Название | Die Zeit der Völkerwanderung: 14 Historische Romane |
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Автор произведения | Felix Dahn |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027222049 |
«Ja, sie sollen’s versuchen!» rief Totila, und aus seinen Augen leuchtete ein kriegerisches Feuer, das ihn noch schöner machte. «Wenn diese undankbaren Römer uns verraten, wenn die falschen Byzantiner kommen» – er blickte mit liebevollem Stolz auf seinen starken Bruder – «sieh, Alter, wir haben Männer wie die Eichen.»
Wohlgefällig nickte der alte Waffenmeister: «Ja, Hildebad ist sehr stark: obwohl nicht ganz so stark wie Winithar und Walamer und die andern waren, die mit mir jung gewesen. Und gegen die Nordmänner ist Stärke gut Ding. Aber dieses Südvolk» – fuhr er ingrimmig fort – «kämpft von Türmen und Mauerzinnen herunter. Sie führen den Krieg wie ein Rechenexempel und rechnen dir zuletzt ein Heer von Helden in einen Winkel hinein, daß es sich nicht mehr rühren noch regen kann. Ich kenne einen solchen Rechenmeister in Byzanz, der ist kein Mann und besiegt die Männer. Du kennst ihn auch, Witichis?» – so fragend wandte er sich an den Mann mit dem Schwert.
«Ich kenne Narses», sagte dieser, der sehr ernst geworden, nachdenklich. «Was du gesprochen, Hildungs Sohn, ist leider wahr, sehr wahr. Ähnliches ist mir oft schon durch die Seele gegangen, aber unklar, dunkel, mehr ein Grauen als ein Denken. Deine Worte sind unwiderleglich: der König am Tod – die Fürstin ein halbgriechisch Weib – Justinian lauernd – die Welschen schlangenfalsch – die Feldherrn von Byzanz Zauberer von Kunst, aber» – hier holte er tief Atem – «wir stehen nicht allein, wir Goten. Unser weiser König hat sich Freunde, Verbündete geschaffen in Überfluß. Der König der Vandalen ist sein Schwestermann, der König der Westgoten sein Enkel, die Könige der Burgunder, der Heruler, der Thüringer, der Franken sind ihm verschwägert, alle Völker ehren ihn wie ihren Vater, die Sarmaten, die fernen Esthen selbst an der Ostsee senden ihm huldigend Pelzwerk und gelben Bernstein. Ist das alles.»
«Nichts ist das alles, Schmeichelworte sind’s und bunte Lappen! Sollen uns die Esthen helfen mit ihrem Bernstein wider Belisar und Narses? Weh uns, wenn wir nicht allein siegen können. Diese Schwäger und Eidame schmeicheln, so lange sie zittern, und wenn sie nicht mehr zittern, werden sie drohen. Ich kenne die Treue der Könige! Wir haben Feinde ringsum, offene und geheime, und keinen Freund als uns selbst.»
Ein Schweigen trat ein, in welchem alle die Worte des Alten besorgt erwogen: heulend fuhr der Sturm um die verwitterten Säulen und rüttelte an dem morschen Tempelbau.
Da sprach zuerst Witichis, vom Boden aufblickend, sicher und gefaßt: «Groß ist die Gefahr, hoffentlich nicht unabwendbar. Gewiß hast du uns nicht hierher beschieden, daß wir tatlos in die Verzweiflung schauen. Geholfen muß werden: so sprich, wie meinst du, daß zu helfen sei.»
Der Alte trat einen Schritt auf ihn zu und faßte seine Hand: «Wacker, Witichis, Waltaris Sohn. Ich kannte dich wohl und will dir’s treu gedenken, daß vor allen du zuerst ein männlich Wort der Zuversicht gefunden. Ja, ich denke wie du: noch ist Hilfe möglich, und um sie zu finden, habe ich euch hierher gerufen, wo uns kein Welscher hört. Saget nun an und ratet: dann will ich sprechen.»
Da alle schwiegen, wandte er sich zu dem Schwarzgelockten: «Wenn du denkst wie wir, so sprich auch du, Teja. Warum schwiegst du bisher?»
«Ich schweige, weil ich anders denke denn ihr.»
Die andern staunten. Hildebrand sprach: «Wie meinst du das, mein Sohn?»
«Hildebad und Totila sehen nicht die Gefahr, du und Witichis, ihr sehet sie und hoffet, ich aber sah sie längst und hoffe nicht.»
«Du siehst zu schwarz, wer darf verzweifeln vor dem Kampf?» meinte Witichis.
«Sollen wir, das Schwert in der Scheide, ohne Kampf, ohne Ruhm untergehen?» rief Totila.
«Nicht ohne Kampf, mein Totila, und nicht ohne Ruhm, so weiß ich», antwortete Teja, leise die Streitaxt zuckend. «Kämpfen wollen wir, daß man es nie vergessen soll in allen Tagen: kämpfen mit höchstem Ruhm, aber ohne Sieg. Der Stern der Goten sinkt.»
«Mir deucht, er will erst recht hoch steigen», rief Totila ungeduldig. «Laßt uns vor den König treten, sprich du, Hildebrand, zu ihm, wie du zu uns gesprochen. Er ist weise: er wird Rat finden.»
Der Alte schüttelte den Kopf: «Zwanzigmal hab’ ich zu ihm gesprochen. Er hört mich nicht mehr. Er ist müde und will sterben, und seine Seele ist verdunkelt, ich weiß nicht, durch welchen Schatten. Was denkst du, Hildebad?»
«Ich denke», sprach dieser, sich hoch aufrichtend, «sowie der alte Löwe die müden Augen geschlossen, rüsten wir zwei Heere. Das eine führen Witichis und Teja vor Byzanz und brennen es nieder, mit den andern steigen ich und mein Bruder über die Alpen und zerschlagen Paris, das Drachennest der Merowinger, zu einem Steinhaufen für alle Zukunft. Dann wird Ruhe sein, im Osten und im Norden.»
«Wir haben keine Schiffe gegen Byzanz», sprach Witichis.
«Und die Franken sind sieben wider einen gegen uns», sagte Hildebrand. «Aber wacker meinst du’s, Hildebad. Sage, was rätst du, Witichis?»
«Ich rate einen Bund, mit Schwüren beschwert, mit Geiseln gesichert, aller Nordstämme gegen die Griechen.»
«Du glaubst an Treue, weil du selber treu. Nein Freund, nur die Goten können den Goten helfen. Man muß sie nur wieder daran erinnern, daß sie Goten sind. Hört mich an. Ihr alle seid jung und liebt allerlei Dinge und habt vielerlei Freuden. Der eine liebt ein Weib, der andere die Waffen, der dritte irgendeine Hoffnung oder auch irgendeinen Gram, der ihm ist wie eine Geliebte. Aber glaubt mir, es kommt eine Zeit – und die Not kann sie euch noch in jungen Tagen bringen –, da all diese Freuden und selbst Schmerzen wertlos werden wie welke Kränze vom Gelag von gestern.
Da werden denn viele weich und fromm und vergessen des, was auf Erden, und trachten nach dem, was hinter dem Grabe ist. Ich kann’s nicht und ihr, mein’ ich, und viele von uns können’s auch nicht. Die Erde lieb’ ich mit Berg und Wald und Weide und strudelndem Strom und das Leben darauf mit heißem Haß und langer Liebe, mit zähem Zorn und stummem Stolz. Von jenem Luftleben da droben in den Windwolken, wie’s die Christenpriester lehren, weiß ich nichts und will ich nichts wissen, Eins aber bleibt dem Mann, dem rechten, wenn alles andere dahin. Ein Gut, von dem er nimmer läßt. Seht mich an. Ich bin ein entlaubter Stamm, alles hab’ ich verloren, was mein Leben erfreute: mein Weib ist tot seit vielen Jahren, meine Söhne sind tot, meine Enkel sind tot: bis auf einen, der ist schlimmer als tot: der ist ein Welscher geworden. Dahin und lang vermodert sind sie alle, mit denen ich ein kecker Knabe und ein markiger Mann gewesen, und schon steigt meine erste Liebe und mein letzter Stolz, mein großer König, müde in sein Grab. Nun seht, was hält mich noch im Leben? Was gibt mir Mut, Lust, Zwang zu leben? Was treibt mich Alten wie einen Jüngling in dieser Sturmnacht auf die Berge? Was lodert hier unter dem Eisbart heiß in lauter Liebe, in störrigem Stolz und in trotziger Trauer? Was anderes als der Drang, der unaustilgbar in unsrem Blute liegt, der tiefe Drang und Zug zu meinem Volk, die Liebe, die lodernde, die allgewaltige, zu dem Geschlechte, das da Goten heißt, und das die süße, heimliche, herrliche Sprache redet meiner Eltern, der Zug zu denen, die da sprechen, fühlen, leben wie ich. Sie bleibt, sie allein, diese Volksliebe, ein Opferfeuer, in dem Herzen, darinnen alle andre Glut erloschen, sie ist das teure, das mit Schmerzen geliebte Heiligtum, das Höchste in jeder Mannesbrust, die stärkste Macht in seiner Seele, treu bis zum Tod und unbezwingbar.»
Der Alte hatte sich in Begeisterung geredet – sein Haar flog im Winde – er stand wie ein alter, hünenhafter Priester unter den jungen Männern, welche die Fäuste an ihren Waffen ballten.
Endlich sprach Teja: «Du hast recht, diese Flamme lodert noch, wo alles sonst erloschen. Aber sie brennt in dir, in uns, vielleicht noch in hundert andern unsrer Brüder. Kann das ein ganzes Volk erretten? Nein! Und kann diese Glut die Masse ergreifen, die Tausende, die Hunderttausende?»
«Sie kann es, mein Sohn, sie kann es. Dank allen Göttern, daß sie’s kann. Höre mich an. Es sind jetzt fünfundvierzig Jahre, da waren wir Goten, viele Hunderttausende, mit Weibern und Kindern, in den Schluchten der Hämus-Berge eingeschlossen.
Wir