Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper

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Название Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper
Автор произведения James Fenimore Cooper
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9788027209774



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Ich habe nie den Nutzen solchen Stubensitzens einsehen können, und doch ist mein Haupt jetzt bald kahl. Nein, da lobe ich mir das Freie! Habe ich doch vordem in einem einzigen Sommer meine zweihundert Biber erlegt, das andere Wild gar nicht mitgerechnet. Wenn Sie meinen Worten nicht glauben wollen, so mögen Sie den Chingachgook fragen; denn dies geschah im Herzen des Delawarenlandes, und der alte Mann weiß, daß ich keine Unwahrheit rede.«

      »Ich zweifle nicht, mein Freund, daß Ihr in Eurer Jugend ein ebenso rüstiger Soldat wie geschickter Jäger gewesen seid; aber es ist noch mehr nötig, um Euch für das herannahende Ende vorzubereiten. Ihr habt doch wohl von dem Sprichwort gehört: ›Junge können, Alte müssen sterben‹?«

      »Nein, ich bin kein so großer Tor, um zu hoffen, daß ich ewig leben dürfe«, entgegnete Natty mit seinem stummen Lachen. »Auch kommt ein solcher Gedanke niemand zu Sinn, der die Fährten der Wilden durch die Wälder verfolgt und die heißen Monate an den Strömen der großen Seen zugebracht hat, wie es bei mir der Fall ist. Ich habe zwar eine kräftige Konstitution, was ein jeder, ohne daß ich es selber sage, sehen kann; und habe zu hunderten Malen aus den Fluten des Onondaga getrunken, wenn ich an den Hirschlecken lauerte, in einer Zeit, wo der Sassafras dort noch so häufig war wie heutzutage die Klapperschlangen an dem alten Crumhorn; aber nie habe ich gehofft, ich werde für immer aushalten. Es gibt Leute, welche die Garman-Ebenen noch als eine Wildnis kannten und dabei Gelehrte sind, die sich gewaltig auf Religion verstehen; aber jetzt kann man sich eine ganze Woche dort umsehen und nicht einmal einen Fichtenstumpf finden, und doch war es ein Wald, der über ein halbes Jahrhundert noch in dem Boden steckte, nachdem die Bäume schon tot waren.«

      »Das fällt alles der Zeit anheim, mein guter Freund«, versetzte Herr Grant, der an dem Wohl seines neuen Bekannten ein Interesse zu finden begann, »aber ich wünschte, Ihr würfet auch einen Blick nach der Ewigkeit. Es ist Eure Pflicht, die Orte öffentlicher Gottesverehrung zu besuchen, und es machte mir Freude, daß ich Euch diesen Abend hier getroffen. Würde es nicht unvernünftig von Euch sein, wenn Ihr auf eine mühsame Jagd ausgehen wolltet und Euren Flintenstein und Ladestock zurückließet?«

      »Das müßte ein Anfänger in den Wäldern sein«, unterbrach ihn Natty mit einem zweiten Lachen, »der nicht einen Ladestock aus einem Eschenzweig schnitzen oder einen passenden Stein in den Bergen finden könnte. Nein, nein, ich habe nie gehofft, immer zu leben; aber ich sehe, die Zeiten ändern sich in diesen Bergen, und seit dreißig Jahren schon – nein, was diesen Punkt betrifft, seit zehn Jahren – hat alles eine ganz andere Gestalt bekommen. Doch Macht gibt Recht, und das Gesetz ist stärker als ein alter Mann, sei er nun ein Gelehrter oder meinesgleichen. Man hält’s jetzt freilich für bequemer, dem Wild an den Engpässen aufzulauern, als ihm mit den Hunden nachzusetzen, was mir vordem niemand wehren konnte. Habe ich doch nie einen Prediger in eine Ansiedlung kommen sehen, ohne daß das Wildbret rarer geworden und das Pulver im Preis gestiegen wäre; und doch geht das lange nicht so leicht wie das Schnitzen eines Ladestocks oder das Einsetzen eines indianischen Flintensteins.«

      Der Geistliche bemerkte, daß er durch seine unglücklich gewählte Vergleichung dem Gegner in die Hände gearbeitet hatte, und ließ daher klüglicherweise von seiner Kontroverse ab, obgleich er entschlossen war, sie bei günstigerer Gelegenheit wieder aufzunehmen. Er wiederholte sein Gesuch angelegentlich gegenüber dem jungen Jäger, und dieser, nebst dem Indianer, willigte ein, ihn und seine Tochter nach der Wohnung zu begleiten, welche Herrn Jones’ Sorgfalt für ihn hergestellt hatte. Lederstrumpf beharrte jedoch auf seiner Absicht, nach der Hütte zurückzukehren, und so trennten sie sich an der Tür des Bethauses.

      Nachdem sie eine Weile auf der Straße, die nach dem Dorf führte, fortgegangen waren, bog Herr Grant, der den Zug anführte, durch ein Paar offene Schranken in einen Fußpfad ein, der nicht breiter war, als daß eine Person hinter der andern darauf fortkommen konnte. Der Mond stand so hoch, daß er seine Strahlen senkrecht über das Tal goß, und die scharf begrenzten Schatten der kleinen Gesellschaft glitten an den silberweißen Schneedämmen wie luftige Gestalten dahin. Trotz der vollkommenen Windstille war die Nacht noch immer schneidend kalt. Der Pfad war so fest getreten, daß sich selbst das zarte Mädchen, das bei der Gesellschaft war, mit Leichtigkeit in seinen Windungen fortbewegte, obgleich selbst unter ihren elastischen Tritten der hartgefrorene Schnee laut aufknarrte.

      Der Geistliche in seinem dunkelfarbigen Gewand, welcher das milde wohlwollende Antlitz, in dem sich der den Mann charakterisierende demütige Eifer nicht verkennen ließ, zu wiederholten Malen nach seinen Gefährten umwandte, bildete den Anführer dieser vereinzelten Gruppe. Hinter ihm kam der Indianer, dessen üppige Haare das unbedeckte Haupt umflogen, während der übrige Teil seines Körpers durch die Wolldecke verhüllt war. Wenn man das dunkle Gesicht mit seinen unbeweglichen Muskeln im Licht des Mondes betrachtete, wie es von der Seite einfiel, so mochte er wohl als das Bild des resignierten hohen Alters erscheinen, an dem sich die Stürme des Winters seit mehr als einem halben Jahrhundert vergeblich versucht hatten; sobald John aber den Kopf umwandte und die Strahlen unmittelbar auf seine schwarzen feurigen Augen fielen, so konnte man deutlich eine ganze Geschichte ungezügelter Leidenschaften und eines an keine Grenzen sich bindenden Gedankenfluges darin lesen. Miss Grants leichte Gestalt, die nun folgte und wohl etwas zu luftig für die Strenge der Jahreszeit gekleidet war, bildete einen schroffen Gegensatz zu dem wilden Anzug und den unsteten Blicken des Delawarenhäuptlings. Mehr als einmal fühlte sich während dieses kurzen Spazierganges der junge Jäger, der nicht als die unbedeutendste Person in der Gruppe erschien, veranlaßt, über die menschliche Form Vergleichungen anzustellen, wenn Mohegans Gesicht und Miss Grants zartes Antlitz mit Augen, die mit der sanften Bläue des Himmels wetteiferten, seinen Blicken begegneten, sooft eines der beiden nach der glänzenden Scheibe, die ihren Pfad beleuchtete, aufsah. Sie kürzten sich den Weg, der über die hinter den Häusern liegenden Felder führte, durch ein Gespräch, das, je nach dem Gegenstand, bald flau, bald lebhaft geführt wurde. Der Geistliche begann die Unterhaltung.

      »Es ist in der Tat ein so eigentümlicher Umstand«, sagte er, »hier in diesem Ort einem Manne Ihres Alters zu begegnen, der sich nie durch eitle Neugierde bewegen ließ, eine andere Kirche als die, welcher er seine sittliche Erziehung verdankt, zu besuchen, daß ich ein starkes Verlangen fühle, die Geschichte eines so glücklich geregelten Lebens kennenzulernen. – Sie müssen eine sehr gute Erziehung genossen haben, wie aus Ihrem Benehmen und Ihrer Sprache hervorzugehen scheint. In welchem Staat sind Sie geboren, Herr Eduard? – denn das ist, glaube ich, der Name, den sie dem Richter Temple angaben.«

      »In diesem.«

      »Ihrem Dialekt nach wäre ich nicht auf diese Vermutung gekommen, da er in der Tat nichts von den Eigentümlichkeiten aller der Landstriche trägt, in denen ich bekannt bin. Sie haben wohl viel in den Städten gewohnt? Denn kein anderer Teil dieses Landes ist so glücklich, unsere ausgezeichnete Liturgie beharrlich geübt zu sehen.«

      Der junge Jäger lächelte, als er hörte, wie der Geistliche so deutlich verriet, aus welchem Teil des Landes er selber stammte, unterließ es jedoch, vermutlich aus Gründen, die mit seiner derzeitigen Lage in Verbindung standen, zu antworten.

      »Ich bin ungemein erfreut, Sie kennengelernt zu haben, mein junger Freund; denn ich denke, ein edler Sinn, wie der Ihrige es ohne Zweifel ist, wird alle diejenigen Früchte bringen, die aus einer wohlbegründeten Lehre und einer die Andacht hebenden Liturgie fließen. Sie haben wahrgenommen, wie ich mich diesen Abend in die Laune meiner Zuhörer fügen mußte. Der gute Herr Jones wünschte, daß ich die Kommunionformel und in der Tat sogar den ganzen Morgengottesdienst verlesen sollte, aber zum Glück verlangen dies die Kirchengesetze am Abend nicht, wie es denn überhaupt auf meine neue Gemeinde unangenehm eingewirkt haben würde. Aber ich gedenke, morgen das Sakrament zu administrieren. Werden Sie an der Kommunion teilnehmen, mein junger Freund?«

      »Ich glaube nicht, Sir«, erwiderte der Jüngling mit einiger Verlegenheit, die sich keineswegs verminderte, als Miss Grant plötzlich unwillkürlich stehenblieb und überrascht die Augen auf ihn heftete. »Ich fürchte, daß ich nicht vorbereitet bin. Ich habe mich noch nie dem Altar genähert und möchte es auch nicht tun, solange ich finde, daß noch so viel Irdisches mein Herz gefangenhält.«

      »Jeder muß sich selbst am besten kennen«, sagte Herr Grant, »obgleich mich dünkt, daß ein Jüngling, der sich