Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper

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Название Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper
Автор произведения James Fenimore Cooper
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9788027209774



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jener Hälfte der Versammlung, die nicht zu den eigentlichen Dorfbewohnern gehörte, sprach sich ein ziemlich gleichförmiger Ausdruck aus: allenthalben die gelbe Hautfarbe, die auf Anstrengung in Wind und Wetter deutete, Anstand und Aufmerksamkeit, in die sich fast durchgängig ein Zug von Verschmitztheit mischte, und im gegenwärtigen Falle die gespannteste Neugierde. Hin und wieder zeigten sich auch ein Gesicht und ein Anzug, die hiervon eine Ausnahme machten. Jener pockennarbige Mann mit der blühenden Gesichtsfarbe und den Gamaschen an den Beinen, nebst einem Rocke, der genau dem Besitzer auf den Leib paßte, war sicherlich ein englischer Emigrant, der sich nach diesem abgelegenen Erdwinkel verloren hatte. Dort die harten, farblosen Züge mit den hohen Backenknochen ließen auf einen schottischen Auswanderer schließen. Der kleine schwarzäugige Mann mit einem Anflug der dunklen Gesichtsfarbe des Spaniers, der alle Augenblicke aufstand, um den Schönen des Dorfes Platz zu machen, war ein Sohn Erins, der erst kürzlich sein Bündel abgeworfen und sich als Handelsmann in Templeton niedergelassen hatte. Kurz, die Hälfte der in Europas Norden wohnenden Nationen war in dieser Versammlung vertreten, obgleich sich alle zu der amerikanischen Ansiedlertracht bequemt hatten, mit Ausnahme des Engländers. Doch hing dieser nicht nur hinsichtlich seiner Lebensweise und seines Anzugs an den Bräuchen seines Mutterlandes, sondern er handhabte auch zwischen den Baumstümpfen seinen Pflug in derselben Weise, wie er es im Flachland von Norfolk getan hatte, bis ihm eine teuer erkaufte Erfahrung die Lehre gewonnen hatte, daß ein verständiges Volk besser weiß, was zu seiner Umwelt paßt, als ein zufälliger Beobachter oder ein Fremder, der vielleicht zu vorurteilsvoll ist, um zu vergleichen, oder sich zu hoch dünkt, um etwas zu lernen.

      Elisabeth entdeckte bald, daß die Augen der Versammlung ebenso aufmerksam auf ihr wie auf Herrn Grant ruhten. Eine mädchenhafte Schüchternheit gestattete ihr daher nur, verstohlene Blicke auf das von uns eben vorgeführte Gemälde zu werfen. Als jedoch das Stampfen mit den Füßen weniger häufig wurde und auch das Husten und andere kleine Einleitungen, die bei derartigen Versammlungen der Andacht vorausgehen, nachgelassen hatten, da faßte sie sich ein Herz umherzusehen. Das Geräusch verminderte sich mehr und mehr, bis endlich das unterdrückte Hüsteln bekundete, daß es nötig sei, sich jetzt ein wenig zusammenzunehmen, und die tiefste Stille herrschte nun in dem Raum. Man hörte nur noch das Knistern der Feuer, die eine mächtige Hitze verbreiteten, und jedes Gesicht, jedes Auge war jetzt dem Geistlichen zugekehrt. In diesem Augenblick ließ sich ein schweres Stampfen der Füße am Eingang vernehmen, als ob ein neuer Ankömmling seine Bewegungsorgane vom Schnee befreie, der notwendig den Beinen eines Fußgängers anhaften mußte. Dann folgten lautlose Tritte, und man gewahrte Mohegan, der – von Lederstrumpf und dem jungen Jäger begleitet – in das Gotteshaus kam. Die Schritte, mit denen sie den Raum in ihren Mokassins betraten, wurden überhaupt nur gehört, weil bereits Stille eingetreten war.

      Der Indianer bewegte sich mit feierlichem Ernst durch den Raum, und da er neben dem Richter einen leeren Sitz bemerkte, nahm er denselben mit einer Miene ein, die das Bewußtsein seiner eigenen Würde bekundete. Hier blieb er, die Wolldecke so dicht um sich schlagend, daß sie einen Teil seines Gesichtes verbarg, den ganzen Gottesdienst über unbeweglich und in tiefer Aufmerksamkeit sitzen. Natty ging an dem Stuhl vorbei, dessen sich sein roter Gefährte so unumwunden bemächtigt hatte, und setzte sich auf das Ende eines Holzblocks, der in der Nähe des Feuers lag, wo er, die Büchse zwischen seinen Beinen, anscheinend nicht sehr erfreulichen Betrachtungen nachhing. Der Jüngling fand einen Sitz unter der Versammlung, und das frühere Schweigen trat wieder ein.

      Herr Grant stand nun auf und begann den Gottesdienst mit dem erhabenen Ausspruch des Propheten:

      »Der Herr ist in Seinem heiligen Tempel, laßt die ganze Erde vor Ihm schweigen.« Richards Beispiel war unnötig, um die Gemeinde zu lehren, daß sie aufstehen solle, da schon der feierliche Ernst des Geistlichen wie eine Zaubergewalt diese Wirkung hervorbrachte. Nach einer kurzen Pause fuhr Herr Grant in seiner ernsten und ergebenden Mahnung fort. Man hörte nichts als die tiefen und eindringlichen Worte des Redners, wie er langsam seinen Text erklärte, bis unglücklicherweise Richard etwas Vergessenes einfiel und er auf den Zehen seinen Platz und das Schiff der Kirche verließ.

      Als der Geistliche im Gebet seine Knie beugte, ahmte die Gemeinde insoweit das Beispiel nach, daß sie ihre Sitze wieder einnahm; aber keine seiner Bewegungen konnte sie vermögen, im Laufe dieses Abends zum zweiten Male in Masse aufzustehen. Einige taten es wohl hin und wieder, aber bei weitem die Mehrzahl rührte sich nicht. Sie ließ es zwar nicht an Aufmerksamkeit fehlen, aber es war eine Art von Aufmerksamkeit, welche die Handlung eher für ein Schauspiel ansah als für eine Gottesverehrung, an der man teilnehmen müsse. Von seinem Küster verlassen, fuhr Herr Grant fort zu lesen, ohne daß sich übrigens eine Antwort vernehmen ließ. Er hielt die kurzen und feierlichen Pausen, die jeder Bitte folgten, ein, aber keine Stimme respondierte dem beredten Gebet des Geistlichen.

      Elisabeths Lippen bewegten sich, aber sie brachten keine Worte hervor. An den Gottesdienst der Kirchen in Neuyork gewöhnt, wurde ihr das Störende dieses Umstands ungemein peinlich, als auf einmal eine leise, sanfte Frauenstimme die Worte des Priesters wiederholte: »Wir haben unterlassen diejenigen Dinge, welche wir hätten tun sollen.« Verwundert, eine Person ihres eigenen Geschlechts an diesem Ort zu finden, die sich über die angeborene Schüchternheit erheben konnte, wandte Miss Temple ihre Augen nach der Betenden und bemerkte in kleiner Entfernung von sich selbst ein junges Frauenzimmer auf den Knien, das sein Gesicht demütig auf sein Gebetbuch senkte. Das Äußere dieser Fremden – denn für Elisabeth war sie dies im buchstäblichen Sinne des Wortes – war leicht und zart, ihr Anzug nett und anständig, und ihr Gesicht weckte trotz seiner Blässe und Ergriffenheit durch seinen angenehmen und wehmütigen Ausdruck eine tiefe Teilnahme. Bei einer zweiten und dritten Bitte vertrat sie gleichfalls die Stelle des Chors, als auf einmal die kräftigen Töne einer Männerstimme von der anderen Seite des Betsaales miteinstimmten. Miss Temple erkannte im Augenblick die Stimme des jungen Jägers, und ihre Mutlosigkeit bekämpfend, vereinigte sie ihre schwachen Laute mit denen der beiden anderen Beter.

      Diese ganze Zeit über hatte Benjamin emsig in seinem Gebetbuche geblättert, aber unglücklicherweise die rechte Stelle nicht finden können. Ehe jedoch der Geistliche zu dem Schluß der Beichtformel kam, erschien Richard wieder in der Tür und nahm, während er sich leichten Trittes durch den Raum bewegte, die Antwort mit einer Kraft auf, die keine andere Besorgnis verriet, als daß sie nicht gehört werden könnte. In seiner Hand trug er ein kleines offenes Kästchen mit den schwarzgemalten Zahlen ›8 zu 10‹ auf der einen Seite, welches er, augenscheinlich als einen Fußschemel für den Geistlichen, in die Kanzel stellte, worauf er zu seinem Platz zurückkehrte und gerade noch zeitig genug dort anlangte, um mit einem volltönigen ›Amen‹ einfallen zu können. Als Herr Jones mit seiner seltsamen Last eintrat, waren die Augen aus einem leicht erklärlichen Grunde nach den Fenstern gerichtet; sie kehrten sich jedoch bald wieder in gespannter Aufmerksamkeit dem Prediger zu, da man bereits an die Tätigkeit des ›Aushelfers in allen Dingen‹ gewöhnt war.

      Langjährige Erfahrung hatte Herrn Grant instand gesetzt, sein Amt auf eine bewundernswürdige Weise durchzuführen. Er kannte den Charakter seiner Zuhörer, die als ein noch ungebildetes Volk, welches eifrig an den Spitzfindigkeiten seiner verschiedenen religiösen Ansichten hielt, die Einführung eines so zeitlichen Beiwerks, wie Formeln, in ihre geistige Gottesverehrung nicht nur mit Eifersucht, sondern oft sogar mit Widerwillen betrachteten. Einen großen Teil seiner Kenntnisse hatte er im Studium des großen Buches der Natur, das in der Welt offen vor uns da liegt, gefunden, und da er wußte, wie gefährlich es sei, mit der Unwissenheit zu streiten, so bemühte er sich durchweg, alles einem Befehl Ähnliche zu vermeiden, wo seine Vernunft es für ratsam erachtete zu überzeugen. Seine Rechtgläubigkeit hing nicht mit seinem Priesterrock zusammen. Er konnte, wenn es die Umstände erforderten, auch ohne den Beistand seines Küsters mit Glut und Andacht beten, wie man ihn auch oft einen sehr evangelischen Vortrag mit der vollen Kraft seiner Beredsamkeit halten hörte, ohne daß ihm dabei die Mithilfe eines weißen batistenen Tuches zu Gebote gestanden hätte.

      Im gegenwärtigen Falle sah er der Menge seiner Zuhörerschaft manches nach, und als er mit seiner Rede zu Ende kam, war auch nicht einer in der ganzen Versammlung, dem die Feierlichkeit nicht weniger papistisch und anstößig und weit mehr im Einklang mit seinen eigenen Begriffen von wahrer Andacht erschienen wäre, als man ihn das von einem Formengottesdienst glauben gemacht