Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper

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Название Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper
Автор произведения James Fenimore Cooper
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9788027209774



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insgeheim für seinen alten Herrn Sorge trug; denn nicht einmal er konnte es ertragen, einen Mann, auf den ehedem ein ganzes Volk mit Achtung geblickt, der Welt in seiner Armut und Geistesschwäche zu zeigen.«

      »Und was begannst du?«

      »Ich? Nun ja, ich gab mein letztes Geld aus, um eine Büchse zu kaufen, hüllte mich in ein grobes Gewand und bildete mich an Lederstrumpfs Seite zum Jäger aus. Das übrige ist Ihnen bekannt, Richter Temple.«

      »Und warum wollte man nichts von dem alten Fritz Hartmann?« sprach der Deutsche vorwurfsvoll. »Hast du nie den Namen des alten Fritz Hartmann aus dem Munde deines Vaters gehört, Junge?«

      »Ich mag wohl unrecht getan haben, meine Herren«, entgegnete der Jüngling, »aber ich besaß zuviel Stolz, um unser Unglück zur Schau zu stellen, das auch am heutigen Tage gegen meinen Willen ans Licht gefördert wurde. Ich hatte Pläne, die vielleicht träumerisch waren; ich gedachte aber immer, meinen Großvater, wenn er den Herbst erleben sollte, nach Neuyork mitzunehmen, wo noch einige entfernte Verwandte leben, die wohl im Lauf der Zeit vergessen haben müssen, daß er Tory war. Aber er schwindet rasch dahin«, fuhr er wehmütig fort, »und wird bald an der Seite des alten Mohegan ausruhen.«

      Die Luft war rein, der Tag schön, und so blieb die Gesellschaft auf dem Felsen, bis man die Räder von Richter Temples Wagen an der Seite des Berges heraufrasseln hörte. Die Unterhaltung wurde in der Zwischenzeit mit lebhaftem Interesse fortgeführt, und jeder Augenblick warf auf irgendeine zweideutige Handlung ein günstigeres Licht, so daß der Widerwille des Jünglings gegen Marmaduke sichtlich schwächer wurde. Er hatte nicht länger etwas gegen die Entfernung seines Großvaters einzuwenden, der eine kindische Freude an den Tag legte, als er sich wieder einmal in einem Wagen sitzen sah. In der weiten Halle des Herrenhauses angelangt, ließ der Greis seine Augen langsam über die Ausstattung des Raumes hingleiten, und bei dem peinlichen Irrereden, womit er den Umstehenden ohne Unterlaß irgendeine nutzlose Höflichkeit anbot, schien für Momente ein und der andere Lichtblick des Geistes seine Züge zu überfliegen. Die Anstrengung und die Veränderung seiner Lage hatten bald eine solche Erschöpfung zur Folge, daß man ihn zu Bett bringen mußte, wo er viele Stunden liegen blieb, zwar erfreut über die neue Bequemlichkeit, die sich ihm jetzt darbot, aber auch ein schmerzliches Bild der menschlichen Natur, in dem sich deutlich aussprach, daß die tierischen Neigungen fortwähren, selbst wenn der edlere Teil unseres Wesens entschwunden ist.

      Effingham verließ seinen Großvater nicht, bis er zur Ruhe gebracht war, worauf Natty an seiner Seite Platz nahm. Dann erst entsprach er den Aufforderungen des Richters, ihm in das Bibliothekszimmer zu folgen, wo dieser nebst Major Hartmann seiner harrte.

      »Lies dieses Papier, Oliver«, begann Marmaduke, als der Jüngling eingetreten war, »und du wirst finden, daß es mir nicht entfernt in den Sinn kam, deiner Familie bei meinen Lebzeiten unrecht zu tun, da ich mir’s im Gegenteil zur Aufgabe machte, Sorge zu tragen, daß ihr auch nach meinem Tode noch Gerechtigkeit widerfahre.«

      Der Jüngling nahm das Blatt, und der erste Blick sagte ihm, daß es das Testament des Richters sei. Trotz seiner Aufregung entging es ihm doch nicht, daß das Datum genau mit der Zeit zusammentraf, da er an Marmaduke jene ungewöhnliche Niedergeschlagenheit wahrgenommen hatte. Während des Lesens begannen seine Augen feucht zu werden, und die Hand, die das Dokument hielt, zitterte heftig.

      Das Testament begann mit den gewöhnlichen Förmlichkeiten, die durch den Scharfsinn des Herrn Van der School noch weitläufig ausgesponnen waren; nach der Einleitung ließ sich jedoch Marmadukes Stil nicht verkennen. Er berichtete in klarer, bestimmter, männlicher und sogar beredter Sprache seine Verbindlichkeiten gegen Oberst Effingham, die Natur ihrer Verbindung und die Umstände, durch welche sie getrennt worden waren. Er ging sodann auf die Gründe seines langen Schweigens ein, ohne dabei die großen Summen zu vergessen, die er seinem Freund zugeschickt, aber in den uneröffneten Briefen wieder zurückerhalten hatte. Ferner sprach er von seinen Bemühungen, den Großvater, der auf eine rätselhafte Weise verschwunden war, aufzusuchen, und von seinen Besorgnissen, der nächste Erbe der ihm anvertrauten Güter möchte mit seinem Vater in den Wellen des Ozeans umgekommen sein.

      Nach einer kurzen deutlichen Nebeneinanderstellung der Ereignisse, deren Zusammenhang der Leser jetzt herausfinden wird, waren die Summen aufgeführt, die Oberst Effingham seinem Freund anvertraut hatte. Dann kam eine Teilung von Marmadukes ganzem Besitztum in zwei gleiche Hälften, deren Vollziehung an bestimmte verantwortliche Kuratoren verwiesen war. Vermöge derselben sollte der eine Teil an seine Tochter, der andere an Oliver Effingham, früher Major in der britischen Armee, seinen Sohn Eduard Effingham und den Sohn dieses letzteren oder deren Nachkommen fallen. Dieses Testament sollte bis 1810 in Kraft bleiben: wenn in dieser Frist niemand erschien oder nach hinreichender Veröffentlichung aufgefunden werden könne, um genannte Hälfte in rechtmäßigen Anspruch zu nehmen, so sollte eine gewisse Summe im Betrag der Kapital-und Zinsenschuld an den gesetzlichen Erben der Effinghamschen Familie ausbezahlt werden und die Gesamtmasse des Grundbesitzes seiner Tochter oder ihren Erben verbleiben.

      Tränen entfielen den Augen des jungen Mannes, während er dieses unzweifelhafte Zeugnis von Marmadukes Redlichkeit las, und sein wirrer Blick haftete noch immer auf dem Papier, als eine Stimme, bei deren Tönen jeder Nerv in ihm bebte, in seiner Nähe sprach:

      »Zweifeln Sie noch immer an uns, Oliver?«

      »An Ihnen habe ich nie gezweifelt«, rief der Jüngling, indem er sich aufraffte und auf Elisabeth zueilte, um ihre Hand zu ergreifen. »Nein, mein Glaube an Sie hat keinen Augenblick gewankt.«

      »Und mein Vater –«

      »Gottes Segen über ihn!«

      »Ich danke dir, mein Sohn«, versetzte der Richter, indem er den warmen Händedruck des Jünglings erwiderte. »Wir waren jedoch beide auf einem Irrweg: du bist zu hastig gewesen, und ich war zu langsam. Die eine Hälfte meines Besitztums ist dein Eigentum, sobald es auf dich übertragen werden kann, und wenn mich meine Ahnungen nicht trügen, so vermute ich, daß ihr die andere wohl auch bald folgen wird.«

      Er nahm die Hand, die er noch immer festhielt, und vereinigte sie mit der seiner Tochter, worauf er dem Major nach der Tür winkte.

      »Ich will dir was sagen, Mädel!« sprach jetzt der alte Deutsche gutgelaunt. »Wenn ich noch wäre, was ich war, als ich mit seinem Großvater an den Seen Dienst leistete, so sollte mir der träge Hund da den Preis nicht so mir nichts dir nichts vor der Nase wegschnappen.«

      »Komm, komm, alter Fritz«, sagte der Richter; »du bist siebzig, nicht siebzehn. Richard hat für uns in der Halle ein Bowle Eierpunsch parat.«

      »Richard? Ei, der Teufel!« rief der andere, aus dem Zimmer eilend, »der macht seinen Punsch für die Pferde. Ich muß es dem Sheriff eigenhändig zeigen. Zum Teufel, er wäre imstande, ihn mit Yankeesirup zu zuckern!«

      Marmaduke lächelte, nickte dem jungen Paar freundlich zu und schloß die Türe hinter sich; wenn indes der geneigte Leser glaubt, daß wir, ihm zu Gefallen, sie wieder öffnen werden, so ist er im Irrtum.

      Das tete-à-tete währte eine geraume Zeit: wie lange, können wir nicht sagen; denn es ist uns nur bekannt, daß es um sechs Uhr abends durch die Ankunft Monsieur Le Quois unterbrochen wurde, welcher, der Übereinkunft des vorangehenden Tages zufolge, sich bei Miss Temple eine Audienz erbat. Er wurde vorgelassen und trug sofort der Dame in den zierlichsten Ausdrücken seine Hand an, wobei er es nicht unterließ, auf seine einflußreichen amis, seinen père, seine mère und seine sucre-plantage aufmerksam zu machen. Elisabeth mußte wohl bereits irgendeine bindende Verpflichtung gegen Oliver eingegangen sein; denn sie lehnte das zarte Anerbieten zwar in höflichen, aber doch vielleicht in entschiedeneren Ausdrücken ab, als es gestellt worden war.

      Der Franzose begab sich nun zu dem Deutschen und dem Sheriff in die Halle, wo er eingeladen wurde, am Tisch Platz zu nehmen, und mit Hilfe des Weins und Eierpunsches hatte man dem gefälligen Monsieur Le Quoi den Zweck seines Besuches bald entlockt. Es war augenscheinlich, daß er seinen Antrag nur als ein Kompliment betrachtet hatte, das ein Mann von Erziehung einer Dame an einem so abgelegenen Ort vor seiner Abreise gleichsam schuldig war, und daß seine Gefühle nur wenig oder gar