Название | Geschichtsmatura |
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Автор произведения | Christian Pichler |
Жанр | Документальная литература |
Серия | Österreichische Beiträge zur Geschichtsdidaktik.Geschichte - Sozialkunde - Politische Bildung |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783706560856 |
Die dargestellten Überlegungen zur Sprachfähigkeit basieren auf Untersuchungen schriftlicher Narrationen. Mündliche Äußerungen, die die tragende Form der Kommunikation sowohl im Unterricht als auch in der österreichischen Reifeprüfung darstellen, unterliegen anderen Konzeptionen und Bedingungen. Grundsätzlich wird Mündlichkeit einem allgemeinen Verständnis nach als Kontrast zur schriftlichen Kommunikation wahrgenommen. Das Begriffskonzept ist aber unscharf, denn es beschreibt die Summe sprechsprachlicher Produkte, die, extensional verstanden, eine große Vielfalt von Sprechhandlungen erfasst. Diese hängen sowohl vom sozialen wie auch vom situativen Kontext ab. Trotzdem lassen sich prototypische Formen festmachen, die über spezifische Regelsysteme verfügen, die durch die Kontexte, in denen sie entstehen, determiniert sind. Somit erwachsen aus der kommunikativen Praxis typenbildende Konventionen und individuelle Anwendungen. Deren Eigenschaften entwickeln sich entlang der Produktions- und Rezeptionsbedingungen, sind aber nicht akkurat normiert, wie das bei Textsorten der Fall ist, weil sie den Erfordernissen interaktiver Bewältigung (spontaner) Kommunikationssituationen zu entsprechen haben. Mündlichkeit gilt demnach als weniger komplex und als eingängiger als schriftliches Erzählen, sie weist einen geringeren Abstraktionsgrad auf. Als Bauelemente der gesprochenen Sprache gelten Lautlichkeit, syntaktisch-grammatische und lexikalische Komponenten, die je nach Anwendungskontext in spezifischen Ausprägungen in Erscheinung treten können. Das manifestiert sich in einem variablen Tempusgebrauch (im Österreichischen ist es z. B. auf der Stufe des Vergangenen meist das Perfekt), einen alternativen Modusgebrauch (Konjunktive treten im bildungssprachlichen Register selten auf, in Soziolekten hingegen häufig), in einer freieren Wortstellung und in einem weniger ausgeprägt regelgebundenen Satzbau („Schlampigkeit von Sprechsprache“).241 Es ist nicht erforscht, welche Parameter die Verbalität von Reifeprüfungsgesprächen determinieren und wie deren Typen beschrieben werden können. Zu vermuten ist, dass hier sowohl die individuellen Sprachkontexte der Kandidat*innen als auch die der jeweiligen Schul- und Unterrichtskulturen prägend wirken.242
2.3.7 Zur Kontroverse um den Aspekt Wissen und historische Kompetenzen
Die gesellschaftlichen Ansprüche an Wissensbestände junger Menschen, die durch den Geschichtsunterricht zu erwerben seien, streuen erheblich. Während im öffentlichen Diskurs seit jeher das Verfügen über deklaratives Fachwissen (i. e. die Kenntnis über Daten und Fakten, Ereignissen, Epochen, Subjekten, Räumen, Dimensionen und Kategorien) im Zentrum der Aufmerksamkeit steht, wünscht sich die Geschichtswissenschaft die Erarbeitung von Wissen zu forschungsrelevanten Themen, während eine an Sozialwissenschaften und Pädagogik orientierte Didaktik die Hinwendung zu „[…] epochentypische(n) Schlüsselprobleme(n) unserer Gegenwart und der vermutlichen Zukunft“243 verlangt. Vertreter*innen der jüngeren Geschichtsdidaktik propagieren die Berücksichtigung individueller Interessen der Schüler*innen bei der Auswahl zu erarbeitender Inhalte.244 Im krassem Gegensatz zur Bandbreite der Erwartungen an historisches Wissen stehen die Befunde der empirischen Forschung über dessen Verfügbarkeit bei deutschen Schüler*innen. Bodo von Borries fasst sie pointiert in dem Diktum zusammen, es herrsche „gähnende Leere“.245 Mit dem kompetenzorientierten Unterricht werden die Ansprüche an den zu erarbeitenden „Stoff“ – das „[…] Substrat gesicherten Wissens über die Welt“246 – um mehrere Facetten erweitert: Nutzung von Wissen zum Zweck des Aufbaus der Fähigkeit, historische Phänomene selbstständig zu erschließen, die Gegenwart zu erklären und die Zukunft zu prädeterminieren. Folgt man der Kompetenzdefinition Weinerts, kann man Wissen sowohl als Ausgangspunkt als auch als Ergebnis des Prozesses des Kompetenzaufbaus sehen,247 was die Klärung der Frage des Stellenwerts und der Rolle des Wissens im kompetenzorientierten Unterricht nicht erleichtert. Daher wird im Folgenden der Versuch einer Standortbestimmung unternommen, um einen denkbaren Zugang zum Umgang mit Wissen in den Reifeprüfungen zu finden.
2.3.7.1 Zur Funktion von Wissen: Der Konnex Wissen – Können – Urteilen, ein Problemaufriss
Die Bedeutung, die historischem Wissen zugemessen wird, hat viel mit Vorstellungen von Bildung, aber auch mit der Haltung zu Unterricht zu tun. Verfolgt man den wissenschaftlichen Diskurs und gleicht ihn mit so manchem kollegialen Gespräch in Konferenzzimmern ab, könnte man zu dem Schluss kommen, der Umgang mit Fachwissen sei die Gretchenfrage des kompetenzorientierten Geschichtsunterrichts. Lehrer*innen artikulieren die Sorge, die Anforderungen im Umgang mit Materialien würden es nicht (mehr) erlauben, ausreichend „Stoff“ zu erarbeiten, um den für unabdingbar gehaltenen Überblick über die Geschichte so aufzubereiten, dass Schüler*innen sich in ihr sicher bewegen und somit als gebildet gelten können. Der wissenschaftlichen Didaktik wird unterstellt, sie propagiere eine Reduktion von Wissensvermittlung im Schulunterricht zugunsten des Einübens von Verfahren.248 Auch wenn die Kritik übersieht, dass die Didaktik eine zielgerichtete und wohlüberlegte Wissensgenerierung fordert, um ausgewählte Themen der Geschichte umfassend und in die Tiefe gehend zu bearbeiten, gibt es die Irritationen innerhalb der Disziplin bezüglich des Stellenwerts von Fachwissen. Das belegt auch die nachfolgende Auswahl an Stellungnahmen aus der Geschichtsdidaktik.
Vor dem Hintergrund der Änderung