Eddie und die beste Freundin der Welt. Viveca Lärn

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Название Eddie und die beste Freundin der Welt
Автор произведения Viveca Lärn
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9788711463109



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Platz aus betrachtete Malkolm das Meer durchs Fenster. Oder die See, wie Malkolm sagte. Das ganze große Meer, das sich über den halben Erdball erstreckt, von der kleinen Stadt Lysekil bis zur Polizeischule in New York (das hatte Arne gesagt) – all das Wasser, viele Liter, nannte Malkolm die See.

      So sind die meisten Leute in dieser Gegend, behauptete Eddies Papa. Ließen sich von nichts beeindrucken. Nennen das Meer die See. Man muss sich fragen, wie sie einen Bach nennen würden. Vielleicht eine kleine Wasserpfütze. Sehr komisch.

      Eddie guckte aufs Meer. Er stellte sich vor, dass die Welle, die gerade gegen die Klippen bei Lysekil rollte, vielleicht vor drei Wochen in den USA gewesen war. Allein das. Diese Welle hatte vielleicht Michael Jackson baden gesehen, Maxon Jaxon, wie Eddie ihn nannte. Er schüttelte den Kopf. Die Sache mit dem Meer konnte er nicht begreifen. Und dann nennt Malkolm es die See!

      Malkolm hatte kräftige Unterarme und dicke Hände mit Sommersprossen drauf. Er trug fast immer einen blauen Overall, und wenn er den auszog, konnte man sehen, dass M/S Gullan auf seinem T-Shirt stand. Das war übrigens sehr leicht zu lesen, das T-Shirt war nämlich ein bisschen zu klein für Malkolms breiten Brustkorb. Die Buchstaben waren also sehr breit und deutlich. Das Schiff, auf dem Malkolm arbeitete, hieß M/S Gullan. Gut, dass er so ein T-Shirt hatte. Dann wusste er doch jeden Morgen, wo er hingehen musste. Malkolm hatte rötliches Haar, ein bisschen dünn, und seine Gesichtshaut war ganz rot und aufgesprungen. Aber seine Augen waren hellblau und lieb. Malkolm redete nicht viel. Meistens guckte er aus dem Fenster. Wenn er was sagte, ging es fast nur ums Wetter. Er sagte, ob es sich ändern würde. Ob mehr Wolken aufziehen würden oder weniger. Ob der Wind zu- oder abnehmen würde. Klarere Sicht oder Nebel. Mehr Sonne oder weniger.

      Arne nannte Malkolm «Wetterfrosch». Oh, Arne konnte so witzig sein. Eddie hatte Sehnsucht nach ihm. Er guckte auf seine Armbanduhr. Arnes Uhr. Ann-Sofie und Malkolm konnten sicher sehen, dass das eine Uhr war, die für einen größeren Jungen als Eddie bestimmt war.

      «Setz dich zu Malkolm», sagte Ann-Sofie ungeduldig und zeigte auf die Küchenbank. «Steh nicht so rum.»

      Eddie kapierte gar nichts. Er guckte auf seine nackten Füße, die auf einem Flickenteppich mitten in der Küche standen. Durfte man nicht einfach so rumstehen? Vielleicht musste man in Lysekil immer sitzen?

      «Ja, komm und setz dich», sagte Malkolm freundlich.

      «Ich glaub, der Wind frischt ein bisschen auf. Möchte wissen, ob wir Sturm zum Wochenende kriegen.»

      «Möchte wissen, wann Arne kommt», sagte Eddie.

      «Das dauert wohl noch ein bisschen», sagte Malkolm tröstend.

      «Ja, Gott sei Dank», sagte Ann-Sofie. Sie kniete sich hin und begann, mit einem Lappen die Backofenklappe zu bearbeiten.

      Eddie seufzte und schaute zu den Wellen, die gegen die Klippen schlugen.

      «Darf ich rausgehen?», fragte er.

      «Geh nur nicht in die See», sagte Ann-Sofie.

      «Nein», sagte Eddie, «ich geh in die andere Richtung.»

      Ann-Sofie und Malkolm brachen in Gelächter aus. Ann-Sofie hatte ein kurzes, hohles Lachen, während Malkolm eher ein dunkles Glucksen zwischen den Zähnen hervorstieß. Eddie hoffte, dass sie nicht allzu oft lachten, während er in Lysekil war. Vor allen Dingen nicht über ihn.

      «Die See ist überall», sagte Malkolm. «Du kommst immer an die See, wohin du auch gehst.»

      Johanna aus dem blauen Haus

      Eddies Füße glitten in die Turnschuhe. Er hatte die Schnürsenkel nicht aufgeknüpft, als er sie ausgezogen hatte, es ging also schnell. Erstaunlich, dass Ann-Sofie gar nicht über seine nicht aufgeknüpften Schnürsenkel geschimpft hatte. Manchmal war sie witzig. Aber sonst dachte sie meistens an ernste Kleinigkeiten. Eddie konnte kaum fassen, wie sie alles schaffte. Aber das mit den Schuhen war ihr jedenfalls entgangen. Eddie lächelte vor sich hin, als er die Tür hinter sich schloss und losging in die Stadt Lysekil.

      Hier sah es wirklich anders aus. Die Häuser standen sehr nah beieinander und rundherum waren viele Zäune. Aber das waren keine Zäune mit Stacheldraht und schweren Schlössern an den Pforten gegen Feinde. Und sie waren auch nicht unter Strom wie die Zäune um Kuhweiden auf dem Lande. Nein, es waren ganz freundliche Zäune aus Holz, das in verschiedenen freundlichen Farben gestrichen war. Manche Zäune waren auch gar nicht gestrichen. Sie schmiegten sich dicht an die Häuser. Für Gärten war also nicht viel Platz. Das fand Eddie gut. Sein Papa hatte gesagt, die Jungen könnten ihrer Tante helfen, Laub zu harken und Unkraut zu jäten, aber da hatte er sich geirrt. Kein Land in Sicht, wo man Unkraut jäten könnte, weder bei Ann-Sofies Haus noch bei den anderen in der Umgebung.

      Eddie folgte der Straße, bis er eine noch schmalere Straße fand, die bergauf führte und sich in andere enge Straßen und noch engere Gassen aufteilte. Eddie fühlte sich wichtig. Es gibt nicht viele, die einfach so durch eine fremde Stadt bummeln. Jedenfalls nicht viele Siebenjährige. Vielleicht erwachsene Männer aus Australien, die Bänder aus Krokodilleder um ihre Hüte trugen. Ein bisschen unsicher fühlte er sich. Was für ein Glück, dass die Quallen nicht an Land kommen können, das tun sie doch wohl nicht?

      Keinem Menschen begegnete er, während er sich einen hohen Hügel hinaufquälte. Aber als er die Kuppe erreichte, war er froh, denn hier gab es so manches zu sehen. Erstens mal massenhaft Meer und einen Badestrand mit Kiosk (geschlossen! Das war an den Fensterluken zu erkennen). Aus dem Berg ragte ein Trampolin hervor und am Sandstrand ging ein alter Mann entlang und harkte. Die Leute in Lysekil waren wirklich sehr ordentlich. Harkten sogar ihre Strände. Eddie musste laut lachen. Er stellte sich vor, er würde anfangen, an seinem Bach zu Hause zu harken. Das würde aussehen! Womöglich auch noch staubsaugen. Jedes einzelne Blatt aufsaugen. Oh, oh, wie unordentlich, so darf das in der Natur aber nicht sein. Und dann die Steine putzen, das muss man, zum Wochenende soll es hübsch werden am Bach. Vielleicht noch den Baumstumpf dahinten mit ein bisschen Möbelpolitur bearbeiten. Eddie bog sich vor Lachen, dass er fast einen Krampf im Bauch kriegte. Der alte Mann, der den Strand harkte, war weit entfernt. Er konnte nicht böse werden und herkommen und Eddie verhauen, nein, hier in Lysekil konnte man in aller Ruhe lachen. Papa würde staunen, wenn Eddie den Staubsauger zum Bach runterschleppte! Eddie musste noch mehr lachen. Woher sollte er Strom kriegen? Wahrscheinlich musste er den Stecker in die Nase stecken. Und Arne würde richtig sauer werden. Was würden denn die Nachbarn sagen, so was war wichtig für Arne. Curt Diesel von der Tankstelle würde den Kopf schütteln und seine Frau Alma würde die Augen verdrehen.

      «Wie kann einer so ganz für sich allein lachen?»

      Eddie war augenblicklich still, als er die schnippische Stimme hörte, und im selben Augenblick entdeckte er die Besitzerin der Stimme. Es war ein Mädchen von etwa siebeneinhalb Jahren.

      «Ach», sagte Eddie mutig, «gibt’s auch Mädchen in Lysekil? Das hat mir keiner im Bus aus Göteborg erzählt.»

      Das klang frech. Eddie fand, er redete fast wie Arne, und fügte keck hinzu:

      «Rate mal, worüber ich lache.»

      Das Mädchen schüttelte den Kopf und starrte Eddie mit großen braunen Augen an.

      Eddie zeigte zum Strand.

      «Guck dir den Alten an. Der hat einen Putzfimmel. Er fegt die Natur.»

      Eddie fing wieder an zu lachen, aber das Mädchen lächelte nur ein wenig.

      «Das ist Kaspar», sagte sie. «Er harkt die Quallen zusammen, damit sie uns nicht im Weg sind, wenn wir baden. Das verstehst du ja wohl.»

      Eddie wurde blass.

      «Ach ja, natürlich», sagte er. «Das hatte ich gerade vergessen. Dass die Quallen freitags in die Stadt kommen.»

      Das Mädchen fing auch an zu lachen. Ihr fehlten oben und unten die Schneidezähne. Das Loch war ganz schwarz.

      «Wollen wir spielen?», fragte sie.

      So was hatte Eddie noch nie jemand gefragt. Wollen wir spielen! Er sah