir Sie ins Reiterstübel ans Fenster, und Sie übersehen die ganze Halle. Das wird herrlich.“

      Ja, das verlockte Frau Taube natürlich. Und man merkte ihr an, daß sie Reiterin gewesen war und sicherlich nicht so leicht ein Risiko gescheut hatte, früher, als sie noch Remonten zuritt. Sie setzte sich, ohne sich zu sperren, auf die Rutsche und ließ sich, von Petra und Anja rechts und links gehalten, hinuntergleiten, während Toni unten stand und sie auffing. Denn sehr langsam ging es trotz aller Bremserei nicht. Aber es ging! Unten angekommen, stand sie auf und wanderte an Tonis Arm bis zum ersten Tisch im Reiterstübel, wo sie sich aufatmend niederließ.

      „Kinder, ist das schön! Mal wieder woanders sein! Mal wieder in der Reithalle!“ Sie strahlte. Die Mädchen strahlten auch. Toni, die noch nichts zu tun hatte, setzte sich zu Frau Taube.

      „Wir müssen jetzt zu unseren Pferden“, sagte Petra. „Aber wir kommen wieder. Und hinauf kriegen wir Sie auch wieder, irgendwie geht das schon.“ Sie stoben ab.

      Im Stall war jetzt schon viel los. Die meisten Reitvereinsmitglieder waren schon in Kostümen gekommen, weil sie sich hier nicht umziehen wollten. Sie boten einen bunten Anblick. Da putzte ein Bäckerlehrling mit einer großen Brezel auf dem Rücken sein Pferd, dort kratzte ein Königssohn Hufe aus, und Gero, der winzige, hatte sich tatsächlich als Gartenzwerg verkleidet. Er sollte heute den Freiherrn reiten, ein besonders hohes Pferd, auf dem er sicherlich noch kleiner aussehen würde, als er schon war. Petra platzte fast vor Lachen, als sie Gero da oben hocken sah. Er war probeweise aufgestiegen. Cornelia war noch nicht da. Auf sie waren die Mädchen besonders gespannt.

      Der Reitlehrer schien heute besserer Laune zu sein als sonst bei solchen Veranstaltungen. Er trug eine Husarenuniform, die ihm sehr gut stand.

      Inzwischen fanden sich immer mehr Schaulustige ein und füllten das Reiterstübel, so daß man dort kaum mehr einen Stehplatz ergattern konnte. Petra sollte heute Desirée haben, hatte sie geputzt und dann Anja zum Halten übergeben, um noch schnell Cornelias Creon fertigzumachen. Cornelia kam und kam aber nicht.

      „Sie ist doch sonst so pünktlich“, jammerte Anja, aber Petra sagte sorgenvoll: „Ihr Beruf geht vor. Wenn nun gerade ein Kind auf den Kopf gefallen ist und genäht werden muß …“

      „Ausgerechnet heute“, seufzte Anja. Der Reitlehrer kommandierte schon, daß der Zug sich ordnen solle. Da kam Cornelia endlich um die Ecke gesaust, einen Mantel über ihrem Faschingskostüm.

      „Petra, du bist ein Engel, daß du mir Creon fertiggemacht hast! Ich konnte nicht eher.“ Sie japste. Petra übergab ihr den Zügel und ordnete sich mit ihrer Desirée ein. Die ersten Pferde des Zuges setzten sich schon in Bewegung, es war wirklich allerhöchste Zeit.

      Weil es bergab ging, führten die Reiter bis zur Halle und saßen erst dort auf. Anja hatte schreckliches Lampenfieber, ob