Nice Girls. Louise Boije af Gennäs

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Название Nice Girls
Автор произведения Louise Boije af Gennäs
Жанр Книги о Путешествиях
Серия
Издательство Книги о Путешествиях
Год выпуска 0
isbn 9788711475133



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Zeit war aus dem Malen nicht so recht was geworden. Genauer gesagt, das ganze letzte Jahr nicht.

      In der Woche vor ihrem neunundzwanzigsten Geburtstag hatte Catta beschlossen, einmal nachzusehen, was sie in letzter Zeit eigentlich zustande gebracht hatte. Sie begann die Bilder in ihrem Arbeitszimmer (der alten Mädchenkammer hinter der Küche, in der Catta eine Wand herausgenommen und ein ordentliches Fenster eingesetzt hatte) zu sortieren und entdeckte nach ein paar Stunden zunehmenden Entsetzens, daß sie in diesem Jahr überhaupt nichts gemalt hatte.

      Wie konnte man überhaupt nichts malen, wenn das, was man am liebsten tat, das Malen war?

      Nachdem Catta die nackte Wahrheit eingesehen und in ihrem Kalender nachgesehen hatte, um sich zu vergewissern, daß sie keine neueren Bilder als die des Vorjahres verschenkt hatte – sie hatte bisher noch nie ein Bild verkauft, außer an ihren Vater, der für eine Nacktstudie aus ihrer Zeit in Nyckelviken den überhöhten Preis von 5000 Kronen bezahlt hatte –, hatte sie die Tür zum Arbeitszimmer abgeschlossen und den Schlüssel in eine Vase auf ihrem Kamin gelegt.

      Noch hatte sie mit keinem über die Sache gesprochen.

      4.

      Gunvor stand vor ihrem Badezimmerspiegel und schminkte sich die Lippen. Hinter ihr stand ihr kleiner Bruder Claes. Na, so klein war er ja eigentlich nicht mehr, sie reichte ihm jetzt kaum noch bis zur Schulter. Er war tatsächlich schon fünfundzwanzig, so schwer es auch war, sich das vorzustellen. Rein körperlich fiel es überhaupt nicht schwer, er hatte jetzt breite Schultern und einen kräftigen Rücken, große, schwielige Hände und sprach als Krönung des Ganzen den behäbigen Dialekt Östgötlands. Kein anderer in Gunvors Familie sprach so ausgeprägt ostgotisch. Gunvor selbst hatte sich ihren Dialekt fast ganz abgewöhnt, nur wenn sie aufgeregt war, kam er wieder zum Vorschein. Dann schämte sie sich immer gleich doppelt, mit rotem Gesicht und feuchten Augen. Doch Claes, der redete einfach drauflos.

      »Wann fängt die Party an?« fragte Claes. »Der Lippenstift da ist nicht so hübsch wie der andere, den du zuerst hattest.«

      »Der andere paßt nicht zum Kleid, siehst du ja wohl!« sagte Gunvor verärgert. »Cocktails gibt es ab acht, aber ich wollte etwas eher dort sein und bei den letzten Handgriffen mithelfen.«

      »Kann Catta überhaupt nichts allein machen? fragte Claes. »Du bist doch schon stundenlang dort gewesen, hast Brote geschmiert und weiß der Himmel was alles!«

      Gunvor gab keine Antwort. Sie widmete sich lieber dem Versuch, einen perfekten Bogen auf der Oberlippe hinzukriegen. Das war schwierig.

      »Jetzt hast du danebengemalt«, sagte Claes.

      »Mein lieber Claes, kannst du nicht ins Zimmer gehen und dir einen Drink nehmen oder sonstwas?« erwiderte Gunvor heftig. »Es macht mich nervös, wenn du mir ständig über die Schulter guckst.«

      Claes grinste, zog einen Hocker heran und setzte sich vor die Badezimmertür, ohne sie zu schließen.

      »Hast du vor, bei diesem Finanzunternehmen zu bleiben?« fragte er. »Wäre es nicht Zeit, etwas anderes zu machen?«

      »Und was sollte das sein?« fragte Gunvor.

      »Du könntest nach Hause kommen und bei mir auf dem Hof arbeiten«, sagte Claes und grinste breit.

      »Danke«, sagte Gunvor, »ich verzichte darauf.«

      »Aber mal im Ernst«, sagte Claes. »Ich glaube nicht, daß dieser Job das richtige für dich ist. Dir scheint es nicht besonders zu bekommen, so gestreßt und fertig, wie du ständig wirkst.«

      »Ich bin überhaupt nicht gestreßt!« sagte Gunvor.

      »Was für eine Großstädterin du doch geworden bist«, erwiderte Claes und lachte vor sich hin. »Nicht gestreßt! Du tust doch nichts anderes, als den ganzen Tag wie eine Wilde durch die Gegend zu sausen.«

      Jetzt klingelte Gunvors Telefon, aber sie hatte keine Zeit, den Hörer abzunehmen. Es war Stella, die dem Anrufbeantworter mit gehetzter, kichernder Stimme mitteilte, sie könne Gunvor nicht, wie verabredet, vor der Party abholen.

      Es klang, als hätte sie gekifft. Gunvor seufzte tief. Außerdem, fügte Stella am Schluß hinzu, fände sie, es sei eine reizende Idee, wieder mit der Band anzufangen, aber sie könne sie leider nicht richtig ernst nehmen. Küßchen! Sie würden später weiter darüber reden.

      Claes lächelte vor sich hin und sah auf seine Hände hinunter. Sicher waren sie schwielig, aber so schrecklich sah er ja wohl trotzdem nicht aus. Das hier tat ihm ein bißchen weh.

      Es war nicht gut für Gunvor, hier oben in Stockholm zu wohnen. Wäre es vor fünf Jahren gewesen, so hätte sie ihn bestimmt gebeten, mit auf Cattas Party zu kommen. Jetzt hatte sie nicht einen Ton gesagt.

      Sie schämte sich natürlich.

      Allerdings begriff er absolut nicht, warum, denn diese Stockholmer waren weiß Gott nichts, mit dem man Staat machen konnte. Kratzte man nur ein bißchen an der Oberfläche, war nichts mehr vorzufinden.

      »Ich halte es für eine gute Idee, die Band wieder aufleben zu lassen«, sagte Claes. »Ich glaube, das wäre das beste für dich. Hol die Band wieder zusammen und hör in diesem Finanzunternehmen auf. Oder du kommst einfach mit mir und Baffe mit, wenn wir im Herbst für ein halbes Jahr um die Welt reisen.«

      Gunvor hörte nicht hin. Sie schob den Lippenstift wieder in die Hülse und steckte ihn in ihre Handtasche.

      »Sei so lieb und ruf mir ein Taxi«, sagte sie.

      5.

      Jetzt stand Catta allein, direkt unter dem geerbten Kronleuchter, in ihrer kleinen Dreizimmerwohnung in Östermalm, die sie nach ihrer Großmutter bezogen hatte, und nahm Küßchen auf die Wangen entgegen. Alle wollten gratulieren. Alle wollten ihr sagen, wie blendend sie aussähe in ihrem kurzen Cocktailkleid von Escada. Um sie herum summten die vielen Gäste wie die Bienen, und sie war die Königin des Abends, außerordentlich passend gekleidet in Schwarz und Gold.

      An der Wand drüben stand Charlie. Er sprach mit einer jungen Frau, die Catta nicht richtig unterbringen konnte, vermutlich das Mädchen irgendeines ihrer männlichen Freunde. Die junge Frau trug ein schulterfreies Kleid in Knallrosa. Sie war braungebrannt, und ihre Augen und ihre Haare schimmerten goldbraun. Charlie beugte sich näher zu ihr und redete leise auf sie ein. Es war unmöglich zu verstehen, was er sagte, aber die Frau warf den Kopf in den Nacken und lachte. Ein schönes Lachen, mit glänzenden weißen Zähnen und hellen, weiblichen Tönen.

      Man klang leicht so, wenn man mit Charlie sprach.

      Margareta, Charlies Frau, war zu Hause. Sie und Catta begegneten sich niemals, obwohl beide sehr genau von der Existenz der anderen wußten. Margareta war zehn Jahre älter als Catta, und Charlie war fünfundvierzig.

      Gunvor stand in der Tür zur Küche und sah Catta mitten über die munter plaudernde und summende Ansammlung von Menschen an. Sie folgte Cattas gequältem Blick, und dann bahnte sie sich resolut einen Weg zwischen den Gästen hindurch. Catta fühlte einen harten Griff um ihren Arm.

      »Komm mal mit raus in die Küche!«

      Es war Gunvors lachendes, scheinbar völlig unwissendes Gesicht, das zu ihr aufsah. Catta seufzte, aber sie ließ sich mitschleppen, lächelte nach rechts und links, entschuldigte sich, daß sie nach ein paar Kleinigkeiten sehen müsse, und dann verschwanden sie durch die Tür.

      Auf dem Küchentisch thronte Stella mit einer Flasche in der Hand, gekleidet in einen schwarzen minimalen Rock und gestreifte Strümpfe. Sie trug das Haar über ihren nackten, knochigen Schultern offen, und ihre Augen glitzerten. Am Abwaschtisch stand Lizzie und spülte die Champagnergläser.

      »Aber das brauchst du doch jetzt nicht zu machen!« rief Catta.

      »Das sind nur ein Paar Gläser«, sagte Lizzie. »Draußen auf dem Tisch wurde es langsam leer, also fand ich, man könne ebensogut ein paar abspülen.«

      Lizzie spülte immer, räumte ständig auf, war