Название | Die Zeit der Völkerwanderung: 14 Historische Romane |
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Автор произведения | Felix Dahn |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027222049 |
Schon zogen starke Abteilungen von Byzantinern stolz und triumphierend ein, während die in schwachen Zahlen überall zerstreuten gotischen Posten mit Schweigen und mit Widerwillen die verhaßten Feinde in die Residenz Theoderichs einrücken sahen.
In dem ebenfalls reichgeschmückten Königspalast versammelten sich die vornehmsten Goten in einer Halle neben den Gemächern des Königs. Dieser bereitete sich, als die für den Einzug Belisars anberaumte Stunde nahte, die königlichen Kleider anzulegen: – mit Befriedigung, denn es war ja das letztemal, daß er die Anzeichen einer Würde tragen sollte, die ihm nur Schmerz und Unheil gebracht.
«Geh, Herzog Guntharis», sprach er zu dem Wölsung, «Hildebad, mein ungetreuer Kämmerer, hat mich verlassen. Vertritt du dies eine Mal seine Stelle: die Diener werden dir im Königsschatz die goldene Truhe zeigen, die Krone, Helm und Purpurmantel, Schwert und Schild Theoderichs verwahren. Ich werde sie heute zum ersten-und letztenmal anlegen, sie dem Helden abzuliefern, der sie nicht unwürdig tragen wird. Was gibt es dort für Lärm!»
«Herr, ein Weib», antwortete Graf Wisand, «eine gotische Bettlerin. Sie hat sich schon dreimal herangedrängt. Sie will ihren Namen dir nur nennen! Weise sie hinaus! –»
«Nein, sagt ihr, ich will sie hören: – heute abend soll sie im Palast nach mir fragen.»
Als Guntharis das Gemach verlassen, trat Bessas ein mit Cethegus. Der Präfekt hatte diesem, ohne ihn einzuweihen, die Abschrift des Vertrages übergeben, die der Gotenkönig noch unterschreiben sollte. Aus dieser unverdächtigen Hand, glaubte er, würde jener die Urkunde argloser nehmen.
Witichis begrüßte die Eintretenden. Bei dem Anblick des Präfekten flog über sein Antlitz, das heute heller als seit langen Monden glänzte, ein dunkler Schatten. Doch bezwang er sich und sprach: «Du hier, Präfekt von Rom? Anders hat dieser Kampf geendet, als wir meinten! Jedoch, du kannst auch damit zufrieden sein. Wenigstens kein Griechenkaiser, kein Justinianus wird dein Rom beherrschen.»
«Und soll es nicht, solange ich lebe.»
«Ich komme, König der Goten», fiel Bessas ein, «dir den Vertrag mit Belisar zur Unterschrift vorzulegen.»
«Ich hab’ ihn schon unterschrieben.» – «Es ist die für meinen Herrn bestimmte Doppelschrift.»
«So gib», sprach Witichis und wollte das Pergament aus des Byzantiners Hand nehmen.
Da trat Herzog Guntharis mit den Dienern eilfertig ins Gemach: «Witichis», rief er, «der Königsschmuck ist verschwunden.»
«Was ist das?» fragte Witichis. «Hildebad allein führte die Schlüssel davon.»
«Die ganze Goldtruhe, auch noch andere Truhen sind fort. In der leeren Nische, da sie sonst standen, lag dieser Streif Pergament. Es sind die Schriftzüge von Hildebads Schreiber.»
Der König nahm und las: «‹Krone, Helm und Schwert, Purpur und Schild Theoderichs sind in meinem Gewahrsam. Wenn Belisar sie will soll er sie von mir holen.› Die Rune H – für Hildebad.»
«Man muß ihn verfolgen», sagte Cethegus finster, «bis er sich fügt.» Da eilten Johannes und Demetrius herein. «Eile dich, König Witichis», drängten sie. «Hörst du die Tubatöne? Belisar hat schon die Porta des Stilicho erreicht.»
«So laßt uns gehn», sprach Witichis, ließ sich von den Dienern den Purpurmantel, den sie statt des verschwundenen mitgebracht, um die Schultern werfen und drückte einen goldenen Reif auf das Haupt. Statt des Schwertes reichte man ihm ein Zepter. Und so wandte er sich zur Tür.
«Du hast nicht unterschrieben, Herr», mahnte Bessas.
«So gib», und er nahm die Schrift jetzt aus der Hand des Byzantiners. «Die Urkunde ist sehr lang», sagte er hineinblickend und hob an zu lesen. «Eile, König», mahnte Johannes.
«Zum Lesen ist nicht mehr Zeit», sagte Cethegus gleichgültig und reichte ihm die Schilffeder von dem Tisch. «Dann auch nicht zum Schreiben», antwortete der König. «Du weißt: ich war ein König von Bauernart, wie die Leute sagten. Bauern unterschreiben keine Zeile, ehe sie sie genau gelesen, gehen wir.» Und lächelnd gab er die Urkunde an den Präfekten und schritt hinaus. Die Byzantiner und alle Anwesenden folgten.
Cethegus drückte das Pergament zusammen: «Warte nur», flüsterte er grimmig, «du sollst doch noch unterschreiben.» Langsam folgte er den andern.
Die Halle vor dem Gemach des Königs war bereits leer.
Der Präfekt schritt hinaus auf den gewölbten Bogengang, der im Viereck den ersten Stock des Palastes umgab, und dessen byzantinisch-romanische Rundbogen den freien Blick in den weiten Hofraum gewährten. Derselbe war von Bewaffneten dicht gefüllt. An allen vier Toren standen die Lanzenträger Belisars. Cethegus lehnte hinter einem Bogenpfeiler und sprach, dem Gang der Ereignisse folgend, mit sich selbst: «Nun, Byzantiner genug, um ein kleines Heer gefangenzunehmen! Freund Prokop ist vorsichtig Da! – Witichis erscheint im Portal! Seine Goten sind noch weit hinter ihm auf der Treppe. Des Königs Pferd wird vorgeführt. Bessas hält dem König den Bügel. Witichis tritt heran, er hebt den Fuß. – Jetzt ein Trompetenstoß. – Die Treppentüre des Palastes fällt zu und schließt die Goten in den Treppenbau. Auf dem Dache reißt Prokop das Gotenbanner nieder. Johannes faßt seinen rechten Arm, brav Johannes. – Der König ruft: ‹Verrat, Verrat!› Er wehrt sich mächtig. Aber der lange Mantel hemmt ihn. – Da, da, er strauchelt. – Er stürzt zu Boden. – Da liegt das Reich der Goten.» – –
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«Da liegt das Reich der Goten!» Mit diesen Worten begann auch Prokop die Sätze, die er an diesem Abend in sein Tagebuch eintrug: «Ein wichtig Stück Weltgeschichte hab’ ich heut bei Tage machen helfen und zeichne ich nun nachts hier ein.
Als ich heute das römische Heer seinen Einzug halten sah in die Tore und Königsburg von Ravenna, kam mir abermals der Gedanke: nicht Tugend oder Zahl oder Verdienst entscheidet den Erfolg in der Geschichte.
Es gibt eine höhere Gewalt, die unentrinnbare Notwendigkeit.
An Zahl und an Heldentum waren uns die Goten überlegen: und sie haben es nicht fehlen lassen an irgend denkbarer Anstrengung. Die gotischen Frauen in Ravenna schmähten heute ihre Männer laut ins Angesicht, als sie die kleinen Gestalten, die nicht zahlreichen Scharen unserer einziehenden Truppen sahen. Summa: in gerechtester Sache, in heldenmütigster Anstrengung kann ein Mann, kann ein Volk doch erliegen, wenn übermächtige Gewalten entgegentreten, die durchaus nicht immer das bessere Recht für sich haben.
Mir schlug das Herz im Bewußtsein des Unrechts, als ich das Gotenbanner heute niederriß und den Golddrachen Justinians an seine Stelle setzte, die Fahne des Unrechts erhob über dem Banner des Rechts.
Nicht die Gerechtigkeit, eine unserem Denken undurchdringbare Notwendigkeit beherrscht die Geschicke der Menschen und der Völker.
Aber den rechten Mann macht das nicht irre. Denn nicht was wir ertragen, erleben und erleiden – wie wir es tragen, das macht den Mann zum Helden. Ehrenvoller ist der Goten Untergang denn unser Sieg. Und diese Hand, die sein Banner herabriß, wird den Ruhm dieses Volkes aufzeichnen für die kommenden Geschlechter. Jedoch, wie immer dem sei: da liegt das Reich der Goten.»
Fünfundzwanzigstes Kapitel
Und so schien es.
Auf das glücklichste war, dank den Maßregeln Prokops, der Streich gelungen. Im Augenblick, da auf dem Turme des Palastes die Fahne der Goten fiel und der König ergriffen ward, sahen sich die überraschten Goten überall im Schloßhof, in den Straßen und Lagunen der Stadt, im Lager von weit überlegenen Kräften umstellt: ein Rechen von Lanzen starrte ihnen überall entgegen: fast ausnahmslos legten die Betäubten die Waffen nieder: – die wenigen, welche Widerstand versuchten so die nächste Umgebung des Königs, wurden niedergestoßen.