Im Spukschloss Monbijou. Nataly von Eschstruth

Читать онлайн.
Название Im Spukschloss Monbijou
Автор произведения Nataly von Eschstruth
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9788711472941



Скачать книгу

Strombeck trat in die Mitte des Saals und klingelte.

      Als es Ruhe gab, erhob sie ihre Stimme:

      „Meine Herrschaften — wir möchten gern die vier heiligen drei Könige aus dem Morgenland, welchen dieser Tag geweiht ist, verkörpern! Darf ich vier der jungen Herrn bitten, mir zur Maskierung zu folgen! Herr von Dellien! Herr von Dallmer-Dalitz — Edler von Needlitz! — Herr von Dillfingen! — Darf ich die Herren bitten, mir zu folgen!“

      Frau von Strombeck schwenkte kurz ab und rauschte, gefolgt von den „Eingezogenen“ in den Nebensalon ab.

      Von da verschwanden sie.

      Man war ein wenig erstaunt.

      Eigentlich hatte man geglaubt, es sei eine besondere Überraschung, von wem die maskierten Könige dargestellt wurden! Das nahm dem Scherz eigentlich die Pointe.

      „Da ist ja doch ein Ulk bei! Wetten dass die Majestäten in ungeheuerlichem Aufzug erscheinen, so ähnlich wie Menelaus der Gute, Mann der schönen Helena!“

      „Langen Sie mal ein Glas Punsch von dem Tablett herüber, Bill! Frau von Bärenhorst will trinken!“

      „Ich denke ja gar nicht daran! Ich will ja gar keins!“

      „Macht nichts, gnädigste Frau, dann trinke ich es! Bill soll’s nur holen!“

      „Aber Heitlingen, Sie sind wirklich frech!“

      „Frechheit ist Übercourage! Sie ziert den Helden!“

      „Wo bleiben denn die schwarz gebrannten Majestäten?“

      „Ah! Sie kommen!“

      „Unter grossem Vortritt!“

      „Nee — ist mehr Paradeschritt! Für so kleine Schäker aus Marokko und Bessarabien ganz gut gemacht!“

      „O herbes Erwachen aus schönem Traum: die Herren sehen ja ganz unverfälscht nach dem Orientbasar aus der Friedrichstrasse aus!“

      „Tatsächlich! Wir haben sie übertaxiert, Turban, Zinkenkronen, mächtige weisse und braune Bärte, Kaftans mit Schärpen, den Stern an der Stange in der Hand tragend ...“

      „Nanu! Wie oft wandern denn die Könige im Kreise vor dem bewundernden Publikum herum?“

      „Der kleine Dicke ist ja Dallmer!“

      „Majestäteken! Treten Sie sich nicht auf Ihren Kimono!“

      „Sie! Herr Sie! Nennen Sie sich nicht im Zivilleben Dellien?“

      „Still ... Ru—he!“

      „Es scheint, die asiatischen Beherrscher aller Nubier und Kamele kommen auf Brautschau her ... die Damen werden so scharf gemustert ...“

      „Nun bleibt er vor Fräulein von Waldeck stehen!“

      „Frech war er ja stets! Manchmal treibt er sogar Missbrauch mit dieser guten Gabe Gottes!“

      „Gnädiges Fräulein, ich glaube, Sie sollen ein Gebetchen aufsagen, wie beim Knecht Ruprecht!“

      „Singen Sie doch:

      Majestät Schmidt,

      Majestät Schmidt,

      Was bringen Sie Röschen mit?“

      Da erdröhnt Delliens Stimme in furchtbar tiefem Bass:

      „Mich selber bringe ich dir mit, holdes Schätzchen, als köstlichsten Edelstein, und wenn du mich willst, machen wir heute abend noch die Hochzeitsreise unter die vierzig Palmbäume der Wüste Sahara!“

      Tiefe Stille.

      Alles stutzt, — richtet sich atemlos entsetzt empor.

      „Das geht zu weit!“

      „Ist der Kerl verrückt geworden?“ raunen die Herren und furchen die Stirn.

      Sigurd Savaburg bekommt einen Kopf wie Zinnober.

      Die Ader auf seiner Stirn schwillt, in jäher Empörung will er vorspringen und sich schützend vor Amarant stellen. „Der Mensch muss betrunken sein!“ knirscht er entrüstet.

      Gleichzeitig ein einziger, lauter, gellender Aufschrei durch den ganzen Saal.

      Die Damen prallen zurück, die Herren stehen sprachlos.

      Dellien hat jählings die Arme um Amarant geschlungen und küsst wie ein Wahnsinniger ihr reizendes, jetzt so namenlos entsetztes Gesichtchen.

      Schon steht Savaburg neben ihr.

      „Dellien!“ schreit er auf: „Was bedeutet das! — Sind Sie bei Sinnen?!“

      Da zieht die Majestät aus dem Morgenland, der vierte heilige drei König ganz gelassen die Maske von dem Gesicht und sagt: „Sie irren sich wohl, Herr von Savaburg! — Warum soll ich meine Cousine in der Freude des Wiedersehens nicht ein bisschen umarmen und abküssen? — Gräfin Valeska Plunck!“

      Tableau.

      Der dritte heilige König aber lüftet ebenfalls die Maske, verbeugt sich sehr tief und kräht persiflierend: „In diesem Kasten steck’ ich, meine Herrschaften, — mein Name ist Balthasar Dellien!“

      Ein wahrer Sturm der Aufregung. Ein tolles, jubelndes Tohuwabohu.

      „Donnerwetter — das war ein Reinfall!“

      „Haha, die Gräfin Plunck!“

      „Das war allerdings eine Überraschung! Bravo, Komtesse! Bravo!“

      „Das hätte ich mir nicht träumen lassen!“

      „Tatsächlich, zuerst habe ich mich wahnsinnig erschrocken!“

      „Wie kann man denn nur auf Dellien?“

      „Na, weil er so ein Paschadax ist und in seinen Händen der Passepartout einer Maskenfreiheit am gefährlichsten ist!“

      „Gräfin Plunck! Kein Mensch hat sie erkannt!“

      „Ja, ja, das war ein Knalleffekt! Und erst wurde unser Spürsinn so raffiniert eingeschläfert!“

      „Puh!“ sagte Valeska, und rieb ihr Gesicht mit dem mächtigen rotseidenen Schnupftuch, welches in der buntseidenen Schärpe des Kaftans stak, „so ein Bart macht ja furchtbar heiss! Nun weiss ich, warum mein Grossvater keine Boa braucht!“

      Bill hat sich von seinem Schreck erholt. Er konstatiert, dass die weiten Mantelärmel, wenn Gräfin Vally die Arme hebt, abermals den Eindruck eines Ballons machen.

      Das ist ein gutes Omen.

      Er kennt heute die Speisenfolge für das Souper nicht, aber er nimmt sich vor, diesmal die junge Dame freiwillig zu engagieren.

      Die Komtesse aber wirft mit einem Aufstöhnen der Erleichterung, voll unverkennbaren Triumphs über das Wohlgelingen ihres famosen Witzes die Schärpe mit den krummen Säbeln und antiken Halfterpistolen des Onkels, die jetzt erst in ihrer anachronistischen Komik gewürdigt werden, sowie den langen, weiten Kaftan von sich, und steht wieder schlank und zierlich in dem fussfreien, weissen Spitzenkleid vor dem jubelnden Publikum.

      Amarant war zuerst von Frau von Strombeck voll hellen Lachens in die Arme genommen, und die Damen und Herren der nächsten Umgebung umringten sie gleich mit einem so wirren Durcheinander von Worten, dass Sigurd schweigend zurücktrat und nur mit händeringenden Handbewegungen für die Anerkennung quittierte, dass er allsogleich die heilige Hermandad verkörpert hatte.

      Nur einen flüchtigen Moment traf sein Blick Amarants heiss erglühtes Gesichtchen.

      Sie sah ihn an, und zum erstenmal schlug sie unter dem seltsamen Ausdruck seiner Augen die Wimpern nieder.

      Hinter ihm stand Heitlingen und zog ihn etwas abseits in den Erker.

      „Aber Savaburg, das nenne ich kühn von Ihnen, so forsch ins Zeug zu gehen! Sie wussten ja gar nicht, ob Dellien nicht tatsächlich mit Fräulein von Waldeck