Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper

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Название Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper
Автор произведения James Fenimore Cooper
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9788027209774



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      »Rede nicht so, mein Kind«, entgegnete der Vater, »aber wenn du wieder so verwegen über diese Brücke setzest, so wirst du von dem Alter nichts zu besorgen haben, wohl aber mich in Trauer zurücklassen, was ich dann einzig deinem Stolz zu danken hätte, Elisabeth. Hättest du diesen Landstrich im tiefen Schlafe der Natur gesehen, wie es bei mir der Fall ist, und wärest du Zeuge der raschen Veränderung gewesen, zu welcher ihn das Bedürfnis des Menschen weckte, so würdest du deine Ungeduld ein wenig zügeln, wenn du schon bei deinem Roß den Gebrauch des Zügels verschmähst.«

      »Ich erinnere mich, daß ich dich einmal von deinem ersten Besuch in diesen Wäldern sprechen hörte; aber der Eindruck ist nur noch schwach und durch wirre Bilder aus meiner Kindheit verwischt. So wild die Gegend auch jetzt noch erscheinen mag, so muß sie doch damals tausendmal trübseliger gewesen sein. Willst du mir nicht noch einmal sagen, lieber Vater, was du damals von deinem Unternehmen dachtest, und was du jetzt empfindest?«

      Während dieser Worte, welche Elisabeth mit zärtlicher Wärme sprach, ritt der junge Edwards näher an die Seite des Richters und heftete sein dunkles Auge mit einem Ausdruck auf dessen Züge, als wollte er seine innersten Gedanken lesen.

      »Du warst damals jung, mein Kind, aber doch mußt du dich der Zeit noch erinnern, als ich dich und deine Mutter verließ, um diese unbewohnten Gebirge in Augenschein zu nehmen«, sagte Marmaduke. »Doch du kannst die geheimen Beweggründe nicht teilen, die den Mann veranlassen, sich Entführungen aller Art zu unterziehen, um Reichtümer zu sammeln. Die meinigen sind nicht gering gewesen, aber es hat Gott gefallen, meine Bemühungen erfolgreich werden zu lassen. Wenn ich übrigens auch Kummer, Hunger und Krankheiten durchmachen mußte, um in diesem rauhen Landstrich eine Ansiedlung zustande zu bringen, so hatte ich doch nicht das Unglück, meine Bekümmernisse durch ein Fehlschlagen meiner Absichten vermehrt zu sehen.«

      »Hunger?« erwiderte Elisabeth. »Ich meinte, wir lebten in einem Land des Überflusses! Auch mit Hunger hattest du zu kämpfen?«

      »Es ist so, mein Kind«, versetzte der Vater. »Freilich, wer sich jetzt umsieht und die Produkte gewahrt, die auf jedem dieser wilden Bergpfade transportiert werden, wird kaum glauben, daß erst fünf Jahre verflossen sind, seit die Bewohner dieser Wälder sich genötigt sahen, die spärlichen Früchte des Waldes zu essen, um ihr Leben zu fristen, und mit ungeübter Hand das Wild zu jagen, um den Hunger ihrer Familien zu stillen.«

      »Ja!« rief Richard, der ob seinen Bemühungen, das Lied des Holzfällers vor sich hin zu summen, nur den letzten Teil dieser Worte gehört hatte, »das war eine wahre Hungerzeit, Bäschen Elisabeth. Ich wurde in jenem Herbst so dünn wie ein Wiesel, und mein Gesicht bekam eine Farbe, als litte ich an einem kalten Fieber. Monsieur Le Quoi fiel zusammen wie ein vertrockneter Kürbis, und es ist mir fast, als hätten Sie sich noch nicht ganz erholt, Monsieur. Benjamin war, glaube ich, der ungebärdigste in der ganzen Gesellschaft; denn er schwor Stein und Bein, daß ein solches Leben härter sei als die Verkürzung der Rationen in den Zonen der Windstille. Der Bursche ist gleich mit dem Schwören bei der Hand, wenn man ihn auch noch so wenig hungern läßt. Ich hatte damals im Sinn, dich zu verlassen, Duke, um nach Pennsylvanien zu gehen und mich wieder herauszumästen; dann meinte ich aber wieder: ›Ei zum Henker, wir sind ja Geschwisterkinder, und so will ich denn mit ihm leben und sterben.‹«

      »Ich werde deine Freundlichkeit ebensowenig vergessen wie unsere Verwandtschaft!« entgegnete Marmaduke.

      »Aber, mein lieber Vater«, rief Elisabeth verwundert, »es herrschte also Not? Wie stand es denn mit den schönen und fruchtbaren Tälern des Mohawk? Ließ sich nicht von dort her dem Mangel abhelfen?«

      »Es war ein Mißjahr, die Lebensmittel hatten in Europa hohe Preise und wurden von den Spekulanten gierig aufgekauft. Die aus dem Osten kommenden Auswanderer nahmen ihren Zug ohne Unterschied durch das Mohawktal und zehrten die Vorräte wie ein Heuschreckenschwarm auf. Auch die Bewohner der Ebene waren in keiner viel besseren Lage. Sie litten selbst Mangel und darbten sich alles, was nicht gerade der höchsten Notdurft entsprach, mit der Sparsamkeit des deutschen Charakters am Munde ab. Den Armen ging es dabei am härtesten. Das Wort Spekulation war damals noch unbekannt unter ihnen, und ich habe manchen kräftigen Mann sich unter der Last eines Mehlsacks hinschleppen sehen, den er von den Mühlen des Mohawk durch die zerrissenen Gebirgspässe trug, um seine halbverhungerten Kinder zu sättigen; wenn er sich dann seiner Hütte näherte, so geschah es mit so leichtem Herzen, als wären die dreißig zurückgelegten Meilen gar nichts gewesen. Du darfst nicht vergessen, mein Kind, daß dies in unserer Frühzeit war, als wir weder Mühlen noch Getreide, weder Wege noch bedeutende Lichtungen hatten. Unser ganzer Zuwachs bestand in Mäulern, die essen wollten; denn selbst in jenem verhängnisvollen Augenblick ließ der unruhige Geist der Auswanderung nicht nach, – im Gegenteil, der allgemeine Mangel im Osten vergrößerte die Zahl der Abenteurer noch.«

      »Und wie, liebster Vater, bestandest du dieses schreckliche Ungemach? » erwiderte Elisabeth. »Auf dir mußte jedenfalls die Verantwortung, wenn auch nicht die Not lasten.«

      »Es war so, Elisabeth«, versetzte der Richter, indem er für einen Augenblick innehielt, als wolle er sich die Vergangenheit ins Gedächtnis zurückrufen. »Ich hatte in jener verhängnisvollen Zeit Hunderte, die täglich zu mir um Brot aufsahen. Der Notstand der Familien und die düstere Aussicht in die Zukunft hatten den Unternehmungsgeist und die Kräfte meiner Ansiedler gelähmt. Der Hunger trieb sie in die Wälder, um dort Lebensmittel zu suchen; aber verzweiflungsvoll, entkräftet und ohne Nahrung kehrten sie des Abends zu den Betten zurück und fanden doch keinen Schlummer. Es war eine Zeit allgemeiner Untätigkeit. Ich kaufte Weizen aus den Kornspeichern Pennsylvaniens, der in Albany auf Boote gebracht und den Mohawk hinabgeführt wurde; von dort aus ließ ich ihn durch Saumrosse in die Wildnis bringen und unter meine Leute verteilen. Wir setzten Schleppnetze aus und durchwühlten die Seen und Flüsse nach Fischen. Einmal geschah ein wahres Wunder zu unseren Gunsten; denn wir bemerkten, daß ungeheure Scharen von Heringen fünfhundert Meilen weit in den Windungen des ungestümen Susquehanna aufwärts zogen und den See mit ihren Massen belebten. Sie wurden gefangen und mit den nötigen Portionen Salz unter die Leute verteilt Von diesem Augenblick an begann unser Gedeihen«.

      »Ja«, rief Richard, »und ich teilte die Fische und das Salz aus. Als die armen Teufel kamen, um ihre Rationen in Empfang zu nehmen, mußte Benjamin, der mir dabei half, mit Stricken Schranken um mich ziehen; denn die Leute rochen so stark nach Knoblauch (sie hatten nämlich nichts als dieses wilde Zwiebelgewächs zu essen), daß die Düfte davon mich oft aus meinem Konzept brachten. Du warst damals noch ein Kind, Beß, und weißt nichts von der Sache; denn man bot alles auf, euch nichts von dem Mangel fühlen zu lassen. Jenes Jahr brachte mich schrecklich zurück, sowohl in der Schweine-als in der Truthühnerzucht.«

      »Ja, Beß«, fuhr der Richter in einem heiteren Tone fort, ohne die Unterbrechung seines Vetters zu beachten, »wer die Ansiedlungen nur vom Hörensagen kennt, weiß kaum, mit wieviel Mühe und Entbehrung sie bewerkstelligt werden. So wild auch jetzt der Distrikt deinen Augen vorkommen mag, – du hättest ihn sehen sollen, als ich zum erstenmal diese Berge besuchte. Ich verließ meine Gesellschaft am Morgen nach meiner Ankunft in der Nähe des Ortes, wo jetzt die Meiereien des Kirchentales stehen, und ritt, einem von den Hirschen gebahnten Pfad folgend, auf den Gipfel des Berges, welchen ich seitdem den Visionsberg nenne; denn der Anblick, der sich dort vor meinen Augen auf tat, erschien mir nur wie das Gebilde eines Traumes. Das Feuer hatte auf dem Gipfel aufgeräumt und die Aussicht großenteils freigelegt Die Blätter waren abgefallen, und ich bestieg einen Baum, wo ich wohl eine Stunde sitzenblieb und in die schweigende Wildnis hinausschaute. Nicht eine Öffnung war in dem endlosen Urwald zu sehen, die Stelle ausgenommen, wo der See wie ein Spiegel dalag. Das Wasser war von Myriaden wilder Zugvögel bedeckt, und während ich so auf meinem Buchenast ritt, sah ich eine Bärin mit ihren Jungen an das Ufer hinuntersteigen, um ihren Durst zu stillen. Ich hatte während meiner Reise manchen Hirsch durch die Wälder gleiten sehen, aber nirgends konnte ich die Spur eines Menschen entdecken, selbst nicht von meinem erhöhten Standpunkt aus. Es gab noch keine der Lichtungen, der Hütten, der gewundenen Wege, die man jetzt antrifft, – nichts als Berge über Bergen und das Tal mit struppigem Reisig erfüllt, dem nur hin und wieder ein Baum, der ungern seine verblichenen Blätter fallen ließ, einiges Leben mitteilte. Selbst