Die Zeit der Völkerwanderung: 14 Historische Romane. Felix Dahn

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Название Die Zeit der Völkerwanderung: 14 Historische Romane
Автор произведения Felix Dahn
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788027222049



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zu viel! Schon der Duft der Blumen betäubt. Die Rose und das Geißblatt berauschen fast die Sinne: mir würde schwindeln hier.»

      «Ah», lachte Aspa, «wie singt der Dichter: ‹Nüchternen nimmer nahet das Glück: nur in seligem Rausche.› Laß uns jetzt das Fenster schließen.» – «Nur ein wenig noch laß mich lauschen», bat eine dritte junge Sklavin, die dort lehnte. «Es ist schön! Komm, Frithilo», sprach sie zu einer gotischen Magd, die neben ihr stand, «du kennst ja all die stolzen Männer und Frauen. Sage, wer ist der zur Linken der Königin mit dem goldnen Schuppenpanzer? Er trinkt dem König zu.» – «Herzog Guntharis von Tuscien, der Wölsung. Sein Bruder, Graf Arahad von Asta… wo mag der sein zu dieser Stunde?»

      «Und der Alte neben dem König, mit dem grauen Bart?»

      «Das ist der Graf Grippa, der die Goten in Ravenna befehligt. Er spricht die Fürstin an. Wie sie lacht und errötet! Nie war sie so schön.» – «Ja, aber auch der Bräutigam – welch herrlicher Mann! Der Kopf des Mars, der Nacken des Neptun. Aber er sieht nicht fröhlich – vorhin starrte er lange sprachlos in seinen Becher und furchte die Stirn – die Königin sah es – bis der alte Hildebrand, gegenüber, ihm zurief. Da sah er seufzend auf. Was hat der Mann zu seufzen neben diesem Götterweib?»

      «Nun», sprach die Gotin, «er hat dann doch nicht ein steinern Herz. Er denkt dann vielleicht an die, die sein rechtes Weib vor Gott und Menschen, die er verstoßen.»

      «Was? Wie? Was sagst du?» riefen die drei Sklavinnen zugleich. Aber urplötzlich fuhr Aspa zwischen die Mädchen: «Willst du wohl schweigen mit dem dummen Gerede, Barbarin! Mach’, daß du fortkommst! Ein solches Wort: eine Silbe, daß es die Königin hört, und du sollst der Afrikanerin gedenken.»

      Frithilo wollte erwidern. «Still», rief eine der Römerinnen. «Die Königin bricht auf.» – «Sie wird hier heraufkommen.» – «Der König bleibt noch.» – «Nur die Frauen folgen ihr.» – «Sie geben ihr das Geleit bis hierher», sprach Aspa. «Gleich kann sie hier sein: bereitet euch sie zu empfangen.»

      Bald nahte der Zug, von Fackelträgern und Flötenbläsern eröffnet. Darauf eine Auswahl der gotischen Edelfrauen: neben Mataswintha, der Braut oder jungen Frau, schritt Theudigotho, die Gattin Herzogs Gunthar’s, und Hildiko, die Tochter Grippas. Die vornehmen Frauen von Ravenna schlossen den Zug.

      An der Schwelle der Brautkammer verabschiedete Mataswintha ihr Gefolge, an die jungen Mädchen ihren Schleier, an die Frauen ihren Gürtel verschenkend.

      Die meisten zogen sich wieder zu dem Fest in den Garten, andre nach Hause zurück. Sechs Gotinnen aber, drei Frauen und drei Jungfrauen, ließen sich als Ehrenwache vor der Tür des Brautgemaches nieder, wo Teppiche für sie bereitet lagen. Dort hatten sie mit einer gleichen Zahl gotischer Männer, die den Bräutigam geleiteten, die Nacht zu verbringen: so wollt es die gotische Sitte.

      Mataswintha überschritt die Schwelle mit einem Ausruf des Staunens. «Aspa», rief sie, «das hast du schön gemacht – zauberisch!»

      Die Afrikanerin kreuzte selig die Arme über die Brust und beugte den Nacken. Sie an sich ziehend, flüsterte die Braut:

      «Du kanntest mein Herz und seine Träume! Aber», fuhr sie aufatmend fort, «wie schwül! Deine glühenden Blumen berauschen.»

      «In Glut und Rausch nahen die Götter!» sprach Aspa.

      «Wie schön jene Violen, und dort die Purpurlilie; mir ist, die Göttin Flora flog durchs Zimmer und dachte einen Liebestraum und verlor darüber ihre schönsten Blumen. Es ist ein ahnungsvolles Wunder, das ich hier erlebe. Es durchrieselt mich heiß. Es ist schwül. Nehmt mir den schweren Prunk ab.» Und sie nahm die goldne Krone aus dem Haar.

      Aspa strich ihr die vollen, dunkelroten Flechten hinter das feine Ohr und zog die goldne Nadel heraus, die sie am Hinterkopf zusammenhielt: frei wallte das Haar in den Nacken. Die andern Sklavinnen lösten die Spange, die in Gestalt einer geringelten Schlange den schweren Purpurmantel mit seinen reichen Goldstreifen auf der linken Schulter zusammenhielt. Der Mantel fiel und zeigte die edle, hochschlanke Gestalt der Jungfrau in dem ärmellosen, wallenden Unterkleid von weißer, persischer Seide. Ihre schimmernden Arme umzirkten zwei breite, goldne Armreife: Erbstücke aus dem alten Schatz der Amalungen, grüne Schlangen von Smaragden waren darin eingelegt.

      Mit Entzücken schaute Aspa auf die Gebieterin, wie diese vor den in den Marmor eingelassenen Metallspiegel trat, das lose Haar mit goldnem Kamm zu schlichten.

      «Wie schön du bist! Wie zauberschön! – Wie Astraroth, die Liebesgöttin – nie warst du so schön, wie in dieser Stunde.» Mataswintha warf einen raschen Blick in den Spiegel. Sie sah, noch mehr, sie fühlte; daß Aspa recht hatte, und sie errötete.

      «Geht», sagte sie, «laßt mich allein mit meinem Glück.» – Die Sklavinnen gehorchten. Mataswintha eilte ans Fenster, das sie rasch öffnete, wie um ihren Gedanken zu entfliehen. Ihr erster Blick fiel auf Witichis, der unten vom Schein der Hängelampen im Garten voll beleuchtet war.

      «Er! Wieder er. Wohin entflieh’ ich vor ihm, dem süßen Tod?»

      Sie wandte sich rasch: da an der Wand, gerade dem Fenster gegenüber glänzte im Ampellicht eine weiße Marmorbüste. Sie kannte sie wohl: Aspa hatte den Areskopf nicht vergessen, den treuen Begleiter lang harrender Sehnsucht. Heute aber schlang sich ein Kranz von weißen und roten Rosen um sein Haar. «Und wieder du!» flüsterte die Braut, süß erschrocken, und legte die weiße Hand vor die Augen. «Und schließ’ ich die Augen und wend’ ich sie nach innen, so seh’ ich wieder ein Bild, sein Bild allein im tiefsten Herzen. Ich werde noch untergehn in diesem Bilde! Ach, und ich will’s!» rief sie, die Hand fallen lassend und dicht vor die Büste tretend: «ich will’s! Wie oft, mein Ares, wann der Abend kam, hab’ ich zu dir aufgeblickt, wie zu meinem Stern, bis Frieden und Ruhe aus deinen klaren, großen Zügen drang in die schwanke Seele. Wie wunderbar hat dieses Ahnen, dieses Sehnen, dieses Hoffen sich erfüllt! Wie er einst dem weinenden Kinde die Tränen getrocknet und die Ratlose nach Hause geführt, so wird er auch jetzt all mein Klagen stillen und mir die wahre Heimat bauen in seinem Herzen. Und durch all diese öden Jahre, durch all die letzten Monate voll Gefahr und Angst trug ich in mir das sichere Gefühl: ‹Es wird! Dir wird geschehen, wie du glaubst! Dein Retter kommt und birgt dich sicher an der starken Brust.› Und, o Gnade, unaussprechliche reiche Gnade des Himmels: es ward. Ich bin sein! Dank, glühenden, seligen Dank, wer immer du bist, beglückende Macht, die über den Sternen die Bahn der Menschen lenkt mit weiser, mit liebender, mit wunderbar segnender Hand. Oh, ich will’s verdienen, dieses Glück. Er soll im Himmel wandeln. Sie sagen, ich bin schön; ich weiß es, daß ich’s bin, ich weiß es ja durch ihn – ich will’s für ihn sein. Laß mir, Himmel, diese Schöne. Sie sagen: ich habe einen mächtigen, schwungvollen Geist. Oh, gib ihm Flügel, Gott, daß ich seiner Heldenseele folgen kann in alle Sonnenhöhen. Aber, o Gott, laß mich auch abtun meine Fehler, den spröden, stolzen, leicht gereizten Sinn, den Trotz des zornigen Eigenwillens, den unbändigen Drang nach Freiheit… Oh, fort damit: beuge dich, beuge dich, hochmütiger Geist; ihm sich zu beugen ist edelster Ruhm. Gib dich gebunden, Herz, und verloren auf ewig an ihn, deinen starken und herrlichen Herrn. O Witichis», rief sie und sank fortgerissen vom Gefühl halb aufs Knie, sich an das Lager lehnend und zu der Büste aufblickend mit schwimmenden Augen – «ich bin dein. Tu, wie du willst mit meiner Seele! Vernichte sie! Nur gesteh, daß du glücklich durch mich.»

      Und sie beugte das schöne Haupt vor, nach den gefalteten Händen.

      Doch plötzlich fuhr sie empor. Licht, helles Licht floß ins Gemach. An der offenen Türe stand der König: draußen auf dem Gang zeigten sich zahlreiche Goten und Ravennaten mit hellen Fackeln.

      «Dank, meine Freunde», sprach der König mit ernster Stimme. «Dank, für das Festgeleit. Geht nun und vollendet die Nacht», und er wollte die Türe schließen.

      «Halt», sprach Hildebrand, mit der Hand die Türe wieder öffnend, so daß Mataswintha sichtbar ward, «hier seht ihr, alles Volk: der Mann und das Weib, die heut’ wir vermählt, sind glücklich geeint im Ehegemach. Ihr sehet Witichis und Mataswintha und ihren ersten ehelichen Kuß.»

      Mataswintha erbebte. Sie